- Engelbert
Humperdinck
- Hänsel und
Gretel
(Libretto)
Märchenspiel in drei Bildern Text:
Adelheid Wette Uraufführung: 23. Dezember
1893, Weimar (Hoftheater)
- Personen:
Hänsel (Mezzosopran)
Gretel (Sopran)
Der Vater, Besenbinder (Bariton)
Die Mutter (Gertrud) (Mezzosopran)
Die Knusperhexe (Mezzosopran oder
Tenor)
Sandmännchen und Taumännchen (Sopran)
Kuchenkinder (Kinderchor: Sopran/Alt)
Zeit: Märchenzeit
-
- Ouverture
(Vorspiel)
-
-
- 1.
Bild: Daheim
Seitenanfang
- Hänsel und
Gretel haben das Haus putzen müssen, sie
haben aber stattdessen gespielt. Dabei ist der
Milchtopf kaputtgegangen und weil sie nun nichts
mehr zu essen haben, schickt die
Mutter
die Kinder in den Wald.
Als der
Vater
mit Lebensmitteln nach Hause kommt und nach den
Kindern
fragt, erzählt ihm die Mutter, dass sie die
Kinder in den Wald geschickt hat (zum
Ilsenstein), worauf der Vater Angst bekommt,
weil dort die Knusperhexe wohnt., und mit der
Mutter in den Wald geht um die Kinder zu suchen
( Hexenritt). -
- 2.
Bild: Im Walde
Seitenanfang
- Hänsel und
Gretel spielen unterdessen im Wald , suchen
Beeren und essen sie auf. Als sie das merken,
ist es zu spät um neue Beeren zu suchen und
sie müssen nach hause. Hänsel
weiß aber den
Weg nicht mehr
und weil es dunkel wird, bekommen die Kinder
Angst.
-
- Der
Sandmann
streut ihnen Korn in die Augen und die Kinder
werden müde. Sie beten den Abendsegen
und schlafen ein, während sie von den
Schutzengeln behütet werden.
Seitenanfang
-
- 3.
Bild: Das
Knusperhäuschen
- Seitenanfang
-
- Das
Knusperhaus -
Knusper,
knusper
Knäuschen
- Die
Hexe -
Hokuspokus
Holderbusch
- Aufwach,
mein
Jüngelchen
- Juchhei,
nun ist die Hexe tot
-
- Erstes
Bild - Daheim
Seitenanfang
Die
Mutter -
Der
Vater -
Doch
halt, wo bleiben die
Kinder -
Hexenritt
-
- Daheim
- Kleine
dürftige Stube. Im Hintergrunde eine
niedrige Türe, daneben ein kleines Fenster
mit Aussicht in den Wald.
-
- Links ein
Herd mit einem Rauchfang darüber. An den
Wänden hängen Besen in verschiedenen
Größen.
- Hänsel,
an der Türe mit Besenbinden, Gretel, am
Herde mit Strumpfstricken beschäftigt,
sitzen einander gegenüber.
-
- Gretel
- Suse, liebe
Suse, was raschelt im Stroh?
- Die Gänse
gehen barfuß und haben kein
Schuh
- Der Schuster
hat's Leder, kein Leisten dazu,
- drum kann er
den Gänslein auch machen
kein'…
-
- Hänsel
- (unterbrechend)
- Ei, so geh'n
sie halt barfuß!
-
- Gretel
- (fortfahrend)
- ...
Schuh!
-
- Hänsel
- Eia popeia, das
ist eine Not!
- Wer schenkt mir
einen Dreier zu Zucker und Brot?
- Verkauf ich
mein Bettlein und leg' mich aufs
Stroh,
- sticht mich
keine Feder und beißt mich kein
...
-
- Gretel
- (unterbrechend)
- Ei, wie
beißt mich der Hunger!
-
- Hänsel
- (fortfahrend)
- ...
Floh!
- (Er wirft
seine Arbeit hin und steht auf)
- Ach, käm'
doch die Mutter nun endlich nach
Haus!
-
- Gretel
- (erhebt
sich)
- Ach ja, auch
ich halt's kaum noch vor Hunger aus!
-
- Hänsel
- Seit Wochen
nichts als trocken Brot;
- ist das ein
Elend! Potz schwere Not!
-
- Gretel
- Still,
Hänsel, denk daran, was Vater
sagt,
- wenn Mutter
manchmal so verzagt:
- "Wenn die Not
aufs höchste steigt,
- Gott der Herr
die Hand euch reicht!"
-
- Hänsel
- Jawohl, das
klingt recht schön und glatt.
- aber leider
wird man davon nicht satt!
- Ach, Gretel,
wie lang ist's doch schon her,
- daß wir
nichts Gut's geschmauset mehr
- Eierfladen und
Butterwecken,
- kaum weiß
ich noch, wie die tun schmecken.
- Ach, Gretel,
ich wollt'. . .
-
- Gretel
- (hält
ihm den Mund zu)
- Still, nicht
verdrießlich sein!
- Gedulde dich
fein, sieh freundlich drein!
- Dies lange
Gesicht - Hu, welcher Graus!
- Siehst ja wie
der leibhaftige Griesgram aus!
-
- (Sie nimmt
einen Besen zur Hand.)
-
- Griesgram
hinaus,
- fort aus dem
Haus!
- Ich will dich
lehren,
- Herz zu
beschweren,
- Sorgen zu
mehren,
- Freuden zu
wehren!
- Griesgram,
Griesgram, gräulicher Wicht,
- griesiges,
grämiges Galgengesicht.
- Packe dich,
trolle dich, schäbiger Wicht!
- griesiges,
grämiges Galgengesicht,
- packe dich,
trolle dich, schäbiger Wicht!
-
- Hänsel
- (faßt
mit an den Besen)
- Griesgram
hinaus!
-
- Gretel
- Griesgram
hinaus!
-
- Hänsel
- Halt's nicht
mehr aus!
-
- Gretel
- Fort aus dem
Haus!
-
- Hänsel
- Immer
mich…
-
- Gretel
- Knurrt auch der
Magen,
- werd nicht
verzagen,
- nicht darnach
fragen,
- schnell dich
verjagen!
-
- Hänsel
- …plagen,
- Hungertuch
benagen!
- Muß ja
verzagen,
- kann's nicht
vertragen!
- Griesgram…
-
- Beide
- Griesgram,
Griesgram, greulicher Wicht
- Griesiges,
grämiges Galgengesicht,
- packe dich,
trolle dich…
-
- Gretel
- …schäbiger
Wicht
-
- Hänsel
- …du
Wicht!
-
- Gretel
- So recht! Und
willst du nun nicht mehr klagen,
- so will ich dir
auch ein Geheimnis sagen,
-
- Hänsel
- Ein Geheimnis!
Wird wohl was Rechtes sein!
-
- Gretel
- Ja, hör
nur. Brüderchen, darfst dich schon
freu'n!
- Guck her in den
Topf: Milch ist darin,
- die schenkte
uns heute die Nachbarin.
- Die Mutter
kocht uns, kehrt sie nach Haus,
- gewiß
einen leckeren Reisbrei draus.
-
- Hänsel
- (jubelnd)
- Reisbrei!
Hei!
-
- (Er tanzt im
Zimmer umher)
- Reisbrei,
Reisbrei, herrlicher Brei!
- Gibt's
Reisbrei, da ist Hänsel dabei!
- Wie dick ist
der Rahm auf der Milch, laß schmecken!
-
-
- (Er leckt
den Rahm vom Finger)
- Herrjemine! den
möcht ich ganz verschlecken!
-
- Gretel
- Wie
Hänsel, naschen? Schämst du dich
nicht?
- (Sie gibt
ihm eins auf die Finger.)
-
- Fort mit den
Fingern, du naschhafter Wicht!
- Und jetzt an
die Arbeit zurück, geschwind!
- Daß wir
bei Zeiten fertig sind!
- Kommt Mutter
heim und wir taten nicht recht,
- dann
weißt du - geht's den Faulpelzen
schlecht!
-
- Hänsel
- (steckt die
Hände in die Hosentaschen)
- Arbeiten? Wo
denkst du hin,
- danach steht
mir nicht mein Sinn.
- Immer mich
plagen, fällt mir nicht ein,
- jetzt laß
uns tanzen und fröhlich sein.
-
- Gretel
- Tanzen! Tanzen!
Das wär' auch mir eine Lust!
- Dazu ein
Liedchen aus voller Brust.
- Was uns die
Muhme gelehrt zu singen:
- Tanzliedchen
soll jetzt lustig erklingen!
-
- Brüderchen,
komm tanz mit mir,
- beide
Händchen reich' ich dir.
- einmal hin,
einmal her,
- rund herum, es
ist nicht schwer!
-
- (Hänsel
versucht's, jedoch ungeschickt.)
-
- Hänsel
- Tanzen soll ich
armer Wicht,
- Schwesterchen,
und kann es nicht.
