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Biographie
Das
häßliche junge
Entlein
Das
Feuerzeug
Die
Nachtigall
Drr fliegende Koffer
Literatur |
- Hans
Christian Andersen
Das häßliche junge
Entlein - zurück - weiter
-
- Es war so herrlich draußen auf
dem Lande. Es war Sommer, das Korn stand gelb, der Hafer
grün, das Heu war unten auf den grünen Wiesen
in Schobern aufgesetzt, und der Storch ging auf seinen
langen, roten Beinen und plapperte ägyptisch, denn
diese Sprache hatte er von seiner Frau Mutter gelernt.
Rings um die Äcker und die Wiesen gab es große
Wälder und mitten in den Wäldern tiefe Seen.
Ja, es war wirklich herrlich da draußen auf dem
Lande! Mitten im Sonnenschein lag dort ein altes Landgut,
von tiefen Kanälen umgeben; und von der Mauer bis
zum Wasser herunter wuchsen große
Klettenblätter, die so hoch waren, daß kleine
Kinder unter den höchsten aufrecht stehen konnten;
es war ebenso wild darin wie im tiefsten Walde.
-
Foto: Martin Schlu ©2007
- Hier
saß eine Ente auf ihrem Nest, welche ihre Jungen
ausbrüten mußte; aber es wurde ihr fast zu
langweilig, bis die Jungen kamen. Dazu erhielt sie selten
Besuch; die andern Enten schwammen lieber in den
Kanälen umher, als daß sie hinaufliefen, sich
unter ein Klettenblatt zu setzen, um mit ihr zu
schnattern.
- Endlich platzte ein Ei nach dem
anderen; "Piep! piep!" sagte es, und alle Eidotter waren
lebendig geworden und steckten die Köpfe heraus.
"Rapp! rapp!" sagte sie; und so rappelten sich alle, was
sie konnten, und sahen nach allen Seiten unter den
grünen Blättern; und die Mutter ließ sie
sehen, so viel sie wollten, denn das Grüne ist gut
für die Augen.
-
- "Wie groß ist doch die Welt!"
sagten alle Jungen, denn nun hatten sie freilich viel
mehr Platz, als wie sie noch drinnen im Ei lagen. "Glaubt
ihr, daß dies die ganze Welt ist?" sagte die
Mutter; "die erstreckt sich noch weit über die
andere Seite des Gartens, gerade hinein in des Pfarrers
Feld; aber da bin ich noch nie gewesen!" - "Ihr seid doch
alle beisammen?" fuhr sie fort und stand auf. "Nein, ich
habe nicht alle; das größte Ei liegt noch da;
wie lange soll denn das dauern! jetzt bin ich es bald
überdrüssig!" und so setzt sie sich
wieder.
-
- "Nun, wie geht es?" fragte eine alte
Ente, welche gekommen war, um ihr einen Besuch
abzustatten. "Es währt recht lange mit dem einen
Ei!" sagte die Ente, die da saß; "es will nicht
platzen; doch sieh nur die andern an; sind es nicht die
niedlichsten Entlein, die man je gesehen? Sie gleichen
allesamt ihrem Vater; der Bösewicht kommt nicht,
mich zu besuchen."
-
- "Laß mich das Ei sehen, welches
nicht platzen will!" sagte die Alte. "Glaube mir, es ist
ein Kalekuten-Ei! <kalkun/kalkoen = Truthahn> Ich bin auch einmal so angeführt
worden und hatte meine große Sorge und Not mit den
Jungen, denn ihnen ist bange vor dem Wasser! Ich konnte
sie nicht hineinbringen; ich rappte und schnappte, aber
es half nicht. Laß mich das Ei sehen! Ja, das ist
ein Kalekuten-Ei! Laß das liegen und lehre lieber
die andern Kinder schwimmen."
-
- "Ich will doch noch ein bißchen
darauf sitzen", sagte die Ente; "habe ich nun so lange
gesessen, so kann ich auch noch einige Tage sitzen. "Nach
Belieben", sagte die alte Ente und ging von
dannen.
-
- Endlich platze das Ei. "Piep! piep!"
sagte das Junge und kroch heraus. Es war sehr groß
und häßlich! Die Ente betrachtete es: "Es ist
doch ein gewaltig großes Entlein das", sagte sie;
"keins von den andern sieht so aus; sollte es wohl ein
kalikutisches Küchlein sein? Nun, wir wollen bald
dahinterkommen; in das Wasser muß es, sollte ich es
auch selbst hineinstoßen."
