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- Dresden im Frühlingswinter
Text und Fotos: © Martin
Schlu 2013 / Schlußredaktion 1. April 2013, letzte Ergänzung/Änderung am 30. April 2018
Allgemeine Hinweise - Dresden 2024 - Register
- 1985
studierte ich noch und hatte als Musiker die Möglichkeit nach Dresden
zu kommen. Es war damals etwas ganz Besonderes, denn diese Stadt war
politisch gesehen „Feindesland“, gehörte zur DDR und wir lernten in der
Schule über die Gegend östlich von Helmstedt (da lag damals der
Grenzübergang in das unbekannte Land) nichts, außer dem Namen „Deutsche
Demokratische Republik“ und wußten, daß das früher mal zu einem
Deutschland gehört hatte, mit dem wir nichts mehr zu tun hatten. Freunde von
uns hatten uns eine Einladung besorgt, Familien organisiert, wo wir
übernachten konnten, doch trotzdem war eine Reise nach Dresden damals
ein Abenteuer, das hier nicht beschrieben werden soll. Ich erinnere
mich aber, daß ich ziemlich fassungslos vor den Trümmern einer riesigen
eingestürzten Kirche stand, die seit dem Bombenangriff im Februar 1945
so geblieben war....
- Mittlerweile
ist die DDR untergegangen, meine Kinder, die im Jahr der
Wiedervereinigung geboren wurden, sind längst erwachsen, die
Frauenkirche ist wieder neu aufgebaut und nun ist endlich Zeit eine
Stadt kennenzulernen, über die ich soviel gelesen habe und so wenig
drüber weiß. Die Flüge haben wir schon fast ein Jahr vorher gebucht,
damit alles bezahlbar bleibt und Ende März ist eine schöne Zeit, um im
frühlingshaften Dresden herumzulaufen - dachten wir.
- Samstag
- Das
Taxi steht früh um fünf vor der Tür, die Maschine soll eigentlich um
6:15 starten, doch Germanwings hat Probleme mit dem Catering (offenbar
ist die Milch sauer geworden) und darum startet die Maschine erst um
halb acht. Unfaßbar - wir hätten alle lieber auf den Kaffee verzichtet,
wenn der Flug pünktlich gestartet wäre. Auch der Kapitän ist genervt
und als er den Wetterbericht für Dresden durchgibt, fallen wir fast vom
Stuhl: minus elf Grad und starker Ostwind. Mit dem Frühling an der Elbe
wird nischt. Zum Glück hat das Hotel schon das Zimmer frei, wir stellen
das Gepäck ab und, weil das Hotel sehr zentral liegt, kaufen wir im
gerade geöffneten C&A die letzten unfaßbar häßlichen Mützen für drei
Euro - die Frühlings- und Sommersachen hängen draußen unbeachtet auf
den Bügeln und frieren allmählich bretthart ein.
Dresdner Skyline von der Marienbrücke aus gesehen: von links: Frauenkirchen, Akademie der Künste, Hofkirche, Rathausturm, Schloßturm
- Frauenkirche
- Der
erste Weg führt natürlich zum Neumarkt an, um und in die Frauenkirche.
Von vorne sieht man schwarze Sprenkel, das sind die originalen Steine,
die beim Wiederaufbau verwendet werden konnten. Von hinten gibt es
einen Teil, der schwarz ist, dieser Teil blieb beim Einsturz stehen und
zeigt die Grundfarbe der alten Kirchen. Vernünftige Bilder kann man
nicht machen, denn entweder steht man vor dem Gebäude und kriegt sie
nicht drauf oder man geht weiter weg und nimmt dafür Bauzäune in Kauf.
Es ist wie bei dem Kölner Dom, der hat auch noch nie in einen
Fotoapperat gepaßt. Man kann auch auf die Kuppel gehen, aber da es
schon auf der Straße gehörig durch die Kleidung pfeift, werden wir uns
nicht noch mehr dem Ostwind aussetzen - ab morgen soll es wärmer
werden.
Die Frauenkirche vom Neumarkt aus.
- In der Kirche ist es muckelig warm. Wir setzen uns erst einmal in eine Bank und
gucken die verschiedenen Emporen an. Man kann sich schon vorstellen,
daß etliche tausend Menschen in die Kirche passen und beim Herausgehen
fällt mir ein Plakat auf, bei dem für die Matthäuspassion in dieser
Kirche geworben wird. Da sind gleich mehrere Besonderheiten dabei: Der
ehemalige DDR-Startrompeter Ludwig Güttler dirigiert Bachs Spitzenwerk in der Frauenkirche, deren Wiederaufbau er jahrzehntelang erbettelt und betrieben hat und Bachs Matthäuspassion wiederum ist nicht denkbar ohne die Kompositionen Heinrich Schütz'
, der unter dieser Kirche begraben wurde (über das Grab wird noch an anderer Stelle berichtet). Übrigens kann man die
Matthäuspassion von heute bis Karfreitag jeden Tag in einer anderen Kirche hören
- in Dresden wird mit Kultur ganz offensichtlich nicht gekleckert. Konzertprogramm
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- Brühl'sche Terassen
- Danach
laufen wir in Richtung Elbe und kommen über die sogenannten
„Brühl'schen Terassen“, die ihren Namen von dem Bauherren haben, der
die alte, nutzlos gewordene Festung an der Elbe zum Palais umbauen
ließ. Also wollte er auf die Festungsmauer eine Terasse und als
später die Terasse für die Bevölkerung geöffnet werden sollte, kamen
noch ein paar Treppen dazu, über die das gemeine Volk nun hinauf und
hinunter lustwandelt. Es ist eine schöne Promenade, von der man aus
einen guten
Blick auf die Elbe hat. Weiter unten liegt der Raddampfer „Meißen“,
dampft vor sich hin und als wir später eine ohrenbetäubend laute
Dampfsirene hören, wissen wir, daß er nun losfährt.
