Spätrenaissance
Venezianische
Musik
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Biographie
G, Gabrielis
Kompositionslehre
Gabrielis
1.
Hintergründe
2.
Theorie
Die
Tonartenlehre
Der
Tonartencharakter und die Affektenlehre bei
Gabrieli
Die
Intervallehre des 16. Jahrhunderts
Stimmunfänge,
Tonhöhen,
Transpositionsanweisungen
und Schlüsselung
Die
Entwicklung der "cori spezzati" - Technik
Andrea
und Giovanni Gabrieli und ihr Verhältnis zu Orlando di
Lasso
3.
Aufführungspraxis
4.
Beispiele
5.
Zusammenfassung
6.
Literatur
|
2.
Theorie der Komposition
2. 1. Die Tonarten
aus:
Kompositionstechnik und Aufführungspraxis
mehrchöriger Werke der venetianischen
Spätrenaissance -
dargestellt am Beispiel Giovanni Gabrielis in
San Marco/Venedig. Überarbeitete
Staatsarbeit von Martin Schlu, Bonn
1984/2008
|
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- Tonarten
- Systematik
- Fazit
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-
- Ein wesentliches
Kriterium innerhalb der Kompositionstechnik ist die Wahl
der Tonart, in der das Werk stehen soll. Im ausgehenden
16. Jht. hat ein Komponist in dieser Beziehung
großen Spielraum: einerseits existiert ein
differenziertes System der Kirchentonarten mit einer
genau ausformulierten Anwendungsvorschrift nach der
Affektenlage, andereseits gibt es bereits Tendenzen zur
Auflösung eben dieses Systems ib. zur Vereinfachung
und bewußten Negation des traditionellen Rahmens.
Einerseits gibt es eine "reine" (nicht physikalisch
reine), nicht "temperierte" Stimmung, die den Gebrauch
der Tasteninstrumente erheblich einschränkt, weil
Tonarten mit mehr als zwei Vorzeichen unsauber klingen,
andererseits bestehen Transpositionspraktiken bis weit in
die Kreuz- und Be-Tonarten hinein. Dies führt dazu,
daß Sänger, Posaunen und Streicher in jeder
Tonart sauber musizieren, während die
Tasteninstrumente die Transposition nur bedingt
ermöglichen können. Parallel dazu gibt es die
Praxis (der "unsauberen" Töne wegen), auch
außerhalb C-Dur oder G-/F-Dur zu spielen, weil die
entstehenden "falschen" Töne ihre speziellen Reize
haben. Um überhaupt erst einmal einen Überblick
über das System von notierten und transponierten
Tonarten des 16. Jahrhunderts und Gabrielis
Kompositionstechnik (und damit auch die von Monteverdi
und Schütz) zu bekommen, sei zunächst das
kirchentonale System erläutert, danach das
Transpositionsproblem und dessen praktische Anwendung
durch eine entsprechende Schlüsselung.
-
- Im
16. Jahrhundert sind vier Haupttonarten etabliert:
dorisch, phrygisch, lydisch und mixolydisch,
außerdem die plagalen, auf der Unterquart liegenden
Ergänzungen ( hypodorisch , -phrygisch.. etc.). Seit
H. Glareans "Dodekachordon" von 1547 werden auch noch die
äolische und die ionische Tonleiter mit ihren
plagalen Ableitungen verwendet.
- Seitenanfang
-
- Ausgehend vom Dorischen
als erstem Ton ("primi toni") ergeben sich damit folgende
Zuordnungen:
1.
|
primo tono
|
dorisch
|
d -
d1
|
Grundton
|
d
|
2.
|
secondo tono
|
hypodorisch
|
A - a
|
Grundton
|
d
|
3.
|
terzio tono
|
phrygisch
|
e -
e1
|
Grundton
|
e
|
4.
|
quarto tono
|
hypophrygisch
|
H - h
|
Grundton
|
e
|
5.
|
quinto tono
|
lydisch
|
f -
f1
|
Grundton
|
f
|
6.
|
sesto tono
|
hypolydisch
|
c -
c1
|
Grundton
|
f
|
7.
|
septimo tono
|
mixolydisch
|
g -
g1
|
Grundton
|
g
|
8.
|
octavo
tono
|
hypomixolydisch
|
d -
d1
|
Grundton
|
g
|
9.
|
nono
tono
|
äolisch
|
a -
a1
|
Grundton
|
a
|
10.
|
decimo
tono
|
hypoäolisch
|
e -
e1
|
Grundton
|
a
|
11.
|
undecimo
tono
|
ionisch
|
c -
c1
|
Grundton
|
c
|
12.
|
duodecimo
tono
|
hypoionisch
|
g -
g1
|
Grundton
|
c
|
-
- "tono" bezeichnet
einerseits den Modus der Tonarten, wie es bei Glarean
festgelegt ist, andereseits ist damit teilweise auch
schon der Begriff einer Dur-Moll-tonalen Betrachtung mit
einem - wie auch immer - kadenzierenden Schluß
gemeint, der sich allmählich in den
Hörgewohnheiten durchsetzt. Außerdem
bezeichnet "tono" natürlich auch den Ton an sich.