-
- Am nächsten Tage war
schönes, herrliches Wetter; die Sonne schien auf
alle grünen Kletten. Die Entleinmutter ging mit
ihrer ganzen Familie zu dem Kanal hinunter. Platsch! da
sprang sie ins Wasser. "Rapp! rapp!" sagte sie, und ein
Entlein nach dem andern plumpste hinein; das Wasser
schlug ihnen über dem Kopf zusammen, aber sie kamen
gleich wieder empor und schwammen ganz prächtig; die
Beine gingen von selbst, und alle waren sie im Wasser;
selbst das häßliche, graue Junge schwamm
mit.
-
- Foto: Martin Schlu © 2007
- "Nein, es ist kein Kalekut", sagte
sie; "Sieh, wie herrlich es die Beine gebraucht, wie
gerade es sich hält; es ist mein eigenes Kind! Im
Grunde ist es doch ganz hübsch, wenn man es nur
recht betrachtet. Rapp! rapp! Kommt nur mit mir, ich
werde euch in die große Welt führen, euch im
Entenhofe präsentieren; aber haltet euch immer nahe
zu mir, damit euch niemand tritt, und nehmt euch vor den
Katzen in acht!"
-
- Und so kamen sie in den Entenhof
hinein. Drinnen war ein schrecklicher Lärm, denn da
waren zwei Familien, die sich um einen Aalkopf bissen,
und am Ende bekam ihn doch die Katze.
-
- "Seht, so geht es in der Welt zu!"
sagte die Entleinmutter und wetzte ihren Schnabel, denn
sie wollte auch den Aalkopf haben. "Braucht nun die
Beine!" sagte sie; "seht, daß ihr euch rappeln
könnt, und neigt euren Hals vor der alten Ente dort;
die ist die vornehmste von allen hier; sie ist aus
spanischem Geblüt, deshalb ist sie so dick, und seht
ihr: sie hat einen roten Lappen um das Bein; das ist
etwas außerordentlich Schönes und die
größte Auszeichnung, welche einer Ente zuteil
werden kann. Das bedeutet so viel, daß man sie
nicht verlieren will und daß sie von Tier und
Menschen erkannt werden soll! Rappelt euch! Setzt die
Füße nicht einwärts; ein wohlerzogenes
Entlein setzt die Füße weit auswärts,
gerade wie Vater und Mutter; seht: so! Nun neigt euren
Hals und sagt: Rapp."
-
- Und das taten sie; aber die andern
Enten ringsumher betrachteten sie und sagten ganz laut:
"Sieh da! Nun sollen wir noch den Anhang haben; als ob
wir nicht schon so genug wären! Und pfui! Wie das
eine Entlein aussieht, das wollen wir nicht dulden!" und
sogleich flog eine Ente hin und biß es in den
Nacken. "Laß es gehen!" sagte die Mutter; "es tut
ja niemandem etwas." "Ja, aber es ist zu groß und
ungewöhnlich", sagte die beißende Ente; "und
deshalb muß es gepufft werden."
-
- "Es sind hübsche Kinder, welche
die Mutter hat", sagte die alte Ente mit dem Lappen um
das Bein; "alle schön, bis auf das eine; das ist
nicht geglückt; ich möchte, daß sie es
umarbeiten könnte." "Das geht nicht, Ihro Gnaden",
sagte die Entleinmutter; "es ist nicht hübsch, aber
es hat ein innerlich gutes Gemüt und schwimmt so
herrlich wie eins von den andern, ja, ich darf sagen,
noch etwas besser. Ich denke, es wird hübsch
heranwachsen und mit der Zeit etwas kleiner werden; es
hat zu lange in dem Ei gelegen und deshalb nicht die
rechte Gestalt bekommen!" Und so zupfte sie es im Nacken
und glättete das Gefieder. "Es ist überdies ein
Enterich", sagte sie; "und darum macht es nicht so viel
aus. Ich denke, er wird gute Kräfte bekommen; er
schlägt sich schon durch."
- "Die anderen Entlein sind niedlich",
sagte die Alte; "tut nun, als ob ihr zu Hause wäret,
und findet ihr einen Aalkopf, so könnt ihr ihn mir
bringen." Und nun waren sie zu Hause.