- Darum zeig mir,
wie es Brauch,
- daß ich
tanzen lerne auch.
-
- Gretel
- Mit den
Füßchen tapp tapp tapp,
- mit den
Händchen klapp klapp klapp,
- einmal hin,
einmal her,
- rund herum, es
ist nicht schwer!
-
- Hänsel
- Mit den
Füßchen
- usw.
- … 'rum, es
ist nicht schwer'
-
- Gretel
- Ei. das hast du
gut gemacht!
- Ei, das
hätt' ich nicht gedacht.
- Seht mir doch
den Hänsel an,
- wie der tanzen
lernen kann!
-
- Mit dem
Köpfchen nick nick nick,
- mit dem
Fingerchen tick tick tick,
- einmal hin,
einmal her,
- rund herum, es
ist nicht schwer
-
- Hänsel
- Mit dem
Köpfchen
- usw.
- … 'rum, es
ist nicht schwer'
-
- Gretel
- Brüderchen,
nun gib mal acht,
- was die Gretel
weiter macht!
- Laß uns
Arm in Arm verschränken,
- unsre
Schrittchen paarweis Ienken!
- Komm!
-
- (Sie
faßt Hänsel unter dem
Arm)
-
- Hänsel
- Ich liebe Tanz
und liebe Fröhlichkeit,
- bin nicht gern
allein.
-
- Beide
- Ich bin kein
Freund von Leid und Traurigkeit,
- und
fröhlich will ich sein!
- Ich liebe
Tanz
- usw.
-
- Gretel
- (lässt
Hänsel fahren, umtanzt
ihn…)
- Tra-la-la, ta
la la
- usw.
- (… und
gibt ihm einen Stoß)
-
- Drehe dich
herum, mein lieber Hänsel.
- Dreh dich doch
herum, mein lieber Hans!
- Komm her zu
mir, komm her zu mir
- zum
Ringelreigentanz!
-
- Hänsel
- Geh weg von
mir, geh weg von mir,
- ich bin der
stolze Hans!
- Mit kleinen
Mädchen tanz' ich nicht,
- das ist mir
viel zu dumm!
-
- Gretel
- Geh, stolzer
Hans, geh, dummer Hans,
- ich krieg dich
doch herum.
-
- (Sie umtanzt
Hänsel wie vorhin…)
- Tra la la, tra
la la
- usw.
- (…und
gibt ihm einen Stoß.)
-
- Drehe dich
herum, mein Iieber Hänsel.
- Dreh dich doch
herum, mein lieber Hans!
-
- Hänsel
- (tanzt um
Gretel)
- Tra la la, tra
la la
-
- usw.
-
- Ach,
Schwesterlein, ach Gretelein,
- du hast im
Strumpf ein Loch!
-
- Gretel
- Ach,
Brüderlein, ach,
Hänselein,
- du willst mich
hänseln noch?
- Mit bösen
Buben tanz' ich nicht,
- das wär'
mir viel zu dumm!
-
- Hänsel
- Nicht böse
sein, lieb' Schwesterlein,
- ich krieg' dich
doch herum!
- (Sie
umtanzen sich wie vorhin )
-
- Gretel
- (jubelnd)
- Tra la la, tra
la la
-
- usw.
- Drehe dich
herum
- usw.
-
- Hänsel
- Tra la la, tra
la la
- usw.
-
- Beide
- Tanz lustig,
heißa, lustig tanz.
- Laß
dich's nicht gereu'n!
-
- Gretel
- Und ist der
Strumpf auch nicht mehr ganz…
-
- Hänsel
- Und ist der
Schuh auch nicht mehr ganz…
-
- Gretel
- Die Mutter
strickt dir'n neu'n!
-
- Hänsel
- Der Schuster
flickt dir'n neu'n
- Tra la la, tra
la la
- usw.
-
- Gretel
- Dreh dich
herum
- usw.
-
- Hänsel
- Tra la la, tra
la la
- usw.
-
- (Dann fassen
sie sich bei den
Händen…)
-
- Beide
- Tra la
la
- usw.
-
- ( ...und
drehen sich immer schneller im Kreise, bis sie
schließlich das Gleichgewicht verlieren
und übereinander auf den Boden hinpurzeln.
In diesem Augenblicke geht die Türe auf:
die Mutter wird sichtbar, worauf die Kinder
schnell vom Boden aufspringen.)
- Die
Mutter Seitenanfang
- Holla!
-
- Gretel
- Die
Mutter!
-
- Hänsel
- Himmel, die
Mutter!
-
- Die
Mutter
- Was ist das
für eine Geschichte!
-
- Gretel
- Der Hänsel
...
-
- Hänsel
- Die Gretel
...
-
- Gretel
- ... er wollte
...
-
- Hänsel
- ... ich sollte
...
-
- (Die Mutter
tritt herein, schnallt Ihre Kiepe ab und setzt
sich nieder.)
-
- Die
Mutter
- Wartet, ihr
ungezogenen Wichte!
- Nennt ihr das
Arbeit, johlen und singen?
- wie auf der
Kirmes tanzen und springen?
- Indes die
Eltern vom frühen Morgen
- bis in die
Nacht sich mühen und sorgen,
-
- (Sie gibt
Hänsel einen Puff.)
-
- Daß
dich!
- Laßt
sehn, was habt ihr beschickt?
-
- (Sich
umwendend.)
- Wie, Gretel?
den Strumpf nicht fertig gestrickt?
- Und du, du
Schlingel, in all' den Stunden
- nicht mal die
wenigen Besen gebunden?
- Ihr
unnützes Volk, den Stock will ich
holen
- und euch den
Faulpelz weidlich versohlen!
-
- (In Ihrem
Eifer hinter den Kindern her, stößt
sie den Milchtopf vom Tisch,
so daß er klirrend zu Boden
fällt.) -
- Jesses! nun
auch den Topf noch zerbrochen!
-
- (weinend.)
-
- Was nun zum
Abend kochen?
-
- (Sie besieht
sich ihren mit Milch begossenen Rock,
Hänsel kichert verstohlen.)
-
- Was! Bengel,
lachst mich noch aus?
-
- (Mit dem
Stock hinter Hänsel her, der zur offenen
Türe hinausrennt.)
-
- Wart, kommt nur
der Vater nach Haus!
-
- (Mit
plötzlicher Heftigkeit einen Korb von der
Wand nehmend
und ihn Gretel in die Hand
drängend.) -
- Marsch! Fort in
den Wald
- Dort sucht mir
Erdbeeren! Wird es bald?
- Und bringt ihr
den Korb nicht voll bis zum Rand,
- so hau' ich
euch, daß ihr fliegt an die
Wand!
-
- (Die Kinder
laufen in den Wald. Die Mutter setzt sich
erschöpft an den Tisch.)
-
- Da liegt nun
der gute Topf in Scherben!
- Ja, blinder
Eifer bringt immer Verderben!
-
- (Sie ringt
die Hände.)
- Herr Gott, wirf
Geld herab!
-
- (Schluchzend.)
-
- Nichts hab' ich
zu leben,
- kein
Krümmchen den Würmern zu essen zu
geben!
- Kein
Tröpfchen im Topfe, kein Krüstchen im
Schrank,
- schon lange nur
Wasser zum Trank!
-
- (Sie
stützt den Kopf mit der
Hand.)
-
- Müde bin
ich, müde zum Sterben! Herrgott, wirf Geld
herab!
-
- (Sie legt
den Kopf auf den Arm und schläft
ein.)
-
- (Man
hört eine Stimme von
weitem.)
-
-
- Stimme
des Vaters Seitenanfang
- Ra-la-la-la,
ra-la-la-la,
- heißa
Mutter, ich bin da!
- bringe
Glück und Gloria!
-
- (Etwas
näher)
-
- Ach, wir armen,
armen Leute,
- alle Tage so
wie heute:
- In dem Beutel
ein großes Loch,
- und im Magen
ein größ'res noch.
- Ral-la-la-la,
ra-la-la-la,
- Hunger ist der
beste Koch!
- Ral-la-la-la,
ra-la-la-la,
- Hunger ist der
beste Koch!
-
- (Am Fenster
wird der Kopf des Besenbinders sichtbar, welcher
während des Folgenden in angeheitertem
Zustand, mit einem Kober auf dem Rücken, in
die Stube tritt.)
-
- Ja, ihr Reichen
könnt euch laben,
- wir, die nichts
zu essen haben,
- nagen ach, die
ganze Woch',
- sieben Tag' an
einem Knoch'!
- Ral-la-la-la
- usw.
-
- Ja, ja, der
Hunger kocht schon gut,
- sofern er
kommandieren tut;
- allein, was
nützt der Kommandör,
- fehlt auch im
Topf die Zubehör?
- Ra-la-la-la,
ral-la-la-la,
- Kümmel ist
mein Leiblikör!
