Nationalsozialismus
Das
Mädchen Anne Frank
Margot
Die
Geschichte der Familie Frank
Bergen
Belsen
Annes
Tagebuch
Miep
Gies
Kitty
Verhaftung
Deportation
Die
Zeit bis zum Untertauchen
Das
Hinterhaus
Die
Ankunft in Auschwitz
Der
Bericht Fritz Franks
Hanneli
Krankheit
und Ende
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- In den vergangenen
fünfzig Jahren seit dem Erscheinen von Anne Franks
Tagebuch wurde Miep Gies immer wieder gefragt, wo sie den
Mut hernahm, der Familie Frank zu helfen. Diese Frage,
manchmal bewundernd, manchmal ungläubig formuliert,
hat sie stets unangenehm berührt. Natürlich
brauchte sie oft Mut, um ihre menschliche Pflege zu tun,
sie mußte aber auch bereit sein, gewisse Opfer zu
bringen. Aber das gilt doch für so viele Situationen
im Leben.
-
- Warum also fragte sie
sich immer und immer wieder, stellt ein Mensch eine
solche Frage? Warum zögern so viele, ob sie ihren
Mitmenschen überhaupt helfen sollen?
-
- Erst langsam begann sie
zu verstehen. Die meisten Kinder hören von klein an
von ihren Eltern:
-
- Wenn
du recht brav und artig bist, wird es dir im Leben
gut gehen."
-
- Der Umkehrschluß
wäre also: Wenn ein Mensch in Schwierigkeiten
gerät, dann muß er sich schlecht benommen ,
muß einen ernsthaften Fehler gemacht haben - so
einfach. So einfach fällt uns dann die Entscheidung,
uns für solch eine Person nicht einzusetzen, uns
rauszuhalten".
-
- Ihr Leben belehrte Miep
Gies eines Besseren. Sie hat geholfen, weil sie
wußte, wie leicht Menschen in Not geraten, ohne
unbedingt etwas falsch gemacht zu haben. Sie ist in Wien
geboren worden und war zu Beginn des Ersten Weltkrieges
fünf Jahre alt. Ihre Mutter versicherte ihr immer
wieder, dass sie ein braves, liebenswertes Mädchen
und sie mit ihr zufrieden sei - zu hause wie in der
Schule.
-
- Als sie neun war, hatten
sie nicht genug zu essen. Sie erinnerte sich noch genau
an dieses quälende Hungergefühl, diesen
stechenden Schmerz im Magen und die unangenehmen
Schwindelanfälle, gegen die sie ankämpfen
mußte. Den Schock, den sie erlebte, als ihre Eltern
sie im Rahmen einer Hilfsaktion für hungernde,
bedürftige Kinder nach Holland schickten,
vergaß sie nie. Es war ein klirrend kalter
Dezembertag im Jahre 1920, als ihre Eltern sie zum Zug
brachten, ihr ein großes Schild mit einem fremden
Namen um den Hals hängten, sich von ihr
verabschiedeten und sie alleine ließen. Aber das
verstand sie erst viel später. Sie war stark
untergewichtig, litt an Tuberkulose und fühlte sich
schrecklich einsam. Womit hatte sie verdient, so krank
und verlassen zu sein? Ihre Mutter hatte ihr doch
versichert, dass sie nichts falsch gemacht
hatte...
-
- Sie machte also schon
als Elfjährige die Erfahrung, wie schnell man ganz
und gar unschuldig in Schwierigkeiten kommt. Genau das,
galt auch für die Juden im Zweiten Weltkrieg.
Deshalb war es selbstverständlich für sie, zu
helfen, soweit es in ihrer Macht stand.
-
- Wenn sie
erschütternd zur Kenntnis nahm, dass sechs Millionen
Kinder, Frauen, Männer in den Tod gejagt wurden,
sollten wir uns bei der Frage Warum die
weltweite Gleichgültigkeit der ganz
normalen - übrings durchweg anständigen,
hart arbeitenden, oft gottesfürchtigen -
Mitbürger vor Auge halten. Natürlich trägt
das Nazi - Regime die Verantwortung für diesen
Massenmord. Doch ohne die passive Haltung von so vielen
(nicht nur in Deutschland und Österreich), im Grunde
sicher guten Menschen, hätte das grausame Morden
gewiß nie diese Ausmaß erreicht.
