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- Gent
- Text und Fotos: © Martin Schlu 2008-2014 / Schlußredaktion 03. Januar 2015
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Gent kannte ich als Begriff während meines Geschichtsstudiums,
weil dort ein gewisser Karl von Gent geboren und getauft wurde, der
später als Kaiser Karl V.
über ein Reich herrschte „bei dem die Sonne nicht unterging“, wie es
überliefert ist. Dieser Karl war eine merkwürdige Figur, ein
spanischsprechender Kaiser im Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation, der sich mit Luther anlegte und verlor, der, obwohl papsttreu,
dennoch Rom verwüsten ließ und am Ende zurücktreten mußte, als er nicht
mehr den Rückhalt seiner spanischen Granden hatte. Karl war der Enkel
der in Brügge begrabenen Maria von Burgund und des ersten habsburgischen Kaisers Maximilian I.
Karl wurde im Jahre 1500 hier in Gent geboren und auch nach über
500 Jahren kann man sich vorstellen, daß er viele Gebäude so gesehen
hat, wie sie heute noch erhalten sind - dafür steht noch zu viel
Originalsubstanz aus dieser Zeit.
- Bei meinem ersten Besuch in Gent,
lange nach meinem Studium, war ziemlich schlechtes Wetter, ich hatte
keine vernünftige Karte (ein Navi war noch nicht bezahlbar) und als ich
auf der Suche nach der Taufkirche war, fand ich nur eine riesige
Baustelle, weil damals aus einer zu engen Verkehrsführung die heutige
Fußgängerzone gebaut wurde und die Innenstadt für Autos sowieso
gesperrt war. Meine Familie folgte damals murrend durch Sandwüsten und
Matschlöcher und als wir endlich die richtige Kirche gefunden hatten
(es gibt ja drei, die von der Größe in Frage kommen), sahen wir aus wie
die Schweine. Damals (2009) hatte man unter dem Platz vor der Kirche
irgendwelche mittelalterlichen Fundamente gefunden und die Baustelle
war so weiträumig abgesperrt, daß alle - schon mit Sand und Lehm
bekleckerten - Fußgänger sich über ein glitschiges, weil nasses
Brückchen zwängen mußten. Die Stadt machte es Fremden damals nicht
leicht und auf Google Maps kann man heute noch das Ausmaß der damaligen
Baustelle erkennen. Nach diesem ersten Besuch der Stadt beschloß der Familienrat damals, daß Gent nicht mehr angesteuert werden müßte....
- Der Korenmarkt während der Bauarbeiten 2009 - alle Fußgänger mußten damals über das Brückchen links im Bild.
- Trotzdem war meine Familie
nach ein paar Jahren wieder dazu zu bewegen, der Stadt eine zweite
Chance zu geben. Es regnete nur ein bißchen, das Navi führte uns ins
Parkhaus „Sint Michiels“ und sofort waren wir in der Innenstadt (die anderen zehn Parkhäuser liegen alle
so, daß man in ein paar Minuten im alten Zentrum ist). Bereits wenn man die Stadt über
die Sint-Michielsbrug betritt und die Leie, einen Nebenfluß der
Schelde, überquert, sieht man beim Blick nach links auf dem rechten Ufer die Altstadt und auf dem linken Ufer die
„Neubauten“, die in anderen Städten auch schon wieder als „Altstadt“
gelten würden - es ist immer noch viel vom alten Gent zu sehen.
- Das linke Ufer der Leie wird „Korenlei“ (Kornleie) genannt, das rechte Ufer „Grasleie“ - früher der Stadthafen Gents und Handelsplatz der Zünfte und Gilden.
- In der Mitte kann man die Burg Gravensteen/Grafenstein erkennen.
- Geradeaus, die Brücke entlang, läuft man auf die „drei Türme“ der
Stadt zu: die „Sint Niklaaskerk“, die „Kathedraal“ der Stadt (70m Höhe)
die „Sint-Baafkathedraal“ (89m) und der dazwischen befindliche Belfried
(95m). Die Niklaaskerk war die Prunkkirche der Gilden und Zünfte, die Kirche „Sint Baaf“ das eigentliche geistliche Zentrum und daher auch die Taufkirche der flämischen Herrscherdynastie.
