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Kulturgeschichte - Klassik


Anfangsseite Goethe

Faust
Zueignung
Vorspiel auf der Bühne
Prolog im Himmel
Studierstube
Auftreten des Erdgeistes
Chor der Engel
Osterspaziergang
Mephistos Auftreten
Pakt
Auerbachs Keller
Hexenküche
Straße I
Abend
Margarete mit einer Lampe Spaziergang
Der Nachbarin Haus
Straße II
Garten
Wald und Höhle
Gretchens Stube
Am Brunnen
Zwinger
Nacht
Dom
Walpurgisnacht
Walpurgistraum
Trüber Tag
Kerker

Johann Wolfgang von Goethe
Faust - Studierstube/Pakt

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Studierzimmer
Faust, Mephistopheles
 
Faust
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
 
Mephistopheles
Ich bin's.
 
Faust
Herein!
 
Mephistopheles
Du mußt es dreimal sagen.
 
Faust
Herein denn!
 
Mephistopheles
So gefällst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen,
Bin ich als edler Junker hier,
In rotem, goldverbrämtem Kleide,
Das Mäntelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
Und rate nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frei,
Erfahrest, was das Leben sei.
 
Faust
In jedem Kleide werd ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fühlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf,
Ich möchte bittre Tränen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht einen Wunsch erfüllen wird, nicht einen,
Der selbst die Ahnung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Die Schöpfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich ängstlich auf das Lager strecken;
Auch da wird keine Rast geschenkt,
Mich werden wilde Träume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen;
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
Und so ist mir das Dasein eine Last,
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.
 
Mephistopheles
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
 
Faust
O selig der, dem er im Siegesglanze
Die blut'gen Lorbeern um die Schläfe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
In eines Mädchens Armen findet!
O wär ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken!
 
Mephistopheles
Und doch hat jemand einen braunen Saft,
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
 
Faust
Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust.
 
Mephistopheles
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.
 
Faust
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefühle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhöhle
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
Verflucht, was uns in Träumen heuchelt
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen
Er uns zu kühnen Taten regt,
Wenn er zu müßigem Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener höchsten Liebeshuld!
Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
 
 
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Geisterchor
(unsichtbar)
Weh! weh!
Du hast sie zerstört
Die schöne Welt,
Mit mächtiger Faust;
Sie stürzt, sie zerfällt!
Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
Wir tragen
Die Trümmern ins Nichts hinüber,
Und klagen
Über die verlorne Schöne.
Mächtiger
Der Erdensöhne,
Prächtiger
Baue sie wieder,
In deinem Busen baue sie auf!
Neuen Lebenslauf
Beginne,
Mit hellem Sinne,
Und neue Lieder
Tönen darauf!
 
Mephistopheles
Dies sind die Kleinen
Von den Meinen.
Höre, wie zu Lust und Taten
Altklug sie raten!
In die Welt weit,
Aus der Einsamkeit
Wo Sinnen und Säfte stocken,
Wollen sie dich locken. Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist's nicht gemeint
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle,
Und mach ich dir's recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
 
Faust
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?
 
Mephistopheles
Dazu hast du noch eine lange Frist.
 
Faust
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
 
Mephistopheles
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wiederfinden,
So sollst du mir das gleiche tun.
 
Faust
Das Drüben kann mich wenig kümmern;
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,
Ob man auch künftig haßt und liebt,
Und ob es auch in jenen Sphären
Ein Oben oder Unten gibt.
 
Mephistopheles
In diesem Sinne kannst du's wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Künste sehn,
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
 
Faust
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deinesgleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schöne Götterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!
 
Mephistopheles
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.
 
Faust
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen-
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!
 
Mephistopheles
Topp!
 
Faust
Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit für mich vorbei!
 
Mephistopheles
Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.
 
Faust
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
Ob dein, was frag ich, oder wessen.
 
Mephistopheles
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,
Als Diener meine Pflicht erfüllen.
Nur eins!- Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.
 
Faust
Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
Ist's nicht genug, daß mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
Rast nicht die Welt in allen Strömen fort,
Und mich soll ein Versprechen halten?
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreien?
Beglückt, wer Treue rein im Busen trägt,
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt,
Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft führen Wachs und Leder.
Was willst du böser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frei.
 
Mephistopheles
Wie magst du deine Rednerei
Nur gleich so hitzig übertreiben?
Ist doch ein jedes Blättchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.
 
Faust
Wenn dies dir völlig Gnüge tut,
So mag es bei der Fratze bleiben.
 
Mephistopheles
Blut ist ein ganz besondrer Saft.
 