-
- Sie konnte Annes Leben
nicht retten - und war darüber tief
erschüttert.
-
- Sie konnte jedoch ihr
helfen, zwei Jahre länger zu leben. In diesen zwei
Jahren hat sie ihr Tagebuch geschrieben, das Millionen
Menschen in aller Welt Hoffnung gibt und zu
Verständnis und Respekt aufruft. Das bestätigt
jede Überzeugung, dass jeder Versuch besser ist als
Untätigkeit. Ein Versuch kann schiefgehen, bei
Untätigkeit ist der Mißerfolg
garantiert.
-
- Sie konnte Annes
Tagebuch retten und so dabei helfen, dass Annes
größter Wunsch in Erfüllung ging.
-
- "Ich
will von Nutzen und Freude sein für die Menschen,
die um mich herum leben und die mich noch nicht
kennen"
-
- vertraute Anne ihrem
Tagebuch am 25. März 1944, etwa ein Jahr vor ihrem
Tod, an.
-
- "Ich
will fortleben, auch nach meinem Tod."
-
- Und am 11. Mai notierte
sie:
-
- Du
weißt, dass es mein liebster Wunsch ist, dass
ich einmal Journalistin und später eine
berühmte Schriftstellerin
werde."
-
- Miep Gies, der gute
Geist, der Familie Frank, der sowohl die Familie Frank,
als auch und ihre Leidensgefährten in dem
Amsterdamer Hinterhaus - Versteck versorgte, war die
letzte Überlebende aus dem Umkreis von Anne
Frank.
- Miep Gies allein mag
noch zu berichten, was damals geschah, als die Familie
Frank untertauchte, um nicht deportiert zu
werden. Sie rettete Annes Tagebuch für die Nachwelt,
und nur sie kann Annes Aufzeichnungen bestätigen und
ergänzen.
-
- Sie war für die
Untertaucher das Bindeglied zur
Außenwelt: zugleich Schutzengel, Ernährerin
und Trösterin. Anne Franks Tagebuch und der Bericht
von Miep Gies, das sind zwei Perspektiven der gemeinsamen
Angst, des gleichen Schreckens und der verzweifelten
Hoffnung.
-
- Es war für Miep
Gies eine Selbstverständlichkeit, den Verfolgten zu
helfen. Schließlich hatte sie selbst ja von klein
auf Not kennengelernt. Nach dem Krieg gab Miep das
Tagebuch Otto Frank, dem Vater von Anne.
-
-
- Immer wieder heißt
es, dass Anne die sechs Millionen Holocaust-Opfer
symbolisiert. Diese Darstellung halte ich für
falsch. Annes Leben und ihr Tod sind ein individuelles
Schicksal. Ein individuelles Schicksal, dass sechs
Millionen Mal passierte. Anne kann nicht stellvertretend
diesen Platz der vielen Individuen einnehmen, denen die
Nazis ihr Leben geraubt haben. Sie soll es auch nicht.
Jedes Opfer vertat seine eigenen Weltanschauungen und
Ideale, jedes Opfer hatte ein einzigartige,
persönliche Bedeutung für seine Verwandten und
seine Umgebung.
- Genau das Gegenteil
haben Hitler und seine Helfer in ihrem Rassenwahn
darzustellen versucht: den Juden als gesichtsloses
Feinbild. Gleichzeitig haben sie sechs Millionen
Individuen, sechs Millionen Einzelschicksale
ausgelöscht und der Großteil der Menschen
wollte es nicht einmal wissen.
-
- Anne ist nur eine von
ihnen. Ihr Schicksal machte uns jedoch den immensen
Verlust, den die Welt durch den Holocaust erlitten hat,
begreifbarer. Anne ein einfacher Teenager, hat mit ihrem
Talent Herz und Verstand von Millionen von Menschen
berührt und so ihr Leben bereichert. Wie sehr
müssen wir uns bewußt machen, hätte Anne,
wie sehr hätten alle anderen Opfer, jeder auf seine
Weise, zu unserer Gesellschaft beigetragen, wenn sie
hätten leben dürfen.
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