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- Bigger Better Faster
More - Die Amerikanisierung und ihre
Folgen
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- 15.11. 2006
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- Eigentlich konnte man
nach dem 2. Weihnachtstag 2004 nichts mehr schreiben,
weil bei 300.000 Toten auf einen Schlag fast alles
gegenstandslos geworden war. Merkelchen wurde einige Zeit
danach Bundeskanzlerin und landete nicht in der
Mottenkiste, gedankenmäßig passierten wir die
Fünfziger Jahre und nähern uns nun der
Nachkriegs- und Vorkriegszeit und wenn ich mir die
"geistig-moralische Erneuerung" (dies war mal ein Ziel
unter dem dicken Helmut) vor Augen führe, bin ich
wieder in meiner Schulzeit und staune wie ein Kind, was
"in diesem unserem Lande" (Kohl) alles möglich
geworden ist - ein Deja vú jagt das
nächste.
-
- Die vielbeschriebenen
amerikanischen Verhältnisse haben uns eingeholt und
die Frankfurter Schule ist verstummt. Wir werden
angehalten unsere Schüler zum Besten der Wirtschaft
zu erziehen, damit sie möglichst schnell
möglichst viel Verwertbares lernen, möglichst
effektiv und billig arbeiten und am besten mithelfen,
ihren - nach vielen Praktika endlich erreichten -
Arbeitsplatz zum Besten des cash flow demnächst an
einen asiatischen Arbeitnehmer zu übertragen, den
sie auch noch einweisen, damit er noch schneller ihren
Platz einnimmt. Unsere Schulabgänger werden
stromlinienförmig auf Schmalspurniveau gehalten,
verblöden intellektuell, weil sie nur noch in
Deutsch, Mathe, Englisch und Wirtschaft ihr Abitur machen
müssen - ich werde zum Exoten, weil mein erstes
Abifach 1978 Musik war und ich sehe mich schon
ungläubigen Schülern gegenüber, die sich
nicht vorstellen können, daß so etwas mal in
Deutschland möglich war.
-
- Warum dies alles? Warum
führen wir eine "Reform" der "Oberstufenreform"
durch? Warum lassen wir nicht zu, daß es auch
Menschen gibt, die ihr Lebensglück jenseits von
standardisiertem Schmalspurwissen zum Besten der
Wirtschaft finden? Was ist daran verwerflich,
künstlerischen Neigungen den Vorzug der
Standardfächer zu geben? Nicht alle Künstler,
Musiker, Maler und Literaten waren schulische Leuchten
und trotzdem haben sie uns Wichtiges zu sagen. Wedekind,
Brecht und Grass wären im heutigen Schulsystem
höchstens mit einem Hauptschulabschluß
herausgekommen, Mozart und Beethoven hätten negative
Kopfnoten, Einstein wäre verhaltensgestört und
Johannes Rau wäre vermutlich Streitschlichter
geworden und hätte die SV geleitet. Bereits als ich
Abi machte, hatten wir etwa 50% Absolventen, die nicht
wußten was sie werden sollten - die studierten
erstmal Jura.
-
- Als ich dann auf der PH
war, gab es drei Gruppen von Studenten und -innen: die
einen waren in der Übezelle um über ihren Traum
als Musiker zu quatschen, die anderen sah man nicht, weil
die einen Nebenjob als Kirchen- oder Tanzmusiker hatten
und ihr Studium irgendwie nebenbei schaffen mußten
und die dritte Gruppe wartete jahrelang in der Mensa auf
den netten Juristen, der sie heiraten und versorgen
würde. Dummerweise gab es zu viele nette
Mädchen und zu viele Juristen, jedenfalls mehr, als
Stellen frei waren und so mußten diese armen
Anwälte (oft nur mit einem 3,5er Examen) sich ihre
Fälle selber suchen. Ein Teil ging in die USA und
lernte dort, wie man durch irrwitzige
Schadenersatzforderungen auch die Honorare nach oben
treibt - einige Kommilitoninnen von damals traf man ab
und zu in ihrem neuen Porsche (weil der letzte
Prozeß des Göttergatten wieder gut gelaufen
war), andere verdienten sich ihr Geld mit Abmahnungen.
Bis heute gibt es Kanzleien, die z.B. einen
geschützten Songtext auf einer Webseite
beispielsweise eines vierzehnjährigen Schülers
entdecken und dann einen netten Brief schreiben, in dem
in etwa steht, daß durch die Verletzung des
Urheberrechtes ein Schaden entstanden ist, der mit EUR
6.000.- anzusetzen ist (pro Songtext), natürlich
zuzüglich des Honorars für das Schreiben dieses
Briefes. Das beträgt dann etwa noch einmal die
Hälfte der "Schadenssumme".
-
- Als mir vor drei Jahren
etwas Vergleichbares passiert ist, war es noch billig
(der dessen Namen ich nicht nenne, hat sicherlich seine
Hälfte gerne eingesteckt). Nun ist das Thema wieder
aktuell: der Spiegel berichtete kurz darüber, es gab
wieder Mails und Anrufe und Interviews und - endlich!!!!
- soll morgen Ministerin Zypries eine Gesetzesvorlage
vorstellen, nach der Abmahnungen bei einer Höhe von
EUR 50.- für Erstfälle gedeckelt werden
sollen... es herrscht Erleichterung im Internet und
offenbar Entsetzen bei den Anwälten, denn nun
muß der Porsche länger halten und wer
weiß, ob er nicht schon heimlich in China
hergestellt wird. Man ist versucht, an den alten Spruch
der DDR zu denken "Stasi in die Produktion", war es nicht
so ähnlich? Vielleicht kommen wir doch noch an
amerikanischen Verhältnissen vorbei, wo eine
Verbrühung mit heißem Kaffee bei Mäckes
Millionen gebracht hat?
-
- Jedenfalls wünsche
ich meinen Schülern, daß sie nicht Anwalt
werden müssen, sondern einen richtigen Beruf
erlernen können, der ihnen Spaß macht, nicht
unbedingt börsenkompatibel aber anwaltssicher ist -
schließlich muß ich sie so fit machen,
daß sie mal meine Pension bezahlen könne, wenn
ich sie denn mit achtzig antrete.
-
- Venceremos!
-
- Martin Schlu
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