Vergleichsmöglichkeiten habe ich, denn ich habe lange Jahre am Rhein
gewohnt und konnte vom Balkon aus den baugleichen Raddampfer „Goethe“
hören, der immer viertel vor sechs vorbeikam - vermutlich ist er längst
verschrottet.... Am Ende der Terassen läuft man wieder auf eine
schwarze Kirche zu, es ist die Hofkirche.
Hofkirche und Schloßturm von den Brühler Terassen aus - rechts, hinter dem Denkmal die Semper-Oper.
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- Hofkirche
- Die
Hofkirche wurde nötig, nachdem August der Starke, August
II. (1670-1733), außer dem Titel des sächsischen Kurfürsten auch noch
1697 polnischer König wurde und daher katholisch werden mußte. Sein Sohn, August III. (1696-1763) ließ diese Kirche von
1739 bis 1755 im aktuellen Stil bauen. Heute ist sie einerseits
katholische Pfarrkirche der Stadt
Dresden, andererseits Kathedral- und Bistumskirche des Bistums
Dresden/Meißen. Die Personalunion von sächsischem Kurfürst, Großherzog
von Litauen und
polnischem König endete erst 1763 mit dem Tod Augusts III. Heute war
der Altar noch verhüllt - erst ab Ostern ist er wieder zu sehen.
Der verhüllte Altar der Hofkirche
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- Dresdner Zwinger
- Den
Zwinger hatte ich 1985 ebenfalls schon mal angesehen. Damals war er
fast vollkommen verfallen (die DDR hatte mit Feudalarchitektur
bekanntermaßen ja nichts am Hut), lediglich das mathematische Museum
war zu besichtigen, weil die Volksgenossen ja in Naturwissenschaften
fit sein mußten und ich meine, ich hätte damals 25 Pfennig (Ost)
bezahlt, eine ganz komische Alumünze.... Heute kann man überall
herumlaufen, es wird auch viel gebaut und restauriert, aber den Verfall
vom Krieg bis zur Wende kann man nicht in zwanzig Jahren reparieren und
so wird heute immer noch gearbeitet. Manches ist fast fertig, anderes
muß vorbildlich restauriert sein, aber die mathematische Sammlung ist
bis April geschlossen, so daß ich sie jetzt nicht sehen werde.
Jedenfalls ist der Zwinger voll mit Touristen. Japaner erkennt man
daran, daß sie alle mit weißen Kopfhörern verstöpselt sind, der
Reiseleiter in ein drahtloses Mikrofon mit Antenne spricht und das
Signal per Funk in die Kopfhörer kommt. Russische und polnische
Reiseleiter machen es auf die alte Art und brüllen ihre
Erklärungen in die Gegend. Gemessen an der Lautstärke haben die Russen
die Mehrheit.
Der Dresdner Zwinger im Ausschnitt. Man erkennt, daß diese Gebäudeteile als Orangerie dienten.
- Man
kann fast überall herumlaufen und das wird auch getan. Es ist zwar
biestig kalt, aber es gibt ein paar Wärmezonen, an denen man sich
aufwärmen kann, die Bereiche zwischen den Trakten haben eine Art
Schleusenfunktion, sind geheizt und da halte auch ich meine Hände an die
warmen Heizkörper und taue sie und mich wieder auf. Nur die steinernen
leichtbekleideten Damen am Nymphenbrunnen bleiben ganz ungerührt, sie
lässen die tiefen Temperaturen im wahrsten Sinne des Wortes kalt. nach oben - zum Register
- Albertinum
- Nach einer guten Stunde draußen wird es allmählich „arsch kalt“ (wie man im Rheinland sagt) und wir wollen in ein Museum. Das Albertinum
bietet sich an, denn es liegt in der Nähe und vor allen Dingen hat es
eine Ausstellung, die ich so noch nicht gesehen habe: 200 Jahre Malerei
der ganz großen Künstler unter dem Aspekt: „Was ist das Neue an der
Sichtweise“ . Die Maler sind vom Feinsten: Caspar David Friedrich
und das norwegische Gegenstück Johan Christian Dahl, zu sehen sind
außerdem Eugène Delacroix, Francisco de Goya, Paul Cézanne, Adolph
Menzel, Édouard Manét, Max Slevogt (der hat fast einen eigenen Raum),
Max Liebermann, Otto Dix, Ernst-Ludwig Kirchner, Mark Rothko, Gerhard
Richter und viele, viele andere. Man bekommt einen exquisiten Überblick
von Delacroix bis Richter, von den Vorstufen des Impressionismus bis
zur aktuellen Moderne. Allein dafür würde sich die Reise nach Dresden
schon lohnen und die FASZ hat am letzten Sonntag sehr kompetent und
positiv über die Ausstellung geschrieben. Wer kann, sollte hingehen.