Stefan Kunze (Sachteil, S: 60f) spricht beispielsweise
von einem "transponierten 1. Ton (Gb), an anderer Stelle
von einem Grundton (Fb), meint damit aber nicht Ges-Dur
oder Fes-Dur (auch wenn es musikpädagogische
Übungsstücke eines Matthias Greiter von 1553
gibt, in denen sieben Be's erreicht werden), sondern
offensichtlich "G-molle" (G-transponiert) bzw. "F-molle",
die sich aus der gängigen Hexachordlehre ableiten
lassen. -
Seitenanfang
-
- Zarlino
und Gabrieli unterscheiden bei den Kirchentönen
zwischen theoretischer Ordnung und tatsächlichem
Einsatz (Schmalzried, 43f), so unterscheidet Gabrieli
nicht mehr zwischen 3. und 4. Ton, sondern bezeichnet das
Phrygische später als "3.&4. tono", später
- im Gegensatz zu Diruta - nur noch als "4. tono" (z.B.
"Canzon 4. Toni"). Ebenfalls nicht ganz im Sinne der
strengen Theorie ist die Behandlung des "5. tono": das
reine Lydische kommt bei Gabrieli nicht vor, obwohl seine
Schüler ihre Madrigalbücher so anlegen
müssen, daß mindestens ein Madrigal im 5. Ton
enthalten ist. Eine weitere Abweichung: der 5. Ton hat
anstelle der Finalis "f" die Finalis "c", der 6. Ton
hätte die Finalis "h", Gabrieli setzt aber
konsequent immer "b" dafür ein. (Schmalzried,
a.a.O.) Ein Beleg für Schmalzrieds Aussage findet
sich indirekt: die "Canzon quarti toni" steht im 3. Ton,
die "Canzon primi toni á 8" steht im
transponierten 6. Ton, die "Cazon noni toni á 8"
steht im 10. Ton und weitere Abweichungen ließen
sich aufzählen - Gabrieli hält sich also nicht
mehr unbedingt an Glareans Tonartenlehre von 1553.
Seitenanfang
-
- Um den Tonartencharakter
auf andere Tonarten zu übertragen, als die zur
Verfügung stehenden, ist
es im 16. Jahrhundert üblich, um eine Unterquint
oder Oberquart zu transponieren.
Verhältnismäßig tiefe Tonarten wie der
1°, 3°, 4°, 6°, 8° und 10°
"tono" werden abwärts transponiert.
Dies Möglichkeiten der "transportazione" sind
bei Zarlino bereits genannt (Istitutionio harmoniche
1562/2 S. 320ff, zit. nach: Schmalzried).
-
- Nicht immer werden
die bereits in der Komposition aufgeschriebenen
Transpositionen auch als solche kenntlich gemacht, oft
ist der Hinweis nur ein vorgezeichnetes "b".
Vorgezeichnete Kreuze verweisen dagegen auf eine
Transposition in die Oberquint oder Unrerquart, kommen
aber kaum vor.
-
- Winterfeld (S. 70ff)
referiert etwas umständlich ein damaliges System
"harter" und "weicher" Modi, doch es war nicht zu
ermitteln, inwieweit die Begriffe überliefert sind
oder romantisierendes Beiwerk seiner Zeit waren. Danach
werden - ausgehend vom "G" - Tetrachorde gebildet, deren
vierter Ton gleichzeitig Ausgangspunkt des nächsten
Tetrachordes ist - (neudeutsch würde man sagen, ein
"Quartenzirkel"): -
Seitenanfang
-
- Danach liegt ein
"hartes" Tonsystem solange vor, wie es nicht erforderlich
wird, den vierten Ton zu erniedrigen. Muß der
vierte Ton erniedrigt werden, wird die "harte" Tonart zur
"weichen".