-
- Aber das arme Entlein, welches
zuletzt aus dem Ei gekrochen war und so
häßlich aussah, wurde gebissen, gestoßen
und ausgelacht, und das sowohl von den Enten wie von den
Hühnern. "Es ist zu groß!" sagten alle, und
der kalikutische Hahn, welcher mit Sporen zur Welt
gekommen war und deshalb glaubte, daß er Kaiser
sei, blies sich auf wie ein Fahrzeug mit vollen Segeln
und ging gerade auf dasselbe los; dann kollerte er und
wurde ganz rot am Kopf. Das arme Entlein wußte
nicht, wo es stehen oder gehen sollte; es war so
betrübt, weil es häßlich aussah und vom
ganzen Entenhof verspottet wurde.
-
- So ging es den ersten Tag, und
später wurde es schlimmer und schlimmer. Das arme
Entlein wurde von allen gejagt; selbst seine Schwestern
waren ganz böse gegen dasselbe und sagten immer:
"Wenn die Katze dich nur fangen möchte, du
häßliches Geschöpf!" Und die Mutter
sagte: "Wenn du nur weit fort wärst!" Und die Enten
bissen es, und die Hühner schlugen es, und das
Mädchen, welches die Tiere füttern sollte,
stieß mit den Füßen noch ihm. Da lief es
und flog über den Zaun, die kleinen Vögel in
den Büschen flogen erschrocken auf. "Das geschieht,
weil ich so häßlich bin", dachte das Entlein
und schloß die Augen, lief aber gleichwohl weiter;
so kam es hinaus zu dem großen Moor, wo die wilden
Enten wohnten. Hier lag es die ganze Nacht; es war so
müde und kummervoll. Gegen Morgen flogen die wilden
Enten auf, und sie betrachteten den neuen Kameraden. "Was
bist du für einer?" fragten sie; und das Entlein
wendete sich nach allen Seiten und grüßte, so
gut es konnte.
-
- "Du bist außerordentlich
häßlich!" sagten die wilden Enten; "Aber das
kann uns gleich sein, wenn du nur nicht in unsere Familie
hineinheiratest." Das Arme! Es dachte wahrlich nicht
daran, sich zu verheiraten, wenn es nur die Erlaubnis
erhalten konnte, im Schilf zu liegen und etwas Moorwasser
zu trinken.
-
- So lag es zwei ganze Tage, da kamen
zwei wilde Gänse oder richtiger wilde
Gänseriche dorthin; es war noch nicht lange her,
daß sie aus dem Ei gekrochen waren, und deshalb
waren sie auch so keck.
-
Foto: Martin Schlu ©2007
- "Höre, Kamerad!" sagten sie; "du
bist so häßlich, daß ich dich gut leiden
mag; willst du mitziehen und Zugvogel werden? Hier
nahebei in einem andern Moor gibt es einige
süße, liebliche wilde Gänse, nämlich
Fräuleins, die alle "Rapp!" sagen können. Du
bist imstande, dein Glück dort zu machen, so
häßlich du auch bist!"
-
- "Piff! Paff!" ertönte es eben,
und beide wilde Gänseriche fielen tot in das Schilf
nieder, und das Wasser wurde blutrot. "Piff! Paff -
erscholl es wieder und ganze Scharen wilder Gänse
flogen aus dem Schilf auf. Und dann knallte es abermals.
Es war große Jagd, die Jäger lagen rings um
das Moor herum; ja, einige saßen oben in den
Baumzweigen, welche sich weit über das Schilfrohr
hinstreckten. Der blaue Dampf zog gleich Wolken in die
dunkeln Bäume hinein und weit über das Wasser
hin; zum Moore kamen die Jagdhunde. Platsch, Platsch, das
Schilf und das Rohr neigte sich nach allen Seiten. Das
war ein Schreck für das arme Entlein. Es wendete den
Kopf, um ihn unter den Flügel zu stecken, aber in
demselben Augenblick stand ein fürchterlich
großer Hund dicht bei dem Entlein; die Zunge hing
ihm lang aus dem Halse heraus, und die Augen leuchteten
greulich häßlich; er steckte seine Schnauze
dem Entlein gerade entgegen, zeigte ihm die scharfen
Zähne und - - Platsch, Platsch! ging er wieder, ohne
es zu packen.