Galerie Neue Meister im Albertinum, Georg-Treu-Platz, 01067 Dresden
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- Kreuzkirche
- Nach
einer Mittagspause im Restaurant fühlen wir uns wieder fit, ein bißchen
zu frieren und fangen bei der Kreuzkirche an. Diese Kirche hatte ich
als sehr grau in Erinnerung - protestantisch eben. Von außen hat sie
das typische Schwarz der Jahrhunderte, innen ist sie dennoch sehr
freundlich gehalten. Als kleine Sternstunde am Rande probt ein
studentisches Ensemble, das um 17:00 Uhr Pergolesis “Stabat Mater“
aufführen wird. Wir hören eine viertel Stunde zu und sind beeindruckt.
Daß wir in den nächsten Tagen dort ein Konzert besuchen werden, ist
sehr wahrscheinlich - immerhin ist die Kreuzkirche seit 800 Jahren
die Probenheimat des Dresdner Kreuzchores und aus vielen Chorkindern
werden Profis - wenn auch nur in den wenigsten Fällen Prinzen. - Programmseite
Ohrenweide: Die Musikstudenten proben Pergolesis „Stabat Mater“
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- Sonntag
- Augustusbrücke
- Nach
dem gestrigen Tage ist zwar Ausschlafen angesagt, so daß wir erst um
zehn Uhr losziehen und das Morgenlicht für Aufnahmen von der
Augustusbrücke aus nutzen. Von der Brücke aus hat man um diese Zeit
nämlich das Licht so stehen, daß Terassen und Hofkirche angestrahlt
werden. Schon auf dem Weg über die Prager Straße und den Altmarkt fiel
uns laute Musik auf und es gab kaum Verkehr. Des Rätsels Lösung zeigt
sich an der Straße unterhalb der Terasse: Die Straße ist für den
Verkehr gesperrt und ständig kommen irgendwelche Läufer herangetrabt.
Das ist bei den Temperaturen auch kein Spaß, denn heute nacht waren es
minus 17 Grad und es ist immer noch deutlich unter Null. Wir gehen
Richtung Neustadt und sehen in der Ferne die Marienbrücke. Es scheint
eine Eisenbahnbrücke zu sein, doch später werden wir sehen, daß es zwei
Brücken sind: fünf Gleise auf der Bahnbrücke und vier Spuren auf der
Brücke für die Autos.
- Gottesdienst in der Frauenkirche
- Nachdem
die Bilder im Kasten sind, gehen wir wieder in die Altstadt und sind
kurz vor elf an der Frauenkirche. Wir gehen hinein, bekommen das
Programm für den Gottesdienst und werden auf die dritte Empore
bugsiert, denn die Kirche ist ziemlich voll. Kaum sitzen wir, beginnt
ein leises Choralvorspiel der Orgel
(Johann Ludwig Krebs, „O König, dessen Majestät...“) und beim
Eingangslied hören wir den Gesang sehr laut, die Orgel aber überhaupt
nicht. Später bestätigt uns ein kirchlicher Mitarbeiter, daß der
Organist bei den Chorälen natürlich im Tutti gespielt hat, aber die
Kirche ist einfach so riesig, daß selbst diese Orgel mit ihren 77
Registern einfach zu klein ist (das viel kleinere Bonner
Münster hat eine fast gleichgroße Orgel). Das merkt man auch bei
der Mozart-Messe (Missa longa, KV 262), die zum Palmsonntag heute
aufgeführt wird. Das Orchestertutti ist ein schönes mezzopiano und wenn
die Solisten singen, muß man den Atem anhalten um sie zu hören. Viele
Jugendlichen und ihre Eltern um uns herum stört das bißchen Musik
nicht. Sie kauen Kaugummi, unterhalten sich mit dem Nachbarn und halten
nur die Klappe, wenn der Pfarrer liest oder predigt - was ja auch schon
positiv auffällt. Während des Vaterunsers fällt auf, daß Jugendliche
herauswollen, aber sie werden von den Türwächtern erst später
herausgelassen. Als
der Pfarrer bei den Abkündigungen alle Besucher zur Gemeinde erklärt
und um Spenden bittet, ist der Sachverhalt klar: Es gibt zu dieser
Kirche einfach keine feste Gemeinde und die Besucher, die hingehen,
sind Touristen wie wir mit allen Unarten, die man sich anerzieht.
Später bestätigen noch mehr Leute, daß das heute ein toller
Gottesdienst gewesen sei, denn sie haben schon Burger essende
Amerikaner erlebt, telefonierende Japaner und jede Menge Jugendliche,
die auf ihren Smartphones surfen - alles während des
Gottesdienstes. Da ist in der Erziehung wohl noch viel zu tun. In südlichen Ländern halte ich mich ja auch an dort bestehende Regeln und gehe nicht in Shorts in einen Dom. Immerhin bleiben fast alle beim Orgelnachspiel sitzen (Mendelssohn, Fuge d-moll, op.73) und das ist ja nun auch etwas.