Faust
Nur keine Furcht, daß ich dies Bündnis breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist grade das, was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch gebläht,
In deinen Rang gehör ich nur.
Der große Geist hat mich verschmäht,
Vor mir verschließt sich die Natur
Des Denkens Faden ist zerrissen
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sei jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
Ins Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuß,
Gelingen und Verdruß
Miteinander wechseln, wie es kann;
Nur rastlos betätigt sich der Mann.
 
Mephistopheles
Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.
Beliebt's Euch, überall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seid nicht blöde!
 
Faust
Du hörest ja, von Freud' ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern.
 
Mephistopheles
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
Glaub unsereinem, dieses Ganze
Ist nur für einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew'gen Glanze
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
 
Faust
Allein ich will!
 
Mephistopheles
Das läßt sich hören! Doch nur vor einem ist mir bang:
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dächt, ihr ließet Euch belehren.
Assoziiert Euch mit einem Poeten,
Laßt den Herrn in Gedanken schweifen,
Und alle edlen Qualitäten
Auf Euren Ehrenscheitel häufen,
Des Löwen Mut,
Des Hirsches Schnelligkeit,
Des Italieners feurig Blut,
Des Nordens Dau'rbarkeit.
Laßt ihn Euch das Geheimnis finden,
Großmut und Arglist zu verbinden,
Und Euch, mit warmen Jugendtrieben,
Nach einem Plane zu verlieben.
Möchte selbst solch einen Herren kennen,
Würd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
 
Faust
Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ist,
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen?
 
Mephistopheles
Du bist am Ende- was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.
 
Faust
Ich fühl's, vergebens hab ich alle Schätze
Des Menschengeists auf mich herbeigerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
Bin dem Unendlichen nicht näher.
 
Mephistopheles
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir müssen das gescheiter machen,
Eh uns des Lebens Freude flieht.
Was Henker! freilich Händ und Füße
Und Kopf und H[intern], die sind dein;
Doch alles, was ich frisch genieße,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
Sind ihre Kräfte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
Als hätt ich vierundzwanzig Beine.
Drum frisch! Laß alles Sinnen sein,
Und grad mit in die Welt hinein!
Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert,
Ist wie ein Tier, auf dürrer Heide
Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt,
Und rings umher liegt schöne grüne Weide.
 
Faust
Wie fangen wir das an?
 
Mephistopheles
Wir gehen eben fort. Was ist das für ein Marterort?
Was heißt das für ein Leben führen,
Sich und die Jungens ennuyieren?
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanst!
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
Das Beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
Gleich hör ich einen auf dem Gange!
 
Faust
Mir ist's nicht möglich, ihn zu sehn.
 
Mephistopheles
Der arme Knabe wartet lange,
Der darf nicht ungetröstet gehn.
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze;
Die Maske muß mir köstlich stehn.
 
(Er kleidet sich um)
 
Nun überlaß es meinem Witze!
Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;
Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!
(Faust ab)
 
Mephistopheles
(in Fausts langem Kleide)
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab ich dich schon unbedingt-
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überspringt.
Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zugrunde gehn!
 
Ein Schüler tritt auf.
 
Schüler:
Ich bin allhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
 
Mephistopheles
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt Ihr Euch sonst schon umgetan?
 
Schüler:
Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Mut,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Möchte gern was Rechts hieraußen lernen.
 
Mephistopheles
Da seid Ihr eben recht am Ort.
 
Schüler:
Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
In diesen Mauern, diesen Hallen
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschränkter Raum,
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
Und in den Sälen, auf den Bänken,
Vergeht mir Hören, Sehn und Denken.
 
Mephistopheles
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernährt es sich mit Lust.
So wird's Euch an der Weisheit Brüsten
Mit jedem Tage mehr gelüsten.
 
Schüler:
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?
 
Mephistopheles
Erklärt Euch, eh Ihr weiter geht,
Was wählt Ihr für eine Fakultät?
 
Schüler:
Ich wünschte recht gelehrt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.
 
Mephistopheles
Da seid Ihr auf der rechten Spur;
Doch müßt Ihr Euch nicht zerstreuen lassen.
 
Schüler
Ich bin dabei mit Seel und Leib;
Doch freilich würde mir behagen
Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib
An schönen Sommerfeiertagen.
 
Mephistopheles
Gebraucht
 
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Auerbachs Keller in Leipzig
Zeche lustiger Gesellen.
 
Frosch
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
Ihr seid ja heut wie nasses Stroh,
Und brennt sonst immer lichterloh.
 
Brander
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerei.
 
Frosch
(gießt ihm ein Glas Wein über den Kopf)
Da hast du beides!
 
Brander
Doppelt Schwein!
 
Frosch
Ihr wollt es ja, man soll es sein!
 