- Ral-la-ia-la-la,
ral-la-la-la,
-
- (Schwankt
tänzelnd zu der Schlafenden und gibt ihr
einen derben Schmatz.)
-
- Mutter, schau,
was ich bescher'!
-
- Die
Mutter
- (reibt sich
die Augen)
- Ho ho! Wer
speck- specktakelt mir da im Haus
- und
ral-la-la-lakelt aus 'm Schlaf mich
heraus?
-
- Der
Vater
- I
wo!
- Das tolle Tier
im Magen hier,
- das bellte so,
das glaube mir!
- Ra-la-la-la,
ral-la-la-la,
- Hunger ist ein
tolles Tier!
- Ra-la-la-la,
ral-la-la-la,
- beißt und
kratzt, das glaube mir!
-
- Die
Mutter
- So,
so!
- Das tolle Tier,
es ist wohl schier
- stark
angezecht, das glaube mir!
-
- Der
Vater
- Nun
ja!
- 's war heut'
ein heiterer Tag,
- fandst du nicht
auch, lieb' Weib?
-
- (Er will sie
küssen.)
-
- Die
Mutter
- (stößt
ihn ärgerlich von sich)
- Ach geh! Du
weißt, nicht leiden mag
- ich
Wirtshaus-Zeitvertreib!
-
- Der
Vater
- Auch
gut!
- (Er wendet
sich zu seinem Kober.)
- So seh'n wir,
wenn's beliebt,
- was es für
heut' zu schmausen gibt!
-
- Die
Mutter
- Höchst
einfach ist das Speisregister,
- der
Abendschmaus, zum Henker ist er!
- Teller leer,
Keller leer,
- und im Beutel
ist gar nichts mehr!
-
- Der
Vater
- Ra-la-la-la,
ral-la-la-la,
- lustig, Mutter,
bin auch noch da,
- bringe
Glück und Gloria!
- (Er nimmt
den Kober und kramt aus.)
- Schau,
Mutter,
- wie
gefällt dir dies Futter?
-
- Die
Mutter
- Mann, Mann, was
seh' ich!
- Speck und
Butter,
- Mehl und
Würste -
- (Sie hilft
ihm beim Auspacken.)
- - vierzehn Eier
-
- (Mann, die sind
jetztunder teuer!)
- Bohnen,
Zwiebeln, und - Herrjeh!! -
- gar ein
Viertelpfund Kaffee!
-
- (Der Vater
kehrt den Kober vollends um; ein Haufen
Kartoffeln rollt zur Erde. Dann faßt er
die Mutter am Arm und tanzt mit ihr in der Stube
umher)
-
- Der
Vater
- Ral-la-la-la,
ral-la-la-la,
- ral-la-la-la,
hopsassa
- heute woll'n
wir lustig sein.
-
- Die
Mutter
- (stimmt mit
ein)
- Ral-la-la-la,...
-
- Beide
- Ral-la-la-la,...
- usw.
-
- Der
Vater
- Ja, hör
nur, Mütterchen, wie's geschah!
-
- (Er setzt
sich nieder, die Mutter kramt inzwischen die
Sachen ein, zündet Feuer im Herd an,
schlägt Eier in eine Pfanne
usw.)
-
- Drüben
hinterm Herrenwald,
- da gibt's
prächt'ge Feste bald:
- Kirmes,
Hochzeit, Jubiläum,
- Böllergeknall
und groß Tedeum!
-
- Mein
Geschäft kommt nun zur
Blüte,
- dessen froh sei
dein Gemüte!
- Wer will feine
Feste feiern,
- der muß
kehren, schrubben und scheuern;
-
- bot drum meine
Waren aus,
- zog damit von
Haus zu Haus:
- "Kauft Besen!
Kauft Besen! Gute Feger,
- feine
Bürsten, Spinnejäger!"
-
- Sieh, da
verkauft' ich massenweise
- meine Ware zu
dem höchsten Preise!
- Schnell nun her
mit Topf und Pfanne,
- (Er
stößt einige blecherne
Gefäße vom Herde
hinunter.)
-
- her mit
Schüssel, Kessel und Kanne!
- Vivat hoch
...
-
- Die
Mutter
- Vivat hoch
...
-
- Beide
- ... die
Besenbinder!
-
- (Der Vater
setzt die Kümmelflasche an den Mund,
hält jedoch plötzlich
inne)
-
-
- Der
Vater
Doch halt, wo bleiben die Kinder?
Seitenanfang - Hänsel,
Gretel, wo steckt der Hans?
-
- Die
Mutter
- Wo er
steckt?
- (Sie zuckt
verlegen die Achseln.)
-
- Ja,
wüßte man's!
- Doch das
weiß ich klar wie Tag,
- daß der
Topf zu Scherben brach.
-
- Der
Vater
- Was? Der neue
Topf entzwei?
-
- Die
Mutter
- Und am Boden
quoll der Brei!
-
- Der
Vater
- (wütend
mit der Faust auf den Tisch
schlagend)
- Donnerkeil! So
haben die Rangen
- wieder Unfug
angefangen?
-
- Die
Mutter
- (hastig)
- Unfug viel und
Arbeit keine
- hatten sie
getrieben hier alleine;
- hörte
schon draußen sie johlen,
- hopsen und
springen wie wilde Fohlen,
- na, da
wußt' ich nicht, wo mir stand der
Kopf…
-
- Der
Vater
- Und vor Zorn
...
-
- Die
Mutter
- ... und vor
Zorn zerbrach ...
-
- Der
Vater
- ... brach
...
-
- Beide
- ... der
Topf!
-
- Der Vater,
dann Beide
- (lachend)
- Ha ha ha ha
ha
- usw.
-
- Der
Vater
- (die Mutter
lacht weiter)
- Na,
Zornmütterchen, nimm mir's nicht
krumm:
- solche
Zorntöpfe find' ich recht dumm!
-
- (Die Mutter
schweigt.)
- Doch sag, wo
mögen die Kinderchen wohl sein?
-
- Die
Mutter
- (schnippisch)
- Meinethalben am
Ilsenstein!
-
- Der
Vater
- (entsetzt)
- Am Ilsenstein!
Ei, juckt dich das Fell?
-
- (Er holt
einen Besen von der Wand.)
-
- Die
Mutter
- (mit
verächtlicher Miene)
- Den Besen, den
laß nur an seiner Stell!
-
- (Er
lässt den Besen fallen und ringt die
Hände.)
-
- Der
Vater
- Wenn sie sich
verirrten im Walde dort,
- in der Nacht
ohne Stern' und Mond!
-
- Die
Mutter
- O
Himmel!
-
- Der
Vater
- Kennst du nicht
den schauerlich düstern Ort,
- weißt
nicht, daß die Böse dort
wohnt?
-
- Die
Mutter
- (betroffen)
- Die Böse?
Wen meinst du?
-
- Der
Vater
- Die
Knusperhexe!
-
- Die
Mutter
- Die
Knusperhexe!
-
- (Der Vater
nimmt den Besen wieder vom
Boden.)
-
- Mann! Sag doch,
was soll denn der Besen?
-
- Der
Vater
- Der Besen, der
Besen, was macht man damit,
- was macht man
damit?
- Es reiten
drauf, es reiten drauf die Hexen!
- Eine Hex',
steinalt,
- haust tief im
Wald,
- vom Teufel
selber hat sie Gewalt.
-
- Um
Mitternacht,
- wenn Niemand
wacht,
- dann reitet sie
aus zur Hexenjagd.
- Zum Schornstein
hinaus,
- auf dem Besen,
o Graus,
- über Berg
und Kluft,
- über Tal
und Schlucht,
- durch
Nebelduft,
- im Sturm durch
die Luft:
- ja, so reiten,
ja, so reiten,
- juchheißa,
die Hexen!
-
- Die
Mutter
- Entsetzlich!
Doch die Knusperhex?
-
- Der
Vater
- Ja, bei Tag o
Graus,
- zum
Hexenschmaus
- im
Knisper-Knasper-Knusperhaus
- die
Kinderlein,
- Armsünderlein,
- mit
Zauberkuchen lockt sie hinein.
-
- Doch übel
gesinnt
- ergreift sie
geschwind
- das arme Kuchen
knuspernde Kind,
- in den Ofen,
hitzhell,
- schiebt's die
Hexe blitzschnell,
- dann kommen zur
Stell',
- gebräunet
das Fell,
- aus dem Ofen,
aus dem Ofen
- die
Lebkuchenkinder!
-
- Die
Mutter
- Und die
Lebkuchenkinder?
-
- Der
Vater
- Sie werden
gefressen!
-
- Die
Mutter
- Von der
Hexe?
-
- Der
Vater
- Von der
Hexe!
-
- Die
Mutter
- (die
Hände ringend)
- O
Graus!
- Hilf Himmel!
Die Kinder!