Trotzdem muß man sich klarmachen, daß dieses Gebäude als Kirche wieder
aufgebaut wurde und nicht als Baudenkmal. Als wir herausgehen, ist die
Schlange der Touristen, die diese Kirche besichtigen wollen, auf etwa 150
Meter Länge angewachsen - fast wie am Markusdom in Venedig.
- Für
Kenner sei gesagt, daß die Mozart-Messe auf historischen Instrumenten
in der alten Dresdner Stimmung gespielt wurde (434 Hertz).
Etwa die Hälfte der Kirche ist zu sehen, nach oben kommen noch zwei weitere Emporen, insgesamt gibt es über 1.800 Plätze.
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- Frostspaziergang
- Natürlich ist es noch kein Frühling, auch wenn wir seit einer Woche kalendarisch wärmer frieren. Wenn die Sonne durchkommt,
ist es für Augenblicke zwar gemütlich, doch der Ostwind macht alles wieder frieriger. Auf
dem Weg über die brühlschen Terassen fallen mir zwei Mädchen auf,
die sich eine Decke auf den Boden legen und ein Bad in der spärlichen
Sonne genießen. Hoffentlich holen sie sich nicht den Pips. Die
Cafétische und -stühle auf der Terasse halten eher eine Art
Frühlingswinterschlaf und selbst, wenn es zu Ostern wieder wärmer sein
sollte, kommt das Dresdner Elbflorenz für uns ein bißchen zu spät -
aber es sieht schön aus.
Da hilft selbst ein Heizstrahler nicht, hier bleibt der Kaffee noch lange kalt.
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- Yenidze
- Am
linken Elbeufer steht eine Art Gebäude mit Kuppeldach und zwei spitzen
Türmen, ähnlich zwei Minaretten. Nun ist das eben keine Moschee,
sondern eine ehemalige Zigarettenfabrik, die im Jugendstilzeitalter im
„Moschee-Stil“ gebaut wurde. Weil die Zigarettenmarke „Yenidze“ hieß,
wurde dieser Markenname in großen Lettern auf den Turm geschrieben und
im Volksmund hieß das Gebäude von Stund an „Tabakmoschee“. 1924 wurde
die Marke und das Gebäude an Reemtsma verkauft, ab 1953 war es im
Besitz der DDR, Näheres mag man bei Wikipedia nachlesen.
- Der
Großteil des Gebäudes wird heute büromäßig genutzt. Hinter den Fenstern
der Kuppel verbirgt sich ein Restaurant und über dem Restaurant werden
regelmäßig Märchen vorgelesen und Literaturevents veranstaltet. Das
Restaurant bietet nicht die kulinarische Spitze, sondern es wird eher
solide gekocht, aber dafür hat man eine schöne Aussicht über Dresden,
wenn man an der richtgen Stelle sitzt. Wenn man Pech hat, guckt man nur
auf die Eisenbahnbrücke oder auf die Neubauviertel, die aussehen, als
ob der Plattenbau fröhliche Urständ gefeiert hat. Nein, auch Dresden
ist nicht überall schön und daß man von der Tabakmoschee kein
vernünftiges Bild machen kann, liegt an den Drähten vor dem Gebäude,
ohne die eine Straßenbahn einfach nicht fährt. Immobilienhaie nennen so
etwas „zentrale Lage“.
- Den
Rückweg nehmen wir über die Marienbrücke und gehen auf der anderen
Elbeseite bis zur Augustusbrücke und duch das Schloß geradeaus bis zur
Prager Straße und zum Hotel. nach oben - zum Register
- Montag
- Meißen
Dresden
geht nicht ohne Umland und alle, denen wir erzählten, daß wir nach
Dresden fahren, meinten, dann müßten wir auch nach Meißen. Da auch wir
aus dieser Stadt Porzellan im Schrank haben, das auch wir wegen der
Kinder nie benutzt haben, wurde der Montag für Porzellangucken reserviert. Die Meissen-Manufaktur besuchen wir also auf jeden Fall, den Dom auch und dann werden wir weiter sehen.
- Ab
dem Hauptbahnhof fährt halbstündig die S-Bahn ab Gleis 19. Das Ticket
geht über drei Zonen und kostet € 5,60.- für die einfache Fahrt. Nach
gut vierzig Minuten ist man in Meißen und nun hört der Bahnverkehr auf,
weil nicht nur der Zug dort endet, sondern auch das Gleis, denn der
Bahnhof wird umgebaut. Wie die Meißener in die andere Richtung (außer
Dresden) kommen, ist mir auch nicht klar, aber das ist heute nicht mein
Problem. Wir laufen also einige hundert Meter über die Baustellen und
kommen irgendwann an die Elbe und auf der anderen Seite hat man das
schöne Panorama von Stadt, Burg und Dom.
Diese Ansicht hat man nur am Vormittag, wenn man am Nachmittag zurückkommt, hat man Gegenlicht.