-
- "O Gott sei Dank!" seufzte das
Entlein; "ich bin so häßlich, daß mich
selbst der Hund nicht beißen mag!" Und so lag es
ganz still, während die Schrotkugeln durch das
Schild sausten und Schuß auf Schuß
knallte.
-
- Erst spät am Tage wurde es
ruhig; aber das arme Junge wagte noch nicht, sich zu
erheben; es wartete noch mehrere Stunden, bevor es sich
umsah, und dann eilte es fort aus dem Moor, so schnell es
konnte. Es lief über Feld und Wiese; da tobte ein
solcher Sturm, daß es ihm schwer wurde, von der
Stelle zu kommen.
-
- Gegen Abend erreichte es eine kleine
armselige Bauernhütte; die war so baufällig,
daß sie selbst nicht wußte, nach welcher
Seite sie fallen sollte, und darum blieb sie stehen. Der
Sturm umsauste das Entlein so, daß es sich
niedersetzen mußte, um sich dagegenzustemmen, und
es wurde schlimmer und schlimmer. Da bemerkte es,
daß die Tür aus der einen Angel gegangen war
und so schief hing, daß es durch die Spalte in die
Stube hineinschlüpfen konnte, und das tat
es.
-
- Hier wohnte eine Frau mit ihrem Kater
und ihrer Henne. Und der Kater, welchen sie
"Söhnchen" nannte, konnte einen Buckel machen und
schnurren; er sprühte sogar Funken aber dann
mußte man ihn gegen die Haare streichen. Die Henne
hatte ganz kleine niedrige Beine, und deshalb wurde sie
"Küchelchen-Kurzbein" genannt; sie legte gute Eier,
und die Frau liebte sie wie ihr eigenen Kind. Am Morgen
bemerkte man sogleich das fremde Entlein; und der Kater
begann zu schnurren und die Henne zu glucken.
-
- "Was ist das?" sagte die Frau und sah
sich rings um; aber sie sah nicht gut, und so glaubte
sie, daß das Entlein eine fette Ente sei, die sich
verirrt habe. "Das ist ja ein seltener Fang!" sagte sie.
"Nun kann ich Enteneier bekommen. Wenn es nur kein
Enterich ist! Das müssen wir erproben."
-
- Und so wurde das Entlein für
drei Wochen auf Probe angenommen; aber es kamen keine
Eier. Und der Kater war Herr im Hause, und die Henne war
die Dame, und immer sagte sie: "Wir und die Welt!" Denn
sie glaubte, daß sie die Hälfte seien, und
zwar bei weitem die beste Hälfte. Das Entlein
glaubte, daß man auch eine andere Meinung haben
könne; aber das litt die Henne nicht. "Kannst du
Eier legen?" fragte sie. "Nein!" "Nun, dann wirst du die
Güte haben, zu schweigen!"
-
- Und der Kater sagte; "Kannst du einen
krummen Buckel machen, schnurren und Funken
sprühen?" "Nein!" "So darfst du auch keine Meinung
haben, wenn vernünftige Leute reden!" Und das
Entlein saß im Winkel und war bei schlechter Laune.
Da fiel die frische Luft und der Sonnenschein herein; es
bekam solch sonderbare Lust, auf dem Wasser zu schwimmen,
daß es nicht unterlassen konnte, dies der Henne zu
sagen.
-
- "Was fällt dir ein?" fragte die.
"Du hast nichts zu tun, deshalb fängst du Grillen!
Lege Eier oder schnurre, so gehen sie vorüber."
"Aber es ist so schön, auf dem Wasser zu schwimmen!"
sagte das Entlein; "So herrlich, es über dem Kopfe
zusammenschlagen zu lassen und auf den Grund zu
tauchen!"
-
- "Ja, das ist ein großes
Vergnügen!" sagte die Henne. "Du bist wohl
verrückt geworden! Frage den Kater danach - er ist
das klügste Geschöpf, das ich kenne - ob er es
liebt, auf dem Wasser zu schwimmen oder unterzutauchen?
Ich will nicht vor mir sprechen. Frage selbst unsere
Herrschaft, die alte Frau; klüger als sie ist
niemand auf der Welt! Glaubst du, daß die Lust hat,
zu schwimmen und das Wasser über dem Kopfe
zusammenschlagen zu lassen?"