- Ich halt's
nicht mehr aus!
-
- (Sie rennt
aus dem Hause.)
-
- Der
Vater
- He, Alte, wart
doch, nimm mich mit!
- Wir wollen ja
beide zum Hexenritt!
-
- (Er nimmt
die Kümmelflasche vom Tische und eilt ihr
nach) Seitenanfang
-
- Hexenritt
Seitenanfang
- (Vorspiel
zum 2. Bild)
-
-
- Zweites
Bild: Im Walde Seitenanfang
- Gretel,
ich weiß den Weg nicht
mehr! -
Der
Sandmann
- Abendsegen
-
-
- Tiefer Wald.
Im Hintergrunde der "Ilsenstein", von dichtem
Tannengehölz umgeben.
- Rechts eine
mächtige Tanne, darunter sitzt
Gretel auf einer mit Moos
bedeckten Wurzel und windet einen Kranz von
Hagebutten, neben ihr liegt ein
Blumenstrauß.
- Links
abseits im Gebüsch
Hänsel, nach Erdbeeren
suchend. Abendrot.
-
- Gretel
- (leise vor
sich hinsummend)
-
- Ein
Männlein steht im Walde ganz still und
stumm,
- es hat von
lauter Purpur ein Mäntlein um.
- Sagt, wer mag
das Männlein sein,
- das da steht im
Wald allein
- mit dem
purpurroten Mäntelein?
-
- Das
Männlein steht im Walde auf einem
Bein
- und hat auf
seinem Kopfe schwarz Käpplein
klein
- Sagt, wer mag
das Männlein sein,
- das da steht
auf einem Bein
- mit dem kleinen
schwarzen Käppelein?
-
- (Sie
hält das Hagenbuttenkränzchen in die
Höhe und betrachtet es von allen
Seiten.)
-
- Mit dem kleinen
schwarzen Käppelein!
-
- Hänsel
- (kommt
hervor und schwenkt jubelnd sein
Körbchen)
-
- Juchhe!
- Mein
Erbelkörbchen ist voll bis
oben!
- Wie wird die
Mutter den Hänsel loben!
-
- Gretel
- (aufstehend)
- Mein
Kränzel ist auch schon fertig!
Sieh,
- so schön
wie heute ward's noch nie!
-
- (Sie will
den Kranz Hänsel auf den Kopf
setzen.)
-
- Hänsel
- (barsch
abwehrend)
- Buben tragen
doch so was nicht!
- Paßt nur
für ein Mädchengesicht!
-
- (Er setzt
ihr das Kränzlein auf.)
- Hei, Gretel,
fein's Mädel! Ei der Daus!
- Siehst ja wie
die Waldkönigin aus!
-
- Gretel
- Seh' ich wie
die Waldkönigin aus,
- so reich mir
auch den Blumenstrauß!
-
- Hänsel
- (gibt ihr
den Strauß)
- Waldkönigin
mit Szepter und Kron,
- da nimm auch
die Erbeln, doch nasch nicht davon!
-
- (Er gibt ihr
das Körbchen voll Erdbeeren in die andere
Hand und lässt sich gleichsam huldigend auf
die Knie vor ihr nieder. In diesem Augenblicke
ertönt der Ruf eines
Kuckucks.)
-
- (Mit der
Hand deutend.)
- Kuckuck,
Kuckuck, Eierschluck!
-
- Gretel
- (schalkhaft)
- Kuckuck,
Kuckuck, Erbelschluck!
-
- (Sie nimmt
eine Beere aus dem Körbchen und schiebt sie
in den Mund, der sie schlürft, als ob er
ein Ei austränke)
-
- Hänsel
- (aufspringend)
- Hoho! Das kann
ich auch, gib nur acht!
-
- (Er nimmt
einige Beeren und lässt sie in Gretels Mund
rollen.)
-
- Wir machen's
wie der Kuckuck schluck'
- wenn er in
fremde Nester guckt!
- Kuckuck,
Eierschluck!
-
- (Es beginnt
zu dämmern)
-
- Gretel
- Kuckuck,
Erbelschluck,
-
- Hänsel
- Setzest deine
Kinder aus!
-
- Gretel
- (zugreifend)
- Kuckuck, gluck
gluck!
-
- Hänsel
- ... Trinkst die
fremden Eier aus!
-
- Gretel
- Kuckuck,
schluck schluck!
-
- (Hänsel
lässt sich eine Hand voll Erdbeeren in den
Mund rollen.)
- Sammelst Beeren
schön zu Hauf!…
-
- Hänsel
- (zugreifend)
- Kuckuck, gluck
gluck!
-
- Gretel
- …Schluckst
sie, Schlauer, selber auf!
-
- Hänsel
- Kuckuck,
schluck schluck!
-
- (Im
Übermute raufen sie sich schließlich
um die Beeren. Hänsel trägt den Sieg
davon und setzt den Korb vollends an den Mund,
bis er leer geworden.)
-
- Gretel
- (entsetzt
die Hände
zusammenschlagend)
- Hänsel,
was hast du getan, o Himmel!
- Alle Erbeln
gegessen, du Lümmel!
- Wart nur, das
gibt ein Strafgericht!
- Denn die
Mutter, die spaßt heute nicht!
-
- Hänsel
- (ruhig)
- Ei was, stell
dich doch nicht so an!
- Du, Gretel, du
hast's ja selber getan!
- Gretel
- Komm, wir
wollen rasch neue suchen!
-
- Hänsel
- Im Dunkeln wohl
gar, unter Hecken und Buchen?
- Man sieht ja
nicht Blatt, nicht Beere mehr!
- Es wird schon
dunkel rings umher!
-
- Gretel
- Ach,
Hänsel, Hänsel, was fangen wir
an?
- Was haben wir
törigen Kinder getan!
- Wir durften
hier nicht so lange säumen!
-
- (Der Kuckuck
ertönt, etwas näher als
vorhin.)
-
- Hänsel
- Horch, wie es
rauscht in den Bäumen!
- Weißt du,
was der Wald jetzt spricht
- "Kindlein,
Kindlein," fragt er, "fürchtet ihr euch
nicht?"
-
- (Er
späht unruhig umher, endlich wendet er sich
verlegen zu Gretel )
- Gretel,
ich weiß den Weg nicht mehr!
Seitenanfang
-
- Gretel
- (bestürzt)
- O Gott! Was
sagst du? Den Weg nicht mehr?
-
- Hänsel
- (sich mutig
stellend)
- Was bist du
für ein furchtsam' Wicht!
- Ich bin ein
Bub' und fürcht' mich nicht!
-
- Gretel
- Ach,
Hänsel, gewiß geschieht uns ein
Leid!
-
- Hänsel
- Ach, Gretel,
geh, sei doch gescheit!
-
- Gretel
- Was schimmert
denn dort in der Dunkelheit?
-
- Hänsel
- Das sind die
Birken im weißen Kleid.
-
- Gretel
- Und dort, was
grinset daher vom Sumpf?
-
- Hänsel
- (stammelnd)
- Das ist ein
glimmernder Weidenstumpf!
-
- Gretel
- Was für
ein wunderlich Gesicht
- macht er
soeben, siehst du's nicht?
-
- Hänsel
- Ich mach' dir
'ne Nase! Hörst du's? Du Wicht!
-
- Gretel
- (ängstlich)
- Da sieh! Das
Lichtchen, es kommt immer
näh'r!
-
- Hänsel
- Irrlichtchen
hüpfet wohl hin und her.
- Gretel, du
mußt beherzter sein!
- Wart, ich will
einmal tüchtig schrein!
-
- (Geht einige
Schritte zum Hintergrund und ruft durch die
hohlen Hände.)
- Wer
da?
-
- Stimmen
- (wie vom
Ilsenstein her)
- Er da! Er da!
Er da! Er da!
- (Die Kinder
schmiegen sich erschreckt
aneinander)
-
- Gretel
- (etwas
zaghaft)
- Ist jemand
da?
-
- Stimmen
- Ja!
Ja!
-
- (Die Kinder
schaudern zusammen.)
-
- Gretel
- Hast du's
gehört? 's rief leise "Ja!"
- Hänsel,
sicher ist jemand nah!
-
- (Weinend)
- Ich
fürcht' mich, ich fürcht'
ich,
- o wär ich
zu Haus!
- Wie sieht der
Wald so gespenstig aus!
-
- Hänsel
- Gretelchen,
drücke dich fest an mich,
- ich halte dich,
ich schütze dich!
-
- (Ein dichter
Nebel steigt au und verhüllt den
Hintergrund gänzlich.)
-
- Gretel
- Da kommen
weiße Nebelfrauen!
- Sieh, wie sie
winken und drohend schauen!
- Sie kommen, sie
kommen, sie fassen uns an!
-
- (Schreiend,
eilt entsetzt unter den Baum und verbirgt sich,
auf die Knie stützend, hinter
Hänsel.)