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- Meissner Porzellan
- Meißen
ist in der Mehrzahl der Häuser offensichtlich unzerstört gewesen, dazu
gibt es einfach zu viele guterhaltene Häuser aus den letzten
Jahrhunderten. Weil wir Zeit haben, bummeln wir über den Marktplatz und
finden irgendwann Hinweise auf die Porzellanmanufaktur. Meissner
kommt aus Meißen - vielleicht ist das eine frühe Rechtscheibreform
gewesen, denn die Stadt schrieb sich schon immer mit "eszett“.
- Nach
wenigen Minuten stehen wir vor einem riesigen Kasten, hinter dem sich
alles verbergen soll. Die nächste Führung soll auch gleich stattfinden
und so stöbern wir noch durch die danebenliegenden Läden und staunen
über eine Halskette zum Preis von € 45.000.- oder eine unbeschreiblich
kitschige Monstervase, die € 90.000.- kosten soll - wie gut, daß wir
das Kleingeld zu Hause gelassen haben. Aber wahrscheinlich gibt es
russische oder chinesische Banker, die das schön finden und auch
bezahlen können.
- Nun
quetschen wir uns mit etwa dreißig anderen Personen in einen Raum, in
dem zunächst ein Film die Porzellanherstellung erklärt. Danach wird die
Gruppe in den Nachbarraum komplimentiert, in dem ein Mitarbeiter aus
einer Porzellanwurst erst einen Knubbel und dann eine Tasse formt. Im
nächsten Raum wird die Glasur erklärt, im dritten Raum geht es um
Malerei und die Besucherführungen sind hocheffizient und vermutlich
mehr als kostendeckend. Auf jeden Fall ist es interessant zu sehen,
wieviel Handarbeit in jedem Stück steckt.
Alles freihändig gemalt - Fehler kann man nicht korrigieren, weil die Farbe sofort in das Porzellan einzieht
- Porzellan
kostet Geld, das war klar. Wieviel einem das wert ist, muß man
allerdings selbst wissen. Wenn man überlegt, was eine Tasse im
Stückpreis von € 150.- tatsächlich wert ist, kommt man zwangsläufig
dahin, daß das nur etwas für DINKS ist (double income, no kids), weil
man sich vermutlich ärgern würde, wenn die lieben Kleinen das teure
Zwiebelmuster auf den Boden schmeißen (eigentlich sind es Granatäpfel,
aber der Name ist älter als die botanische Erkenntnis). Ich hatte
zwar mit dem Gedanken gespielt, mir einen Kaffeebecher zuzulegen, aber
ich trinke am liebsten aus einem holländischen Pott, den ich mal für
einen Euro gekriegt habe - ursprünglich waren es zwei, aber einer ist
zersemmelt und es war kein Drama. Wenn man bei ebay schaut, findet man
dieses Porzellan erheblich billiger, weil gerade viel vererbt
wird, dadurch ist viel auf dem Markt und da fallen die Preise. Von Rosentahl
gibt es auch schöne Sachen und und unser Meissner wird auch noch lange
im Schrank bleiben...
- Trotzdem
gucken wir uns die guten Stücke auch an. Im angeschlossenen Museum
findet man künstlerisch und finanziell absolut hochklassigen Kitsch,
bei dem ich das Gefühl nicht loswerde, daß diese Stücke eine Art
Männerspielzeug waren, wie heute ein Porsche oder Ferrari. Da gibt es
eine Affenkapelle, erotische Darstellungen, Kunstobjekte, die alle
möglichen Länder darstellen sollen und natürlich Geschirr bis zum
Abwinken. Highlights sind ein Prunkservice aus 2200 Teilen für den
Dresdner Kurfürst und eine Tischdekoration für einen anderen
Kurfürsten, August den Starken (das ist der, der für die polnische Krone
katholisch wurde und 300 Kinder gezeugt hat). Auch hier gilt: nichts
für Kinder und Normalverdiener - aber es sieht toll aus, wenn der Tisch
so gedeckt ist.
- Nichts für den Hausgebrauch, aber es sieht schön aus und die anderen 2180 Teile muß man sich denken.
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- Meißener Dom
- Nach
so viel zerbrechlicher Kunst soll jetzt etwas angeschaut werden, was
die Jahrhunderte locker wegsteckt. Der Dom liegt oberhalb der Altstadt
und so muß man schon ordentlich Treppen steigen, bis man auf dem
Plateau ist, durch das Burgtor geht und auf dem Domplatz steht. Dort
liegt noch Schnee und man hat einen schönen Blick über Meißen bis zur
Elbe. Der Eingang erfolgt durch den Kreuzgang. Der liegt auch ganz
malerisch im Schnee und strahlt eine gewisse Einsamkeit aus. Viele
Touristen verirren sich heute nicht hierhin - es ist einfach zu kalt und
der Ostwind pfeift ganz erbärmlich durch die angeblich polartaugliche
Jacke.
Es gibt ein ähnliches Bild von Caspar David Friedrich - wahrscheinlich kannte er den Meißener Kreuzgang.
- Kaum
ist man im Dom, ist die Kälte vorbei, obwohl die Kirche nicht geheizt ist.
