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Editorial
- Briefe an die Leser
Gesammelter
Senf zu aktuellen
Themen
älter
- neuer
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Denkmalschutz,
Tourismus und Selbstgerechtigkeit
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- 12. März
2001
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- Liebe Leser,
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- Vermutlich
wußte vor vier Wochen keine Sau hierzulande,
welcher islamischen Splittergruppe die Taliban in
Afghanistan angehören. Vermutlich bin ich nicht der
Einzige, der von der Existenz zweier riesigen
Buddha-Figuren aus vormittelalterlicher Zeit in
Afghanistan bis vor ein paar Tagen nichts gewußt
und sie nicht vermißt hat. Wahrscheinlich
gehöre ich eher zur großen Mehrzahl derer, die
sich für Afghanistan bislang nicht sonderlich
interessiert haben - höchstens für den Umstand,
daß die Sowjetunion vor langer Zeit mit ihrer
gesamten Armee einen Krieg in diesem Land eben nicht
gewonnen hat und seitdem lieber auf Tschetschenen
schießt als auf afghanische
Muhadjeddin...
-
- Warum
dies alles? Weil in der letzten Woche die Zeitungen und
Fernsehnachrichten voll waren vom Bildersturm, weil
Parallelen zur Hitler'schen Bücherverbrennung
gezogen wurden und weil es den Anschein hatte, daß
Kofi Annan (der von der UNO) zur Zeit nichts Wichtigeres
zu tun habe, als die Taliban davon abzubringen, die
Statuen in die Luft zu jagen. Ich werde den Verdacht
nicht los, daß dahinter weniger echtes
Kulturinteresse steht als vielmehr die - nun
verpaßte - Chance, als künftiger Tourist die
Statuen zu begucken - wenn die Hotels in Afghanistan
einmal westlichem Standard genügen, McDonalds in
Kabul eine Filiale eröffnet hat und die
Einheimischen nicht mehr so aufdringlich um Trinkgelder
betteln wie (z.B.) in Tunesien oder
Marokko....
-
- Hat sich
denn 1527 jemand darüber aufgeregt, daß Karl
V. mal eben seine Soldaten auf Rom losließ und die
innerhalb von zwölf Stunden ca. 90% der
römischen Kunstschätze vernichteten? (Die
übriggebliebenen 10% sind ja auch nicht gerade
wenig...) Hat man hier in Bonn schon vergessen, daß
vor wenigen Jahren Beethovens Geburtshaus abgerissen
werden sollte, weil eine Sanierung angeblich nicht mehr
lohnte? Ist überhaupt schon erfaßt, was unter
den Nazis an Kunstschätzen vernichtet wurde? Unter
den Preußen in Polen (Stichwort Deutscher Orden)?
Unter den Architekten der 70er Jahre in diversen
Altstädten, die zur Fußgängerzone
umgebaut wurden mit Benetton-Läden alle hundert
Meter?? Was wäre gewesen, wenn Joschka Fischer als
68er nicht gegen die Frankfurter Baulöwen auf die
Straße gegangen wäre und die den
Römerberg platt gemacht hätten? Dies alles im
Übrigen vor einer neudeutschen Gesellschaft, die
blühende Landschaften sah, dafür die neuen
Bundesländer regelrecht kaufte - und heute für
überlebenden Zwangsarbeiter leider kein Geld mehr
hat...
-
- Ich meine, daß wir
keine Macht der Welt zu unserem Glück zwingen
sollten, auch dann nicht, wenn es uns vielleicht leid
tut, daß bestimmte Dinge unwiederbringlich vorbei
sind. Diktatoren brauchen größenwahnsinnige
Denkmäler, sei es das Zeppelinfeld, den
Regierungspalast in Bukarest oder eben weggesprente
Buddhafiguren. Es gab doch mal einen Mann, der einen
griechischen Tempel angezündet hatte, damit sein
Name nicht vergessen würde - wie hieß der denn
bloß....
-
- Ignoramus et
ignorabimus....
-
- Martin Schlu
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