- Vater! Mutter!
Ah!
-
- (In diesem
Augenblicke zerreißt der Nebel links: ein
kleines graues Männchen mit einem
Säckchen auf dem Rücken wird
sichtbar)
-
- Hänsel
- Sieh dort, das
Männchen!
-
- Gretel
- Ah!
-
- Hänsel
- Schwesterlein!
...
- ... Was mag das
für ein ...
- …Männchen
sein?
-
- Gretel
- Ach!
-
- (Das
Männchen nähert sich mit freundlichen
Gebärden den Kindern, die sich nach und
nach beruhigen.)
-
- Sandmännchen
Seitenanfang
- (den Kindern
Sand in die Augen streuend)
-
- Der kleine
Sandmann bin ich, st!
- und gar nichts
arges sinn' ich, st!
- euch Kleinen
lieb' ich innig, st!
- bin euch
gesinnt gar minnig, st!
- Aus diesem Sack
zwei Körnelein
- euch Müden
in die Äugelein:
- die fallen dann
von selber zu,
- damit ihr
schlaft in sanfter Ruh';
- und seid ihr
brav und fein geschlafen ein:
- dann wachen auf
die Sterne,
- aus hoher
Himmelsferne;
- gar holde
Träume bringen euch die
Engelein!
- Drum
träume, träume, Kindchen,
träume,
- gar holde
Träume bringen euch die
Engelein!
-
- (Versinkt)
-
- Hänsel
- (schlaftrunken)
- Sandmann war
da!
-
- Gretel
Seitenanfang
- (ebenso)
- Laß uns
den Abendsegen beten!
-
- (Sie kauern
sich nieder und falten die
Hände)
-
- Gretel,
Hänsel
- Abends will ich
schlafen gehn,
- vierzehn Engel
um mich stehn:
- zwei zu meinen
Häupten,
- zwei zu meinen
Füßen,
- zwei zu meiner
Rechten,
- zwei zu meiner
Linken,
- zweie, die mich
decken,
- zweie, die mich
wecken…
-
- Gretel
- …zweie,
die mich weisen
- zu Himmels
Paradeisen!
-
- Hänsel
- … zweie,
die zum Himmel weisen!
-
- (Sie sinken
aufs Moos zurück und schlummern, Arm in Arm
verschlungen, alsbald ein. Gänzliche
Dunkelheit. Nun dringt plötzlich ein heller
Schein durch den Nebel, der sich alsbald
wolkenförmig zusammenballt und die Gestalt
einer Treppe annimmt.)
-
- (Vierzehn
Engel, in lichten, lang herabwallenden
Gewändern, schreiten paarweise,
während das Licht an Heiligkeit zunimmt, in
Zwischenräumen die Wolkentreppe hinab und
stellen sich, der Reihenfolge des "Abendsegens"
entsprechend, um die schlafenden Kinder auf. Das
erste Paar zu den Häupten, das zweite zu
den Füßen, das dritte rechts, das
vierte links; dann verteilen sich das
fünfte und das sechste Paar zwischen die
andern Paare, so daß der Kreis der Engel
vollständig geschlossen wird. Zuletzt tritt
das siebente Paar in den Kreis und nimmt als
"Schutzengel" zu beiden Seiten der Kinder Platz.
Die übrigen Engel reichen sich nunmehr die
Hand und führen einen feierlichen Reigen um
die Gruppe auf. Die ganze Szene ist von
intensivem Lichte erfüllt. Während die
Engel sich zu einem malerischen
Schlußbilde ordnen, schließt sich
langsam der Vorhang.)
-
-
- Drittes
Bild: Das
Knusperhäuschen
Seitenanfang
- Das
Knusperhaus -
Knusper,
knusper
Knäuschen
- Die
Hexe -
Hokuspokus
Holderbusch
- Aufwach,
mein
Jüngelchen
- Juchhei,
nun ist die Hexe tot
-
-
- Vorspiel
-
- Szene wie am
Schlusse des 2. Bildes.
- Der
Hintergrund noch von Nebel verhüllt, der
sich während des Folgenden langsam
verzieht.
- Die Engel
sind verschwunden. Der Morgen bricht an.
(Taumännchen tritt auf und schüttelt
aus einer Glockenblume Tautropfen auf die
schlafenden Kinder) -
- Taumännchen
- Der kleine
Taumann heiß' ich,
- und mit der
Sonne reis' ich,
- von Ost bis
Westen weiß ich,
- wer faul ist
und wer fleißig,
- kling! klang!
kling! klang!
-
- Ich komm' mit
gold'nem Sonnenschein
- und strahl' in
eure Äugelein,
- und weck' mit
kühlem Taue,
- was
schläft auf Flur und Aue,
- dann springet
auf, wer munter
- in früher
Morgenstunde,
- denn sie hat
Gold im Munde;
- drum auf, ihr
Schläfer, erwachet!
- Der lichte Tag
schon lachet,
- drum auf, ihr
Schläfer, erwacht, erwacht!
-
- (Eilt
singend davon.)
-
- (Die Kinder
regen sich. Gretel reibt sich die Augen, blickt
um sich und richtet sich ein wenig auf
während Hänsel sich auf die andere
Seite legt, um weiter zu
schlafen.)
-
- Gretel
- Wo bin ich?
Wach' ich? Ist es ein Traum?
- Hier lieg' ich
unterm Tannenbaum!
- Hoch in den
Zweigen da lispelt es leise,
- Vöglein
singen so süße Weise,
- wohl früh
schon waren sie aufgewacht
- und haben ihr
Morgenliedchen dargebracht.
- Ihr lieben
Vöglein, liebe Vöglein,
- guten
Morgen!
-
- (Sie wendet
sich zu Hänsel.)
-
- Sich da, der
faule Siebenschläfer!
- Wart nur, dich
weck' ich!
- Ti-re-li-re-li,
's ist nicht mehr früh!
- Ti-re-li-re-li,
's ist nicht mehr früh!
- Die Lerche
hat's gesungen
- und hoch sich
aufgeschwungen.
- Ti-re-li-re-li
- usw.
-
- Hänsel
- (Plötzlich
mit einem Satze in die Höhe
springend)
- Ki-ke-ri-ki! 's
ist noch früh!
- Ki-ke-ri-ki! 's
ist noch früh!
- Ja, hab's wohl
vernommen:
- Der Morgen ist
gekommen!
-
- Gretel
- Ti-ti-ti-ti-ti-re-li-re
usw.
-
- Hänsel
- Ki-ke-ri-ki!
Ü-ü-ü-ü-ü
- usw.
-
- Mir ist so
wohl, ich weiß nicht wie!
- So gut wie
heute schlief ich noch nie!
-
- Gretel
- Doch höre
nur: Hier, unterm Baum,
- hatt' ich 'nen
wunderschönen Traum!
-
- Hänsel
- (nachdenklich)
- Richtig! Auch
mir träumte was!
-
- Gretel
- Mir
träumte, ich hör' ein Rauschen und
Klingen,
- wie Chöre
der Engel ein himmlisches Singen.
- Lichte
Wölkchen in rosigem Schein
- wallten und
wogten ins Dunkel hinein.
- Siehe: Helle
ward's mit einem Male,
- licht
durchflossen vom Himmelsstrahle,
- eine gold'ne
Leiter sah ich sich neigen,
- Engel hernieder
steigen,
- gar holde
Englein mit gold'nen Flügelein.
-
- Hänsel
- (sie lebhaft
unterbrechend)
- Vierzehn
müssen's gewesen sein!
-
- Gretel
- (erstaunt)
- Hast du denn
alles dies auch gesehen?
-
- Hänsel
- Freilich, 's
war wunderschön!
- Und dorthin sah
ich sie gehn.
-
-
Seitenanfang
- (Hänsel
wendet sich nach dem Hintergrunde: In diesem
Augenblicke zerreißt der letzte
Nebelschleier. An Stelle des Tannengehölzes
erscheint glitzernd im Strahle der aufgegangenen
Sonne das "Knusperhäuschen" am Ilsensteine.
Links davon in einiger Entfernung befindet sich
ein Backofen. Diesem rechts gegenüber ein
großer Käfig, beide mit dem
Knusperhäuschen durch einen Zaun von
Kuchenmännern verbunden)
-
- Gretel
- (hält
Hänsel betroffen
zurück)
- Bleib stehn,
bleib stehn!
-
- Hänsel
- (überrascht)
- O Himmel, welch
Wunder ist hier geschehn?
- Nein, so was
hab' ich mein Tag nicht gesehn!
- (Beide blicken
wie verzaubert auf das
Knusperhäuschen.)
-
- Gretel
- (gewinnt
allmählich die Fassung
wieder)
- Wie duftet's
von dorten,
- o schau nur
diese Pracht,
- Von Kuchen und
Torten ...