Gotische Kathedralen kann man auch nicht heizen, weil sich die warme
Luft unter dem Dach sammelt und den Besuchern nichts nützt. Im Dom ist
es fast menschenleer, im Kirchenschiff sind außer uns nur zwei
Personen. Hinter dem Altar öffnet sich ein zweiter Kirchenraum,
ebenfalls mit Bänken und einem eigenen Altar, vor dem ein Kreuz auf dem
Boden liegt. Nägel liegen bereit und Kinder kauern auf dem kalten
Boden, schreiben ihre Wünsche und Hoffnungen auf Zettel und nageln die
Zettel an das Kreuz. Damit die Kinder nicht gestört werden,
schaue ich mir die Krypta an, in der die wichtigen Wettiner Fürsten
liegen (die Herrscher vor August dem Starken). Alles dort flößt Respekt
und Macht ein. Der Wettiner Stammvater hat einen Steinplatz, der einen
halben Meter höher liegt, so daß man die Inschrift um die gegossene
Ritterdarstellung nicht richtig lesen kann und die späteren Herrscher
haben nur eine gemauerte Bodenfassung. Ich vermute, daß man die
einfachen Ritter und Kirchenleute weit vor der Kirche verbuddelt hat.
Die schönen Plätze sind ja schon seit Jahrhunderten belegt, der Platz
an Erde hier oben ist knapp und Urnengräber sind eine neuere Erfindung.
- Im
Kapitelsaal herrscht eine gewisse Heimeligkeit. Am Fenster weisen die
Cranach-Portraits von Luther und Melanchthon (1581, Lukas Cranach der
Jüngere) auf den frühen Protestantismus in Sachsen hin, eine
aufgeschlagene Lutherbibel liegt unter Glas und durch die Butzenscheiben
kann man die Stadt weit unten im Tal erkennen. In einer Vitrine hängen
die Festtalare der Prediger. Zu jedem gibt es ein Namensschild auf dem
Bügel und die ganze Sache sieht so aus, als ob die Kapitelmitglieder
gleich reinkommen und einen Gottesdienst haben wollen. Auf dem Rückweg
lese ich die Zettel, die am Kreuz hängen. Eine Frau wünscht sich
Gesundheit für ihren Mann, ein Vater bittet um einen guten
Schulabschluß für seine Tochter und in Kinderschrift steht: „Lieber
Gott, mach, daß Bayern Meister wird!" Auch so etwas kann eine
Herzenswunsch sein.
- Der
Abstieg geht langsamer als vorhin - die ganze Treppe ist vereist und
man muß wirklich aufpassen. Auf dem Marktplatz wollte ich zwar noch zu
einer Geigenbauwerkstatt und fragen, woran man eine sächsische Geige
gegenüber einem Mittenwalder Exemplar erkennt, aber es ist jetzt
einfach zu kalt und meine Frau protestiert gegen einen noch längeren
Aufenthalt im Freien. Die Fischbude an der Ecke des Marktes ist die
Offenbarung: es ist warm drinnen, es duftet nach Fisch, es ist preiswert und schmeckt toll. Für alle Fälle nehmen wir noch
Fischbrötchen mit ins Hotel und weil die Luft als Kühlschrank ganz
gut funktioniert, wird auch nichts schlecht. Zwei Stunden später im Hotel wärmen wir
uns auf und essen ein sehr kaltes Fischbrötchen.
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- Dienstag
Kinderfries am Schütz-Haus - Nach
dem ersten Überblick geht es heute um Details. Die Googelei um Heinrich
Schütz ergab, daß in Dresden kaum noch Spuren von ihm übrig sind, aber
eine gibt es, in der Frauengasse 14, Ecke Neumarkt.
Oben: Canalettos Darstellung des Neumarktes.
Unten: Das mit einem roten Pfeil markierte Eckhaus gegenüber der Frauenkirche, das Schütz 1629 kaufte.
- In diesem Haus hat
Schütz von
1629 bis 1657 gewohnt. Er kam 1629 mit in Cremona gekauften Instrumenten aus
Italien zurück, genoß bei Kurfürst Johann Georg hohes Ansehen und
konnte das Haus irgendwie finanzieren. Es liegt nahe dem Schloß und
gegenüber der Kirche und für
einen effektiv arbeitenden Kirchen- und Hofmusiker hatte es eine ideale
Lage. Dieses Haus wurde um 1535 gebaut und bekam einen runden Erker, der von dem Dresdner Bildhauer Christoph Walther I. mit einem Kinderfries verziert wurde. Dieser
Fries wurde bei Umbauten neu verwendet, überstand etliche Kriege, wurde
nach der Dresdner Bombardierung 1945 aus den Trümmern gezogen,
verbrachte etliche Jahre an einem ganz anderen Gebäude und ist im Zuge
der Wiederherstellung von Frauenkirche und Neumarkt wieder dorthin
zurückgekehrt, wo er Jahrhunderte hing. Mehr von Schütz
Das Schützhaus mit dem Rund-Erker, an dem der Fries mit Unterbrechungen seit fast 500 Jahren hängt.
Detailausschnitt der spielenden Kinder, der gesamte Fries ist hier nicht darstellbar.