-
- Dieses System ist nach
Winterfelds Ansicht aber schon von Glarean ausformuliert
worden (Winterfeld S. 75) und damit eine
übergeordnete Tonart, von der aus Kirchentöne
abgeleitet werden können. Gleichzeitig weist
Winterfeld die Benutzung der "weichen" Tonart als
Transposition durch Vorzeichnung des "b" nach und beruft
sich dabei auf Seth Calvisius, der das von Zarlino
ausformulierte Systemn ergänzt (vgl. Schmalzried).
Danach sind Transpositionen in die Oberterz und die
Oktave ebenfalls möglich - ausgenommen bei der
mixolydischen und phrygischen Tonart (Winterfeld S. 105).
Begründet wird dies damit, daß sich die
mixolydische Tonart häufig zum Ionischen wendet
(hier liegt evtl. die Entwicklung zur Durtonalität
begründet) und daß die phrygische Tonart in
ihrer Oberquart ("10° tono" ) endet
oder in der Unterterz aschließen kann, so daß
hier bereits eine definierte Mischform vorliegt. Die
Transpositionsmöglichkeit in die Unterterz wird im
ausgehenden 16. jahrhundert für alle anderen
Tonarten mit maßgeblich.
-
- Es existieren also
Kirchentonsysteme im "harten" und "weichen" Bereich -
"hart", solange das Verhältnis Grundton zur Oberterz
einfacher ist (4:5) als das Verhältnis Obertez zur
Oberquint (3:5), "weich", solange das Verhältnis
Grundton zur Oberterz (5:6) einfacher ist als das
Verhältnis Grundton zur Oberterz (1:19). Dies sidn
genau die Schwingungsverhältnisse, die auch bei Dur-
und Mollakkorden vorliegen: die Durterz hat das
Verhältnis 4:5, die Mollterz 5:6. Die Begriffe
"hart" (durus) und "weich" (molle) bekommen
plötzlich Sinn. Sie werden faßbar als
bezeichnung für Dur und Moll, stehen aber
gleichzeitig auch für die Verwendung des
Tonmaterials um C-Dur und F-Dur und bezeichnen
außerdem "transponiert" und
"untransponiert".
-
- Fazit
-
Seitenanfang
- Nach Kunze (S. 60, 69,
94f), Schmalzried (S. 44f) und Winterfeld (S. 105) setzen
sich um 1600 also folgende Transpositionsanweisungen
durch:
-
- a) Durch Vorzeichnung
eines "b" fixiert der Komponist bereits eie
kirchentonale Transposition und notiert damit meistens
die Transposition in die Unterquint;
- b) durch Verwendung
eines plagalen Modus gelangt er in die Unterquart,
verändert aber den Affektengehalt des
Modus;
- c) sowohl
transponierte als auch untransponierte Modi
dürfen zur Spiel- und Singerleichterung um eine
Terz aufwärts oder bwärts ttransponiert
werden;
- d) im Bedarfsfalle
ist doppelte Transposition möglich.
-
- Es ergeben sich daher
folgende Ausgangstonarten, in denen ein Werk notiert
weden kann - unabhängig von seiner
tatsächlichen Ausführung
-
-
"weiche"
Tonarten
(transponiert)
|
|
"harte"
Tonarten
(untransponier)
|
F
|
authentische
Modi
|
C
|
dorisch-g
|
1. tono
|
dorisch-d
|
phrygisch-a
|
4. tono
|
phrygisch-a
|
lydisch (B-Dur)
|
6. tono
|
lydisch (F-Dur)
|
mixolydisch-C
|
7. tono
|
mixolydisch-G
|
äolisch-d
|
9. tono
|
äolisch-a
|
ionisch-F
|
11. tono
|
ionisch-C
|
|
plagale
Modi
|
|
hypodorisch-d
|
2. tono
|
hypodorisch-a
|
hypomixolydisch-G
|
8. tono
|
hypomixolydisch-D
|
hypoäolisch-a
|
10. tono
|
hypoäolisch-e
|
hypoionisch-C
|
12. tono
|
hypoionisch-G
|
-
- Durch
Transposition werden auch Tonarten bis zu fünf "B"-Vorzeichen erreicht,
allerdings sind die auf der Orgel nicht mehr sauber zu spielen, denn
die temperierte Stimmung ist noch nicht in Sicht. Bei transponierten
Aufführungen können daher außer den Sängern nur Bläser, Streicher und
eine Chitarrone zum Einsatz gekommen sein. Das Notenbeispiel von
Mathias Greiter (um 1490 - 1550) zeigt, wie man bereits im 16.
Jahrhundert durch die Transposition in einen Bereich gelangt, der am Ende bis zu zu sechs "B"-Vorzeichen hat. Gezeigt wird nur der Anfang in modernisierter Schreibweise:
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