-
- "Ihr versteht mich nicht!" sagte das
Entlein. "Wir verstehen dich nicht? Wer soll dich denn
verstehen können! Du wirst doch wohl nicht
klüger sein wollen als der Kater oder die Frau - von
mir will ich nicht reden! Bilde dir nichts ein, Kind! Und
danke deinem Schöpfer für all das Gute, was man
dir erwiesen! Bist du nicht in eine warme Stube gekommen
und hast du nicht eine Gesellschaft, von der du etwas
profitieren kannst? Aber du bist ein Schwätzer, und
es ist nicht erfreulich, mit dir umzugehen! Mir kannst du
glauben! Ich meine es gut mit dir. Ich sage die
Unannehmlichkeiten, und daran kann man seine wahren
Freunde erkennen! Sieh nur zu, daß du Eier legst
oder schnurren und Funken sprühen
lernst!"
-
- "Ich glaube, ich gehe hinaus in die
weite Welt!" sagte das Entlein. "Ja, tue das!" sagte die
Henne. Und das Entlein ging; es schwamm auf dem Wasser,
es tauchte unter, aber von allen Tieren wurde es wegen
seiner Häßlichkeit übersehen.
Foto: Martin Schlu © 2008
- Nun trat der Herbst ein; die
Blätter im Walde wurden gelb und braun; der Wind
faßte sie, so daß sie umhertanzten; und oben
in der Luft war es sehr kalt; die Wolken hingen schwer
von Hagel und Schneeflocken; und auf dem Zaun stand der
Rabe und schrie: "Au! Au!" vor lauter Kälte, ja, es
fror einen schon, wenn man nur daran dachte. Das arme
Entlein hatte es wahrlich nicht gut! Eines Abends - die
Sonne ging so schön unter! - kam ein ganzer Schwarm
herrlicher großer Vögel aus dem Busch; das
Entlein hatte solche nie so schön gesehen; sie waren
ganz blendend weiß, mit langen, geschmeidigen
Hälsen; es waren Schwäne. Sie stießen
einen ganz eigentümlichen Ton aus, breiteten ihre
prächtigen langen Flügel aus und flogen aus der
kalten Gegend fort nach wärmeren Ländern, nach
offenen Seen! Sie stiegen so hoch, so hoch, und dem
häßlichen jungen Entlein wurde gar sonderbar
zumute. Es drehte sich im Wasser wie ein Rad, rundherum,
streckte den Hals hoch in die Luft nach ihnen und
stieß einen so lauten und sonderbaren Schrei aus,
daß es sich selbst davor fürchtete. Oh es
konnte die schönen, glücklichen Vögel
nicht vergessen; und sobald es sie nicht mehr erblickte,
tauchte es unter bis auf den Grund, und als es wieder
heraufkam, war es wie außer sich. Es wußte
nicht, wie die Vögel hießen, auch nicht, wohin
sie flogen; aber doch war es ihnen gut, wie es nie
jemandem gewesen. Es beneidete sie durchaus nicht. Wie
konnte es ihm einfallen, sich solche Lieblichkeit zu
wünschen? Es wäre schon froh gewesen, wenn die
Enten es nur unter sich geduldet hätten - das arme
häßliche Tier!
-
- Foto: Martin Schlu © 2008
- Und der Winter wurde so kalt, so
kalt! Das Entlein mußte im Wasser herumschwimmen,
um das völlige Zufrieren desselben zu verhindern;
aber in jeder Nacht wurde das Loch, in dem es schwamm,
kleiner und kleiner. Es fror so, daß es in der
Eisdecke knackte; das Entlein mußte
fortwährend die Beine gebrauchen, damit das Loch
sich nicht schloß. Zuletzt wurde es matt, lag ganz
still und fror endlich im Eise fest.
-
- Des Morgens früh kam ein Bauer;
da er dies sah, ging er hin, schlug mit seinem Holzschuh
das Eis in Stücke und trug das Entlein heim zu
seiner Frau. Da kam es wieder zu sich.
