|
|
->
Querformat bitte nutzen
|
erstellt: Juli 2000 von Martin Schlu
Johann Wolfgang von Goethe
Werthers Leiden, 2. Buch
Seite
4 von 11 Seite
3 <<
>> Seite 5
Am 25. Mai 1772
I Am 11. Junius
1772 I Am 16.
Junius 1772 I
Am 29. Julius 1772 I >>
weiter
Am
25. Mai 1772
Ich hatte etwas im Kopfe, davon ich euch nichts
sagen wollte, bis es ausgeführt wäre:
jetzt, da nichts draus wird, ist es ebenso gut. Ich
wollte in den Krieg; das hat mir lange am Herzen
gelegen. Vornehmlich darum bin ich dem Fürsten
hierher gefolgt, der General in ***schen Diensten
ist. Auf einem Spaziergang entdeckte ich ihm mein
Vorhaben; er widerriet mir es, und es
müßte bei mir mehr Leidenschaft als
Grille gewesen sein, wenn ich seinen Gründen
nicht hätte Gehör geben wollen.
Am
11. Junius 1772
Seitenanfang
Sage was du willst, ich kann nicht länger
bleiben. Was soll ich hier? Die Zeit wird mir lang.
Der Fürst hält mich, so gut man nur kann,
und doch bin ich nicht in meiner Lage. Wir haben im
Grunde nichts gemein mit einander. Er ist ein Mann
von Verstande, aber von ganz gemeinem Verstande;
sein Umgang unterhält mich nicht mehr, als
wenn ich ein wohl geschriebenes Buch lese. Noch
acht Tage bleibe ich, und dann ziehe ich wieder in
der Irre herum. Das Beste, was ich hier getan habe,
ist mein Zeichnen. Der Fürst fühlt in der
Kunst und würde noch stärker fühlen,
wenn er nicht durch das garstige wissenschaftliche
Wesen und durch die gewöhnliche Terminologie
eingeschränkt wäre. Manchmal knirsche ich
mit den Zähnen, wenn ich ihn mit warmer
Imagination an Natur und Kunst herumführe und
er es auf einmal recht gut zu machen denkt, wenn er
mit einem gestempelten Kunstworte
dreinstolpert.
Am
16. Junius 1772
Seitenanfang
Ja wohl bin ich nur ein Wandrer, ein Waller auf
der Erde! Seid ihr denn mehr?
Am 16. Junius
Wo ich hin will? Das laß dir im Vertrauen
eröffnen. Vierzehn Tage muß ich doch
noch hier bleiben, und dann habe ich mir
weisgemacht, daß ich die Bergwerke im
***schen besuchen wollte; ist aber im Grunde nichts
dran, ich will nur Lotten wieder näher, das
ist alles. Und ich lache über mein eigenes
Herz - und tu' ihm seinen Willen.
Am
29. Julius 1772
Seitenanfang
Nein, es ist gut! Es ist alles gut! - Ich - ihr
Mann! O Gott, der du mich machtest, wenn du mir
diese Seligkeit bereitet hättest, mein ganzes
Leben sollte ein anhaltendes Gebet sein. Ich will
nicht rechten, und verzeihe mir diese Tränen,
verzeihe mir meine vergeblichen Wünsche! - sie
meine Frau! Wenn ich das liebste Geschöpf
unter der Sonne in meine Arme geschlossen
hätte - es geht mir ein Schauder durch den
ganzen Körper, Wilhelm, wenn Albert sie um den
schlanken Leib faßt.
Und, darf ich es sagen? Warum nicht, Wilhelm?
Sie wäre mit mir glücklicher geworden als
mit ihm! O er ist nicht der Mensch, die
Wünsche dieses Herzens alle zu füllen.
Ein gewisser Mangel an Fühlbarkeit, ein Mangel
- nimm es, wie du willst; daß sein Herz nicht
sympathetisch schlägt bei - o! - bei der
Stelle eines lieben Buches, wo mein Herz und
Lottens in einem zusammentreffen; in hundert andern
Vorfällen, wenn es kommt, daß unsere
Ermpfindungen über eine Handlung eines Dritten
laut werden. Lieber Wilhelm! - Zwar er liebt sie
von ganzer Seele, und so eine Liebe, was verdient
die nicht!
- Ein unerträglicher Mensch hat mich
unterbrochen. Meine Tränen sind getrocknet.
Ich bin zerstreut. Adieu, Lieber!
weiter
zum 4. August 1772
Seitenanfang
|