-
- (mit
Hänsel zusammen)
- ... ein
Häuslein gemacht,
- mit Fladen und
Torten
- ist's hoch
überdacht,
- die Fenster
wahrhaftig,
- wie Zucker so
blank,
- Rosinen gar
saftig
- den Giebel
entlang,
- und traun!
rings zu schau'n
- gar ein
Lebkuchenzaun!
-
- O herrlich
Schlößchen,
- wie bist du
schmuck und fein,
- Welch
Waldprinzeßchen
- mag da wohl
drinnen sein?
- Ach, wär'
doch zu Hause
- Waldprinzessin
fein,
- sie lüde
zum Schmause
- bei Kuchen und
Wein,
- zum
herrlichsten Schmause
- uns beide
freundlich ein,
- uns freundlich
ein, uns freundlich ein!
-
- Hänsel
- Alles bleibt
still, nichts regt sich da drinnen!
- Komm, laß
uns hineingehn!
-
- Gretel
- (ihn
erschrocken zurückhaltend)
- Bist du bei
Sinnen?
- Junge, wie
magst du so dreist nur sein?
- Wer weiß,
wer da drin wohl im Häuschen
fein?
-
- Hänsel
- O sieh nur,
sieh, wie das Häuslein uns
lacht!
- Ha! Die Englein
haben's uns hergebracht!
-
- Gretel
- (sinnend)
- Die Englein?
Ja, so wird es wohl sein!
-
- Hänsel
- Ja, Gretel, sie
laden freundlich uns ein!
- Komm, wir
knuspern ein wenig vom
Häuschen!
-
- Beide
- Komm, ja
knuspern wir,
- komm, ja
knuspern wir wie zwei
Nagemäuschen!
-
- (Sie
hüpfen Hand in Hand nach dem Hintergrunde,
bleiben wiederum stehen und schleichen dann
vorsichtig auf den Fußspitzen bis an das
Häuschen. Nach einigem Zögern bricht
Hänsel an der rechten Kante ein
Stückchen Kuchen heraus.)
-
-
Seitenanfang
- Eine Stimme
aus dem Häuschen
- Knusper,
knusper Knäuschen, wer knuspert mir am
Häuschen?
-
- (Hänsel
stutzt und lässt erschrocken das
Stückchen Kuchen fallen.)
-
- Hänsel
- Hast du's
gehört?
-
- Gretel
- (etwas
zaghaft)
- Der
Wind....
-
- Hänsel
- ... der
Wind....
-
- Beide
- ... das
himmlische Kind!
-
- Gretel
- (hebt das
Stück Kuchen wieder auf und versucht
es)
- Hm!
-
- Hänsel
- (Gretel
begehrlich anschauend)
- Wie schmeckt
das?
-
- Gretel
- (lässt
Hänsel beißen)
- Da hast du auch
was!
-
- Hänsel
- (legt
entzückt die Hände auf die
Brust)
- Hei!
-
- Gretel,
Hänsel
- Hei!
- usw.
- O
köstlicher Kuchen,
- wie schmeckst
du nach mehr!
- Mir ist ja, als
wenn
- ich im Himmel
schon wär!
-
- Hänsel
- Ha, wie das
schmeckt!
-
- Gretel
- 's ist gar zu
lecker!
-
- Hänsel
- Wie
süß!
-
- Gretel
- Wie
köstlich!
-
- Hänsel
- Ha....
-
- Gretel
- Wie
süß!
-
- Hänsel
- ... wie
lecker!
-
- Gretel
- Vielleicht hier
wohnt gar ein Zuckerbäcker!
-
- Hänsel
- He,
Zuckerbäcker! Nimm dich in
Acht!
- Ein Loch wird
dir jetzt vom Mäuslein gemacht!
- (Er bricht
ein großes Stück Kuchen aus der
Wand.)
-
- Die Stimme
aus dem Häuschen
- Knusper,
knusper Knäuschen,
wer knuspert mir am Häuschen? -
- Gretel,
Hänsel
- Der Wind, der
Wind, das himmlische Kind!
-
-
Seitenanfang
- (Der obere
Teil der Haustüre öffnet sich leise
und der Kopf der Knusperhexe wird sichtbar. Die
Kinder bemerken sie nicht und schmausen lustig
weiter Dann öffnet sie vollends die
Tür, schleicht behutsam auf die Kinder zu
und wirft Hänsel, der ihr ahnungslos den
Rücken wendet, einen Strick um den
Hals.)
-
- Gretel
- Wart, du
näschiges Mäuschen,
- gleich kommt
die Katz' aus dem Häuschen'
-
- Hänsel
- (weiter
kauend)
- Knusp're nur
zu
- und laß
mich in Ruht
-
- Gretel
- (reißt
ihm das Stück aus der Hand)
- Nicht so
geschwind,
- Herr Wind, Herr
Wind!
-
- Hänsel
- (nimmt es
ihr wieder)
- Himmlisches
Kind, ich nehm', was ich find!
-
- Gretel, dann
Hänsel
- (lachend)
- Ha ha
ha
- usw.
-
- Knusperhexe
- (grell
lachend)
- Hi hi, hi
hi
- usw.
-
- Hänsel
- (entsetzt)
- Laß los!
Wer bist du? Laß mich los!
-
- Hexe
- (die Kinder
an sich ziehend)
- Engelchen!
- Und du mein
Bengelchen!
-
- (Sie
streichelt die Kinder.)
- Ihr kommt mich
besuchen? Das ist nett!
- Ihr lieben
Kinder, so rund und fett!
-
- Hänsel
- (macht
verzweifelte Anstrengungen, sich
loszumachen)
- Wer bist du,
Garstige? Laß mich los!
-
- Hexe
- Na, Herzchen,
zier' dich nicht erst groß!
- Wißt
denn, daß euch vor mir nicht
graul'.
- Ich bin Rosine
Leckermaul,
- höchst
menschenfreundlich stets gesinnt,
- unschuldig, wie
ein kleines Kind!
- Drum hab' ich
die kleinen Kinder so lieb!
- so lieb, so
lieb, ach! zum Aufessen lieb!
- (Sie
streichelt Hänsel)
-
- Hänsel
- Geh, bleib mit
doch aus dem Gesicht!
-
- (Er stampft
mit dem Fuße )
- Hörst du,
ich mag dich nicht!
-
- Hexe
- (grell
lachend)
- Was seid ihr
für leckere
Teufelsbrätchen,
- besonders du,
mein herziges Mädchen!
- Kommt, kleine
Mäuslein,
- kommt in mein
Häuslein!
- Ihr sollt's gut
bei mir haben,
- will drinnen
köstlich euch laben!
-
- Schokolade,
Torten, Marzipan,
- Kuchen,
gefüllt mit süßer
Sahn',
- Johannisbrot
und Jungfernleder,
- und Reisbrei,
auf dem Ofen steht er,
- Rosinen und
Feigen
- und Mandeln und
Datteln sich zeigen:
- 's ist alles im
Häuschen eu'r eigen,
- ja, alles eu'r
eigen!
-
- Hänsel
- Ich geh' nicht
mit dir, garstige Frau!
-
- Gretel
- Du bist gar zu
freundlich!
-
- Hexe
- Schau,
schau!
- Schau, wie
schlau!
- Ihr Kinder, ich
mein's ja so gut mit euch,
- ihr seid ja bei
mir wie im Himmelreich!
-
- Kommt, kleine
Mäuslein,
- kommt in mein
Häuslein!
- Ihr sollt's gut
bei mir haben,
- will drinnen
...
-
- Gretel
- So sprich: Was
willst du ...
-
- Hexe
- ...
köstlich euch laben.
-
- Gretel
- ... meinem
Bruder tun?
-
- Hexe
- I
nun...
- Ich will ihn
futtern und nudeln,
- mit allerhand
vortrefflichen Sachen
- ihn zart und
wohlschmeckend machen.
- Und ist er dann
nicht zahm, und brav,
- und fügsam
und geduldig wie ein Schaf,
- dann,
Hänsel, ich sag' dir's in's
Ohr,
- dir steht eine
große Freude bevor!
-
- Hänsel
- So sag's, doch
laut und nicht ins Ohr: ...
-
- Hexe
- He?
-
- Hänsel
- Welch
große Freude steht mir bevor?
-
- Hexe
- Ja, liebe
Kinder, Hören und Sehn
- wird euch bei
diesem Vergnügen vergehn!
-
- Hänsel
- Ei, meine Augen
und Ohren sind gut!
- Haben wohl
acht, was Schaden mir tut!
-
- (Entschlossen.)
- Gretel, trau
nicht dem gleißenden Wort!
- Komm,
Schwesterchen, wir laufen fort.
-
- (Er hat sich
mittlerweile von der Schlinge befreit und
läuft mit Gretel zum Vordergrunde. Hier
werden sie von der Hexe zurückgehalten, die
gebieterisch ein am Gürtel hängendes
Stäbchen mit wiederholten Gebärden des
Festbannens gegen die beiden
erhebt.)