Der Belfried dient, wie schon in Brügge, als Statussymbol,
Brandmeldezentrum und Stadtarchiv. In Gent hat diese Kombination die
Jahrhunderte bislang überdauert und es mußte nur ausgebessert werden.
- St.-Nikolaus-Kirche (Sint Niklaaskerk) von Westen her, dahinter der Belfried. Blick von der Michaelsbrücke (Sint-Michielsbrug). Die Kirche St. Bavo (Sint Baaf) ist noch nicht zu sehen, die sieht man erst kurz vor dem Belfried.
- Die
Baustelle von 2009 war zu einem Weihnachtsmarkt geworden und man konnte
trockenen Fußes Richtung Kathedrale gehen. Auch diesmal haben wir nicht
im ersten Versuch die richtige Kirche gefunden, aber man konnte sich
durchfragen und dann haben wir sie auch erkennen können. Sie war auf
der Vordersicht doppelt unkenntlich gemacht: vor die Fassade hatte man
eine grüne Folie gehängt und davor das Riesenrad postiert. Durch eine
Gerüstunterführung gelangte man dann in die Kathedrale und konnte erst
einmal so gucken.
- Wenn man in Gent ist, besichtigt man in St. Baaf
(Sankt Bavo) logischerweise das Altarbild des Malers van Eyck, das das
Heilige Lamm Gottes darstellt. Es ist noch ein bißchen älter als Karl
V. (1432) hat - wie so viele Gemälde - eine bewegte Geschichte hinter
sich und man kann es der Kirche nicht verdenken, daß sie es auch
kommerziell einsetzen will. Im Vergleich zur Mona Lisa im Pariser
Louvre (bei der ca. immer 500 Besucher versuchen mit ihrem Smartphone
das ca. 25 cm x 25 cm große Original abzulichten und nach fünf Sekunden
von Aufsehern weitergedrängt werden), war die Besichtigung dieses Mal
einfach chaotisch: Man zahlte an der Kasse und wurde in einen ca. zehn
mal fünf Meter großen Raum gelassen, in dem schon etwa fünfzig bis
sechzig Personen um freie Plätze an der Glasscheibe kämpften. Stöcke
wurden in Rücken gerammt, Leute wurden umgerempelt und nach drei
Minuten suchten wir das Weite. Ich kann mit meinen über 1,90 Metern ja
noch etwas sehen, aber meine Frau (einen Kopf kleiner) hatte keine
Chance. Als wir dem Tumult entkommen waren, sah ich noch, wie der
Kassierer ungerührt weitere Tickets verkaufte, obwohl längst keiner
mehr in das Räumchen gelangen konnte. Aus diesem Grunde steht hier ein
Link, bei dem man das Gemälde in Ruhe anschauen kann und vermutlich
schmerzfrei mehr sieht als beim Original in der Kirche. Man muß sich
sowieso mal fragen, ob man nicht besser eine vernünftige Kopie so
aufstellt, daß immer ein paar Hundert Besucher gucken können. Wir das
geht, ist zur Zeit in Oberhausen
zu besichtigen - es schont die Gesundheit und man kann die Details
trotzdem erkennen. Das Original kann man ja für Kunstgeschichtler
freihalten und solange wegschließen.
- Vergrößerungen zum Genter Altar: http://closertovaneyck.kikirpa.be/ oder einfach auf das untere Bild klicken
- Der Familienrat hat übrigens beschlossen, daß ich beim
nächsten Mal gefälligst alleine zu fahren habe - ich fürchte, der
Kirchenleitung wird dies wurscht sein.... nach oben
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- Links über Gent:
- http://de.wikivoyage.org/wiki/Gent
- http://de.wikipedia.org/wiki/Gent
- Link zum Belfried
- http://de.wikipedia.org/wiki/Belfried_%28Gent%29
- Link zu Kaiser Maximilian I.
- http://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_I._(HRR)
- Link zum Genter Altar
- http://de.wikipedia.org/wiki/Genter_Altar
- http://www.visitgent.be/de/die-anbetung-des-lamm-gottes
- http://www.deutschlandradiokultur.de/belgien-kunstkrimi-um-zwei-altarbilder.1278.de.html?dram:article_id=283200
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