Siebel:
Zur Tür hinaus, er sich entzweit!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit!
Auf! Holla! Ho!
 
Altmayer
Weh mir, ich bin verloren! Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.
 
Siebel:
Wenn das Gewölbe widerschallt,
Fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt.
 
Frosch
So recht, hinaus mit dem, der etwas übel nimmt!
A! tara lara da!
 
Altmayer
A! tara lara da!
 
Frosch
Die Kehlen sind gestimmt.[

(singt)
Das liebe Heil'ge Röm'sche Reich,
Wie hält's nur noch zusammen?
 
Brander
Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen,
Daß ihr nicht braucht fürs Röm'sche Reich zu sorgen!
Ich halt es wenigstens für reichlichen Gewinn,
Daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.
Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;
Wir wollen einen Papst erwählen.
Ihr wißt, welch eine Qualität
Den Ausschlag gibt, den Mann erhöht.
 
Frosch
(singt)
Schwing dich auf, Frau Nachtigall,
Grüß mir mein Liebchen zehentausendmal.
 
Siebel:
Dem Liebchen keinen Gruß! ich will davon nichts hören!
 
Frosch
Dem Liebchen Gruß und Kuß! du wirst mir's nicht verwehren!
 
(singt)
Riegel auf! in stiller Nacht.
Riegel auf! der Liebste wacht.
Riegel zu! des Morgens früh.
 
Siebel:
Ja, singe, singe nur und lob und rühme sie!
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Sie hat mich angeführt, dir wird sie's auch so machen.
Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schäkern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut
Ist für die Dirne viel zu gut.
Ich will von keinem Gruße wissen,
Als ihr die Fenster eingeschmissen
 
Brander
(auf den Tisch schlagend)
Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir!
Ihr Herrn, gesteht, ich weiß zu leben
Verliebte Leute sitzen hier,
Und diesen muß, nach Standsgebühr,
Zur guten Nacht ich was zum besten geben.
Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!
Und singt den Rundreim kräftig mit!

(Er singt.)
Es war eine Ratt im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst't,
Als wie der Doktor Luther.
Die Köchin hatt ihr Gift gestellt;
Da ward's so eng ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb im Leibe.

Chorus
(jauchzend)
Als hätte sie Lieb im Leibe.
 
Brander
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfützen,
Zernagt', zerkratzt, das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wüten nützen;
Sie tät gar manchen Ängstesprung,
Bald hatte das arme Tier genung,
Als hätt es Lieb im Leibe.
 
Chorus
Als hätt es Lieb im Leibe.
 
Brander
Sie kam vor Angst am hellen Tag
Der Küche zugelaufen,
Fiel an den Herd und zuckt, und lag,
Und tät erbärmlich schnaufen.
Da lachte die Vergifterin noch:
Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hätte sie Lieb im Leibe.
 
Chorus
Als hätte sie Lieb im Leibe.
 
Siebel:
Wie sich die platten Bursche freuen!
Es ist mir eine rechte Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!
 
Brander
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?
 
Altmayer
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Das Unglück macht ihn zahm und mild;
Er sieht in der geschwollnen Ratte
Sein ganz natürlich Ebenbild
 
Faust und Mephistopheles treten auf
 
Mephistopheles
Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich's leben läßt.
Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.
Mit wenig Witz und viel Behagen
Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz,
Wie junge Katzen mit dem Schwanz.
Wenn sie nicht über Kopfweh klagen,
So lang der Wirt nur weiter borgt,
Sind sie vergnügt und unbesorgt.
 
Brander
Die kommen eben von der Reise,
Man sieht's an ihrer wunderlichen Weise;
Sie sind nicht eine Stunde hier.
 
Frosch
Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.
 
Siebel:
Für was siehst du die Fremden an?
 
Frosch
Laß mich nur gehn! Bei einem vollen Glase
Zieh ich, wie einen Kinderzahn,
Den Burschen leicht die Würmer aus der Nase.
Sie scheinen mir aus einem edlen Haus,
Sie sehen stolz und unzufrieden aus.
 
Brander
Marktschreier sind's gewiß, ich wette!
 
Altmayer
Vielleicht.
 
Frosch
Gib acht, ich schraube sie!
 
Mephistopheles
(zu Faust)
Den Teufel spürt das Völkchen nie,
Und wenn er sie beim Kragen hätte.
 
Faust
Seid uns gegrüßt, ihr Herrn!
 
Siebel:
Viel Dank zum Gegengruß.
 
(leise, Mephistopheles von der Seite ansehend)
Was hinkt der Kerl auf einem Fuß?
 
Mephistopheles
Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?
Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann
Soll die Gesellschaft uns ergetzen.
 
Altmayer
Ihr scheint ein sehr verwöhnter Mann.
 