-
- Hexe
Seitenanfang
- (Die
Bühne verfinstert sich
allmählich.)
- Hokus pokus,
Hexenschuß!
- Rühr' dich
und dich trifft der Fluß!
- Nicht mehr
vorwärts, nicht zurück?
- Bann' dich mit
dem bösen Blick!
- Kopf steh starr
dir im Genick!
-
- (Der Knopf
des Stäbchens beginnt intensiv zu
leuchten.)
- Hokus pokus,
nun kommt jocus:
- Kinder, schaut
den Zauberknopf,
- Äuglein
stehet still im Kopf!.
- Nun zum Stall
hinein, du Tropf.
-
- (Neue
Gebärde; dann leitet sie Hänsel,
dessen Blick starr auf den leuchtenden Knopf
gerichtet ist, zum Stalle und schließt
hinter ihm die Gittertüre)
-
- Hokus pokus,
bonus jocus,
- malus tocus,
hokus pokus!
- Bonus jocus,
malus locus!
-
- (Allmählich
erhellt sich die Bühne wieder, während
der Glanz des Zauberknopfes
abnimmt.)
-
- Hokus pokus,
bonus jocus,
- malus locus,
hokus pokus!
-
- (Vergnügt
zu Gretel, die noch immer regungslos
dasteht)
-
- Nun Gretel, sei
vernünftig und nett,
- der Hänsel
wird nun balde fett.
- Wir wollen ihn,
so ist's am besten,
- mit
süßen Mandeln und Rosinen
mästen.
- Ich geh' ins
Haus und hole sie schnell,
- du rühre
dich nicht von der Stell'!
-
- (Sie droht
grinsend mit dem Finger und geht ins
Haus.)
-
- Gretel
- (starr und
unbeweglich)
- Hu! Wie mir vor
der Hexe graut!
-
- Hänsel
- (hastig
flüsternd)
- Gretel, pst!
sprich nicht so laut!
- Sei hübsch
gescheit und gib fein acht
- auf jedes, was
die Hexe macht.
- Zum Schein tu
alles, was sie will -
- da kommt sie
schon zurück - pst! still!
-
- (Die Hexe
kommt hervor, überzeugt sich, ob Gretel
noch stille steht, worauf sie dem Hänsel
aus einem Korb Mandeln und Rosinen
hinstreut..)
-
- Hexe
- Nun,
Jüngelchen,
- ergötze
dein Züngelchen!
-
- (Steckt
Hänsel eine Rosine in den
Mund.)
-
- Friß,
Vogel, oder stirb!
- Kuchenheil dir
erwirb!
-
- (Sie wendet
sich zu Gretel und entzaubert sie mit einem
Wacholder)
-
- Hokus pokus
Holderbusch!
- Schwinde
Gliederstarre, husch!
-
- (Gretel
rührt sich wieder.)
-
- Nun wieder
kregel, süßes Kleinchen,
- rühr mir
geschwind die runden Beinchen!
- Geh, mein
Püppchen, flink und frisch,
- decke drinnen
hübsch den Tisch:
- Schüsselchen,
Tellerchen, Messerchen,
Gäbelchen,
- Serviettchen
für mein Schnäbelchen;
- nun mach alles
recht hurtig und fein,
- sonst sperr'
ich dich auch in den Stall hinein!
-
- (Sie droht
kichernd; Gretel eilends ab.)
-
- Hi hi hi hi hi
hi!
-
- (Zu dem sich
schlafend stellenden
Hänsel)
-
- Der Lümmel
schläft ja, nun sieh mal an,
- wie doch die
Jugend schlafen kann!
- Na, schlaf nur
brav, du gutes Schaf,
- bald
schläfst du deinen ew'gen
Schlaf.
- Doch erst die
Gretel muß mir dran,
- mit dir, mein
Mädel, fang' ich an;
- bist so
niedlich, zart und rund,
- wie gemacht
für Hexenmund!
-
- (Sie
öffnet die Backofentüre und riecht
hinein, wobei ihr Gesicht grell von dunkelrotem
Feuerschein beleuchtet wird.)
-
- Der Teig ist
gar, wir können voran machen.
- Hei, wie im
Ofen die Scheite krachen!
-
- (Sie schiebt
noch ein paar Scheite unter,- die Flammen
schlagen hoch hinaus und sinken wieder zusammen.
Die Hexe, vergnügt, reibt sich die
Hände.)
-
- Ja,
Gretelchen,
- wirst bald ein
Brätelchen!
- Schau,
schau!
- Schau, wie
schlau!
- Sollst gleich
im Backofen hucken,
- und nach den
Lebkuchen gucken!
- Bist du dann
drin, schwaps!
- geht die
Tür,
- Dann ist fein
Gretelchen
- mein
Brätelchen!
- Das
Brätlein, das soll sich
verwandeln
- in Kuchen mit
Zucker und Mandeln!
- Im Zauberofen
mein
- wirst du ein
Lebkuchen fein!
- Schau, schau,
wie schlau!
- Hi hi, hi
hi
- usw.
-
- (In wilder
Freude ergreift sie einen Besen und setzt sich
rittlings darauf.)
-
- Hurr hopp hopp
hopp,
- Galopp lopp
lopp,
- mein
Besengaul,
- hurr hopp nit
faul!
-
- (Sie reitet
ausgelassen auf dem Besen
umher.)
-
- So wie ich's
mag,
- am lichten
Tag
- spring' kreuz
und quer
- um's
Häuschen her!
-
- (Sie reitet
wieder. Gretel steht währenddem lauschend
am Fenster)
-
- Bei dunkler
Nacht,
- wenn niemand
wacht,
- zum
Hexenschmaus
- am Schornstein
raus!
- Aus fünf
und sechs,
- so sagt die
Hex',
- mach sieb'n und
acht,
- so ist's
vollbracht,
- und neun ist
eins
- und zehn ist
keins
- und viel ist
nichts,
- die Hexe
spricht's!
- So reitet sie
bis morgens früh!
-
- (Mit tollen
Sprüngen reitet sie dem Hintergrunde zu und
verschwindet zeitweilig hinter dem
Knusperhäuschen. Wiederum sichtbar
geworden, kommt die Hexe zum Vordergrunde, wo
sie plötzlich anhält und
absteigt.)
-
- Prr! Besen,
hüh!
-
- (Sie hinkt
zum Stalle zurück und kitzelt Hänsel
mit einem Besenreis wach.)
-
-
Seitenanfang
- Auf, wach auf,
mein Jüngelchen,
- zeig mir dein
Züngelchen!
-
- (Hänsel
streckt die Zunge heraus.)
-
- Schlicker,
schlecker! Mm, mm, mm!
- Lecker, lecker!
Mm, mm, mm!
- Kleines
leckeres Schlingelchen,
- zeig mir dein
Fingerchen!
-
- (Hänsel
steckt ein Stöckchen
heraus)
-
- Jemine! O
je!
- wie ein
Stöckchen, o weh!
- Bübchen,
deine Fingerchen
- sind elende
Dingerchen!
-
- (Rufend.)
-
- Mädel!
Gretel!
-
- (Gretel
zeigt sich an der Türe)
-
- Bring Rosinen
und Mandeln her,
- Hänsel
meint, es schmeckt nach mehr!
-
- (Gretel
springt ins Haus und kehrt alsbald mit einem
Körbchen voll Rosinen und Mandeln
zurück.)
-
- Gretel
- Da sind die
Mandeln!
-
- (Sie stellt
sich, während die Hexe den Hänsel
füttert, hinter sie
und macht mit dem Wacholder die
Entzauberungsgebärde) -
- (leise)
- Hokus pokus
Holderbusch,
- schwinde
Gliederstarre, husch!
-
- Hexe
- (sich rasch
umwendend)
- Was sagtest du,
mein GänseIchen?
-
- (Hänsel
regt sich wieder)
-
- Gretel
- (etwas
verwirrt)
- Meint' nur:
Wohl bekomm's, mein Hänselchen!
-
- Hexe
- He?
-
- Gretel
- (lauter)
- Wohl bekomm's,
mein Hänselchen!
-
- Hexe
- Hi hi hi! Mein
gutes Tröpfchen,
- da steck dir
was ins Kröpfchen!
- (Steckt Greteln
eine Rosine in den Mund.)
- Friß,
Vogel, oder stirb!
- Kuchenheil die
erwirb!
-
- (Sie
öffnet die Backofentüre, die Glut hat
scheinbar etwas nachgelassen. Hänsel gibt
Greteln währenddessen lebhafte
Zeichen.)
-
- Hänsel
- (leise die
Stalltüre öffnend)
- Schwesterlein,
hüt dich fein!
-
- Hexe
- (Gretel
gierig betrachtend)
- Wie
wässert mir das Mündchen
- nach diesem
süßen Kindchen!