-
|
Das
Schütz-Haus ist heute ein Seniorenheim, und als ich vor der Haustür
stehe, geht diese auf, zwei Senioren kommen heraus und für ein paar
Sekunden sehe ich ein mindestens zweieinhalb Meter großes Bild von
Schütz - das Christoph Spetners.
Klammer auf: (Schütz hat dieses Haus 1657
verkauft und ist mit seiner Schwester wieder nach Weißenfels gezogen.
Möglich war dies nur, weil Kurfürst Johann Georg gestorben war, Schütz
endlich pensioniert wurde und noch ein paar Jahre ohne
Dienstverpflichtung leben konnte. Der Sohn des Kurfürsten, Johann Georg
II. stellte ihm sogar eine Pension aus. Immerhin war Schütz zu diesem
Zeitpunkt 72 Jahre alt.) Klammer zu.
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- Neustadt
- Nachdem
wir in den letzten Tagen viel Zeit in der historischen Altstadt
verbracht haben, wollen wir uns nun in der Neustadt etwas umtun. Sie
beginnt direkt am anderen Elbufer hinter der Augustusbrücke. Die
gerade Linie von Prager Straße, Seestraße, Schloßstraße und Brücke wird
in der Neustadt mit der Hauptstraße fortgesetzt. Nachdem der dort
liegende Stadtteil 1732 abbrannte, plante Kurfürst August II. („der
Starke“, der mit den 300 Kindern) den Wiederaufbau als neue
Königsstadt. Breite Straßen und symmetrische Sichtachsen sollten her,
eine Kirche wurde verlegt und nachdem alles fertig war, stellte man an
der Hauptachse den Kurfürsten mit Pferd auf einen Sockel, wo er heute
noch hartvergoldet auf seine Schöpfung herabblickt.
Neu vergoldet wird der starke August auch die nächsten Jahrhunderte überstehen.
- Wenn
man die Hauptstraße hinaufgeht, fällt schon auf, daß es eine
Prachtstraße ist, ähnliche Dimensionen kennt man aus Berlin, Wien oder
München. Dort sind die Straßenränder aber meistens von den
entsprechenden Häusern gesäumt, hier jedoch nicht. Drei Häuser schienen
mir älter als 150 Jahre: Das „Kügelgenhaus“
in der Hauptstraße 14, um 1700 gebaut, ein anderes Haus, das ich
momentan nicht einordnen kann und die Dreikönigskirche, die ene
ähnliche Geschichte hinter sich hat, wie die Frauenkirche: oft
zerstört, wieder aufgebaut, abgebrannt usw. Zwischendurch hat sie auch
mal den Standort gewechselt, steht aber nun wieder an ihrem historischen Ort.
- Totentanzfries an der Dreikönigskirche
Christoph
Walther I. begründete mit Söhnen, Enkeln und Urenkeln eine ganze
Dynastie Dresdner Bildhauer und eine zweite Arbeit von ihm findet sich
in der Dreikönigskirche. Unterhalb der Orgel ist der „Totentanzfries“ angebracht. Diese Arbeit ist noch etwas diffiziler ausgeführt als der “Kinderfries“ und wirkt in ihrem Zeitgeist schon gruselig und sehr barock: „Du bist nur da, um zu sterben...“
Der gesamte Totentanzfries ist ca. 16 Meter lang und besteht aus vielen
einzelnen Personen. Hier ist der erste und der letzte Teil dargestellt.
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- Erich Kästner und die Neustadt
- Am
Ende der Hauptstraße geht die B6 quer und links liegt das
Erich-Kästner-Haus. Ich überlege einen Augenblick, ob ich es wirklich
sehen will, erinnere mich aber an die Jahre zurückliegende anwaltliche Auseinandersetzung
mit Kästners Sohn und lasse das Haus darum links liegen. Zur Sicherheit
lasse ich es auch rechts liegen, als ich wieder zurückkomme. Eine Sache
sei erwähnt: im „Emil“ beschreibt Kästner eine Szene, bei der der
„Wachtmeister“ (Polizist um 1910) in den Friseursalon der Mutter kommt
und Emil ein schlechtes Gewissen hat, weil er ein Denkmal beschmiert
hat. Nach Kenntnis der Sachlage kann damit eigentlich nur der goldene
August gemeint sein - andere Denkmäler stehen hier nicht herum (das
verunglückte Schiller-Denkmal, das den Dichter im griechischen Outfit
zeigt, lasse ich mal aus). Sonst sieht die Neustadt aus wie so viele
andere Städte auch und darum bleibt es bei diesem Besuch, nur zum
Bahnhof müssen wir noch.
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-
- Meißner Porzellan im Neustädter Bahnhof
- Der
Neustädter Bahnhof hat nämlich eine Besonderheit, die wohl kein anderer
Bahnhof vorweisen kann und zwar ist eine Stirnwand der Bahnhofshalle
mit Meissner Porzellan geschmückt. Das Porzellanbild zeigt die
Sehenswürdigkeiten des Dresdner Umlandes und hat eine Ausdehnung von
ca. 20 x 10 Metern. Je nach Lichteinfall ist es nicht zu fotografieren,
so daß man sich auf Ausschnitte beschränken muß. Außerdem ist im Bahnhof eine Fotoausstellung mit mehr oder weniger guten Fotos zu sehen.