Frosch
Ihr seid wohl spät von Rippach aufgebrochen?
Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist?
 
Mephistopheles
Heut sind wir ihn vorbeigereist!
Wir haben ihn das letztemal gesprochen.
Von seinen Vettern wußt er viel zu sagen,
Viel Grüße hat er uns an jeden aufgetragen.
 
(Er neigt sich gegen Frosch)
 
Altmayer
(leise)
Da hast du's! der versteht's!
 
Siebel:
Ein pfiffiger Patron!
 
Frosch
Nun, warte nur, ich krieg ihn schon!
 
Mephistopheles
Wenn ich nicht irrte, hörten wir
Geübte Stimmen Chorus singen?
Gewiß, Gesang muß trefflich hier
Von dieser Wölbung widerklingen!
 
Frosch
Seid Ihr wohrgar ein Virtuos?
 
Mephistopheles
O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.
 
Altmayer
Gebt uns ein Lied!
 
Mephistopheles
Wenn ihr begehrt, die Menge.
 
Siebel:
Nur auch ein nagelneues Stück!
 
Mephistopheles
Wir kommen erst aus Spanien zurück,
Dem schönen Land des Weins und der Gesänge.
 
(singt)
Es war einmal ein König,
Der hatt einen großen Floh-
 
Frosch
Horcht! Einen Froh! Habt ihr das wohl gefaßt?
Ein Floh ist mir ein saubrer Gast.
 
Mephistopheles
(singt)
Es war einmal ein König
Der hatt einen großen Floh,
Den liebt, er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran:
Da, miß dem Junker Kleider
Und miß ihm Hosen an!
 
Brander
Vergeßt nur nicht, dem Schneider einzuschärfen,
Daß er mir aufs genauste mißt,
Und daß, so lieb sein Kopf ihm ist,
Die Hosen keine Falten werfen!
 
Mephistopheles
In Sammet und in Seide
War er nun angetan
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt auch ein Kreuz daran
Und war sogleich Minister,
Und hatt einen großen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Bei Hof auch große Herrn.
Und Herrn und Fraun am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Königin und die Zofe
Gestochen und genagt,
Und durften sie nicht knicken,
Und weg sie jucken nicht.
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
 
Chorus
(jauchzend)
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
 
Frosch
Bravo! Bravo! Das war schön!
 
Siebel:
So soll es jedem Floh ergehn!
 
Brander
Spitzt die Finger und packt sie fein!
 
Altmayer
Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!
 
Mephistopheles
Ich tränke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren,
Wenn eure Weine nur ein bißchen besser wären.
 
Siebel:
Wir mögen das nicht wieder hören!
 
Mephistopheles
Ich fürchte nur, der Wirt beschweret sich;
Sonst gäb ich diesen werten Gästen
Aus unserm Keller was zum besten.
 
Siebel:
Nur immer her! ich nehm's auf mich.
 
Frosch
Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben
Denn wenn ich judizieren soll,
Verlang ich auch das Maul recht voll.
 
Altmayer
(leise)
Sie sind vom Rheine, wie ich spüre.
 
Mephistopheles
Schafft einen Bohrer an!
 
Brander
Was soll mit dem geschehn? Ihr habt doch nicht die Fässer vor der Türe?
 
Altmayer
Dahinten hat der Wirt ein Körbchen Werkzeug stehn.
 
Mephistopheles
(nimmt den Bohrer. Zu Frosch):
Nun sagt, was wünschet Ihr zu schmecken?
 
Frosch
Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?
 
Mephistopheles
Ich stell es einem jeden frei.
 
Altmayer (zu Frosch):
Aha! du fängst schon an, die Lippen abzulecken.
 
Frosch
Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben.
Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.
 
Mephistopheles
(indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den Tischrand bohrt):
Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!
 
Altmayer
Ach, das sind Taschenspielersachen.
 
Mephistopheles
(zu Brander)
Und Ihr
 
Brander
Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein!
(Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht und verstopft.)
 
Man kann nicht stets das Fremde meiden
Das Gute liegt uns oft so fern.
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
 
Siebel
(indem sich Mephistopheles seinem Platze nähert)
Ich muß gestehn, den sauern mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten süßen!
 
Mephistopheles
(bohrt)
Euch soll sogleich Tokayer fließen.
 
Altmayer
Nein, Herren, seht mir ins Gesicht!
Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten.
 
Mephistopheles
Ei! Ei! Mit solchen edlen Gästen
Wär es ein bißchen viel gewagt.
Geschwind! Nur grad heraus gesagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
 
Altmayer
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
(Nachdem die Löcher alle gebohrt und verstopft sind)
 
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