- Komm,
Gretelchen,
- Zuckermädelchen!
-
- (Gretel
tritt heran.)
- Sollst in den
Backofen hucken
- und nach den
Lebkuchen gucken.
- Sorgfältig
schaun, ja!
- ob sie schon
braun da,
- oder ob's zu
früh
- 's ist kleine
Müh'!
-
- (Gretel
zaudert.)
-
- Hänsel
- (aus dem
Stalle schleichend)
- Schwesterlein,
hüt' dich fein!
-
- Gretel
- (sich
ungeschickt stellend)
- Ei, wie fang'
ich's an,
- daß ich
komme dran?
-
- Hexe
- Mußt dich
nur eben
- ein
bißchen heben!
- Kopf
vorgebeugt,
- 's ist
kinderleicht!
-
- Hänsel
- (Gretel am
Kleide zurückhaltend)
- Schwesterlein,
hüt' dich fein!
-
- Gretel
- (schüchtern)
- Bin gar so
dumm,
- nimm mir's
nicht krumm!
- Drum zeig mir
eben:
- Wie soll ich
mich denn heben?
-
- Hexe
- (macht eine
ungeduldige Bewegung)
- Kopf
vorgebeugt,
- 's ist
kinderleicht!
-
- (Sie schickt
sich murrend an, in den Backofen au kriechen,
indem sie sich mit halbem Leibe vorbeugt, geben
ihr Hänsel und Gretel einen derben
Stoß, so daß sie vollends
hineinfliegt, und schlagen dann rasch die
Tür zu.)
-
- Gretel,
Hänsel
- (ihr
nachspottend)
- "Und bist du
dann drin, schwaps!
- geht die
Tür, klaps!"
- Du bist dann
statt Gretelchen
- ... ein
Brätelchen!
-
- (Hänsel
und Gretel fallen sich jubelnd In die
Arme.
-
-
Seitenanfang
- Juchhei! Nun
ist die Hexe tot,
- mausetot, und
aus die Not!
- Juchhei! Nun
ist die Hexe still,
- mäuschenstill,
Kuchen gibt's die Füll'.
-
- Nun ist zu End'
der Graus,
- Hexengraus,
- und der Spuk
ist aus!
-
- (sie fassen
sich bei der Hand.)
-
- Ja, laß
uns fröhlich sein,
- tanzen im
Feuerschein,
- halten im
Knusperhaus
- herrlichsten
Freudenschmaus.
- Heil juchhei,
juchhei! usw.
-
- (Sie
umfassen sich und walzen miteinander. erst im
Vordergrunde dann allmählich in der
Richtung auf das Knusperhäuschen zu. Als
sie beim Knusperhäuschen angekommen sind,
reißt sich Hänsel von Gretel los,
eilt ins Häuschen, indem er die Türe
hinter sich zuschlägt und wirft Gretel
durch die obere Luke Äpfel, Birnen,
Apfelsinen, vergoldete Nüsse und allerhand
Zuckerwerk in die aufgehaltene Schürze.
Mittlerweile fängt der Hexenofen gewaltig
an zu knistern; die Flamme schlägt hoch
empor. Dann gibt's einen starken Krach, und der
Ofen stürzt donnernd zusammen. Hänsel
und Gretel, die vor Schreck ihre Beute fallen
lässt, eilen bestürzt herbei und
stehen wie erstarrt da. Ihre Verwunderung steigt
aufs Höchste, als sie die Reihen der Kinder
um sich herum gewahr werden, deren
Kuchenhülle mittlerweile abgefallen
ist.)
-
- Hänsel
- Da, sieh nur
die artigen Kinderlein!
-
- Gretel
- Wo mögen
die hergekommen sein?
-
- Kuchenkinder
- (regungslos,
mit geschlossenen Augen, wie zuvor die
Kuchenfiguren)
- Erlöst,
befreit,
- für alle
Zeit!
-
- Gretel
- Geschlossen
sind ihre Äugelein;
- sie schlafen
und singen doch so fein!
-
- Kuchenkinder
- O rühr
mich an, daß ich erwachen
kann!
-
- Hänsel
- (verlegen)
- Rühr du
sie doch an, ich trau' mir's nicht!
-
- Gretel
- Ja, streicheln
wir dies hübsche Gesicht!
-
- (Sie
streichelt das nächste Kind, dieses
öffnet die Augen und
lächelt.)
-
- Kuchenkinder
- O rühr
auch mich, auch mich rühr an,
- daß ich
die Äuglein öffnen kann!
-
- (Gretel geht
streichelnd zu den übrigen Kindern, die
lächelnd die Augen öffnen, ohne sich
zu rühren; inzwischen ergreift Hänsel
den Wacholder.)
-
- Hänsel
- Hokus pokus
Holderbusch!
- Schwinde,
Gliederstarre, husch!
-
- (Die Kinder
springen auf und stürzen von allen Seiten
herbei.)
-
- Kuchenkinder
- Habt Dank, habt
Dank eu'r Leben lang!
-
- (Die Kinder
schließen sich zu einem Ringelreihen um
Hänsel und Gretel.)
-
- Die Hexerei ist
nun vorbei,
- nun singen und
springen wir froh und frei!
- Kommt,
Kinderlein, zum Ringelreih'n!
- reicht alle
euch die Händchen fein!
- Drum singt und
springt, drum tanzt und singt,
- denn Kuchenheil
uns allen winkt,
- Drum singt und
springt
-
- usw.
- daß laut
der Jubelruf durchdringt den Wald,
- und rings
erschallt von Lust der Wald!
-
- (Zurücktretend)
-
- Habt Dank! Habt
Dank!
-
- Hänsel
- Die Englein
haben's im Traum gesagt
- in stiller
Nacht…
-
- (Je vier
Kuchenkinder umringen Hänsel und Gretel und
verbeugen sich zierlich vor
ihnen.)
-
- …was nun
so herrlich…
- …der Tag
hat wahr gemacht.
-
- Kuchenkinder
- Lob und
Dank!
-
- Gretel
- Ihr Englein,
die uns so treu bewacht
- bei Tag und
Nacht,
- euch sei Lob
und Dank für all die Pracht,
- die hier uns
lacht,
- die uns so
wonnig lacht!
-
- Hänsel
- Ihr Englein,
die uns so treulich bewacht
- bei Tag und
Nacht,
- habt Lob und
Dank,
- habt Lob und
Dank für all die Pracht,
- die so wonnig
uns lacht!
-
- Kuchenkinder
- Habt Lob und
Dank für all die Pracht
- die hier uns
lacht!
- Habt Dank eu'r
Leben lang!
- usw.
-
- (Alle
drängen sich hinzu, um Hänsel und
Gretel die Hände zu
schütteln.)
-
- Alle
- Habt Lob und
Dank usw.
-
- Der
Vater
- (hinter der
Szene)
- Ral-la-la-la,
ral-la-la-la,
- wären doch
uns're Kinder da!
- Ral-la-la-ia,
ral-la-ia-la-ia,
- Juch! Ei, da
sind sie ja!
-
- (Der Vater
erscheint mit der Mutter im Hintergrunde und
hält an, als er die Kinder
erblickt.)
-
- Hänsel
- (ihnen
entgegeneilend)
- Vater!
Mutter!
-
- Gretel
- (ebenso)
- Vater!
Mutter!
-
- Die
Mutter
- Kinderchen!
-
- Der
Vater
- Da sind ja die
armen Sünderchen!
-
- (Frohe
Umarmung. Unterdessen haben zwei Knaben die Hexe
als großen Lebkuchen aus den Trümmern
des Zauberofens gezogen. Bei ihrem Anblick
bricht alles in ein Jubelgeschrei
aus.)
-
- Alle
- Hei!
-
- Der
Vater
- Kinder, schaut
das Wunder an,
- wie die Hexe
hexen kann,
- wie sie hart,
knusperhart
- selber nun zum
Kuchen ward!
-
- Alle
Übrigen
- Schaut, o
schaut das Wunder an,
- wie die Hexe
hexen kann,
- wie sie hart,
knusperhart,
- selber nun zum
Kuchen ward!
-
- (Die beiden
Knaben tragen die Hexe ins
Knusperhäuschen)
-
- Der
Vater
- Merkt des
Himmels Strafgericht:
- Böse Werke
dauern nicht.
- Wenn die Not
aufs höchste steigt,
- Gott der Herr
sich gnädig zu uns neigt!
- Ja, wenn die
Not aufs höchste steigt,
- Gott der Herr
die Hand uns reicht!
-
- Gretel,
Hänsel, Die Mutter,
Kuchenkinder
- Wenn die Not
aufs höchste steigt,
-
- (mit dem
Vater)
- Gott der Herr
die Hand uns reicht!
-
- (Indem die
Kinder einen lustigen Reigen um die Gruppe
tanzen, fällt der Vorhang)
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