-
- Die Kinder wollten mit ihm spielen;
aber das Entlein glaubte, sie wollten ihm etwas zuleide
tun, und fuhr in der Angst gerade in den Milchnapf
hinein, so daß die Milch in die Stube spritzte. Die
Frau schlug die Hände zusammen, worauf es in das
Butterfaß, dann hinunter in die Mehltonne und
wieder herausflog. Wie sah es da aus! Die Frau schrie und
schlug mit der Feuerzange danach; die Kinder rannten
einander über den Haufen, um das Entlein zu fangen;
sie lachten und schrien; gut war es, daß die
Tür offenstand und es zwischen die Reiser in den
frischgefallenen Schnee schlüpfen konnte; dort lag
es ganz ermattet.
-
- Aber all die Not und das Elend,
welches das Entlein in dem harten Winter erdulden
mußte, zu erzählen, würde zu trübe
sein. Es lag im Moor zwischen dem Schild, als die Sonne
wieder warm zu seinen begann. Die Lerchen sangen; es war
herrlicher Frühling.
- Da konnte auf einmal das Entlein
seine Flügel schwingen; sie schlugen stärker
als früher und trugen es kräftig davon; und ehe
dasselbe es recht wußte, befand es sich in einem
großen Garten, wo die Äpfelbäume in der
Blüte standen, wo der Flieder duftete und seine
langen, grünen Zweige bis zu den gekrümmten
Kanälen hinunterneigte. Oh, hier war es so
schön, so frühlingsfrisch! Und vorn aus dem
Dickicht kamen drei prächtige weiße
Schwäne; sie brausten mit den Federn und schwimmen
so leicht auf dem Wasser. Das Entlein kannte die
prächtigen Tiere und wurde von einer
eigentümlichen Traurigkeit befangen.
-
- Foto: Susanne Coburger-Schlu © 2006
-
- "Ich will zu ihnen hinfliegen, zu den
königlichen Vögeln! Und sie werden mich
totschlagen, weil ich, der ich so häßlich bin,
mich ihnen zu nähern wage. Aber das ist einerlei!
Besser, von ihnen getötet als von den Enten
gezwackt, von den Hühnern geschlagen, von dem
Mädchen, welches den Hühnerhof hütete,
gestoßen zu werden und im Winter zu hungern und zu
frieren!" Und es flog hinaus in das Wasser und schwamm
den prächtigen Schwänen entgegen; diese
erblickten es und schossen mit emporegesträubtem
Gefieder auf dasselbe los. "Tötet mich nur!" sagte
das arme Tier, neigte seinen Kopf der Wasserfläche
zu und erwartete den Tod. Aber was erblickte es in dem
klaren Wasser? Es sah sein eigenes Bild unter sich, das
kein plumper schwarzgrauer Vogel mehr, häßlich
und garstig, sondern selbst ein Schwan war. Es schadet
nichts, in einem Entenhof geboren zu sein, wenn man nur
in einem Schwanenei gelegen hat!
-
- Es fühlte sich ordentlich
erfreut über all die Not und die Drangsal, welche es
erduldet. Nun erkannte es erst recht sein Glück an
all der Herzlichkeit, die es begrüßte. Und die
großen Schwäne umschwammen es und streichelten
es mit dem Schnabel.
- In den Garten kamen einige kleine
Kinder, die warfen Brot und Korn in das Wasser; und das
kleinste rief: "Da ist ein neuer!" Und die andern Kinder
jubelten mit: "Ja, es ist ein neuer angekommen!" Und sie
klatschten mit den Händen und tanzten umher, liefen
zu dem Vater und der Mutter, und es wurde Brot und Kuchen
in das Wasser geworfen, und sie sagten alle: "Der neue
ist der Schönste: So jung und so prächtig!" Und
die alten Schwäne neigten sich vor ihm.
- Da fühlte er sich so
beschämt und steckte den Kopf unter seine
Flügel; er wußte selbst nicht, was er beginnen
sollte, er war allzu glücklich, aber durchaus nicht
stolz, denn ein gutes Herz wird nie stolz! Er dachte
daran, wie er verfolgt und verhöhnt worden war, und
hörte nun alle sagen, daß er der schönste
aller schönen Vögel sei. Selbst der Flieder bog
sich mit den Zweigen gerade zu ihm in das Wasser
hinunter, und die Sonne schien so war und so mild! Da
brausten seine Federn, der schlanke Hals hob sich, und
aus vollem Herzen jubelte er: "Soviel Glück habe ich
mir nicht träumen lassen, als ich noch das
häßliche Entlein war!"
-
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