- Die einzenen Details zeigen Burgen und Schlösser von Dresden und der Umgebung.
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- Da wir für Donnerstag Karten für die Oper haben, beim schnellen Zusammenpacken aber vergessen wurde, etwas Seriöses einzupacken,
kaufen wir uns noch zum Preis eines Meissner Kaffeebechers jeder ein
bis zwei schwarze Teile. Dann muß ich mich am Donnerstag nicht mit
angeschmutzer Jeans und dunkelblauem ausgebeulten Fleecepulli
vorwurfsvollen Blicken der höheren Society aussetzen und wenn diese
Teile hinfallen, gehen sie auch nicht kaputt.
- Mittwoch
Kurfürstliches Schloß: Historisches Grüne Gewölbe
Der
eigentliche Grund für den Schloßbesuch war das „grüne Gewölbe“ und das
war schon bei der Recherche so überlaufen, daß wir einen Besuchstermin
zugewiesen bekamen, obwohl es davon zwei gibt („historisches Grünes
Gewölbe“ und „Neues Grüne Gewölbe“). Nun ist es halb elf, wir wollen
hinein und man bedeutet uns, erst zur Garderobe gehen zu müssen um
alles loszuwerden, was wir tragen. Dort stehen bereits ein paar hundert
Leute, die wohl auch um halb elf ihren Termin haben und warten darauf,
daß die Garderobenfrauen den Überblick behalten und sie ihre Jacken
loswerden. Ohne Jacke geht es draußen immer noch nicht, denn wir haben
immer noch fünf Grad unter Null. Es gibt zwar Spinde (gegen einen Euro
Pfand), aber die sind natürlich längst belegt. Trotzdem geschieht ein
kleines Wunder, denn ein Vater mit kleinem Sohn steuert zielgerichtet
die Spinde an, ich spreche ihn an, werde sein Spindnachfolger und spare
geschätzt eine Viertelstunde Wartezeit. Meine Kameratasche nehme ich
mit, werde aber an der nächsten Kontrolle angepfiffen und muß sie
wieder zurückbringen. Anschließend kommt eine weitere
Sicherheitskontrolle und danach steht man vor einer Schleuse, die immer
nur zwei Leute auf einmal einläßt. Warum?
- Der
Grund ist einleuchtend: hier liegen Millionen- wenn nicht gar
Milliardenwerte. Es gibt sechs Zimmer im historischen Grünen Gewölbe
und das hört sich ein bißchen so an wie Andersens Beschreibung der
verschiedenen Schatzkammern, in die der Soldat mit dem Feuerzeug
gelangt: Die erste Kammer heißt „Elfenbeinkammer“ und enthält Hunderte
von Elfenbeinschnitzereien: Kleine Männchen, große Männchen, erotische
Figuren mit blankpoliertem Hintern, Bierhumpen, aus denen man nicht
trinken kann, weil sie so kunstvoll beschnitzt wurden, daß man
sie nicht spülen sollte, Zeug, was kein Mensch braucht, das aber immens
wertvoll ist. Ein typisches Ausstellungsstück ist etwa einen Meter hoch
und hat einen Sockel aus Elfenbein, der einen Elfenbein-Neptun trägt,
der - seine Elfenbeingabel in der Hand - ein Schiff aus Elfenbein
trägt, das eine Flagge aus Elfenbein trägt, die das kurfürstliche
Zeichen hat... etwa so muß man sich das vorstellen. Fotografieren ist
nicht gestattet und hat auch keinen Sinn, weil es so voll ist, daß man
sich beim Elfenbeingucken auf die Füße tritt. Fast alle haben einen
Audioguide in der Hand und halten ihn angestrengt ans Ohr und darum
quakt auch keiner rein. Selbst kleinere Kinder hören hingebungsvoll den
kunsthistorisch bedeutsamen Texten zu, obwohl sie bestimmt nicht
wissen, wovon die Rede ist, aber weil das alle tun, tun sie es eben
auch.
- Der
nächste Raum enthält die Silbersachen, der dritte Raum die vergoldeten
Silbersachen, der vierte zeigt Glasschätze, der fünfte Raum ist voll von
Edelsteinen und edelsteinbesetztem Zeugs, was ebenfalls kein Mensch
braucht. August der Starke, der das alles zusammengekauft hat, mußte ja ein
Wettprotzen gegen Friedrich den Großen machen, denn August wurde 1697
zum König von Polen gekrönt und mußte zeigen wie reich und mächtig er
war und Friedrich zog seine Königserhebung
1701 in Königsberg genauso durch - vermutlich sind die Gold-, Silber,
Edlestein- und Elfenbeinpreise in diesen Jahren stark angezogen. Beim
Begucken der Sammelfiguren aus Elfenbein, den Nachbauten eines
chinesischen Hofs aus Gold, Silber und Edlestein drängt sich der
Gedanke auf, daß das im Prinzip Playmobil für Kurfürsten ist: teuer,
nutzlos und unverkäuflich. Man stelle sich vor, das Geld wäre in
Infrastruktur oder Bildung investiert worden... Irgendwie kann man den
DDR-Ansatz über feudalistische Verdammung nachvollziehen, wenn man vor
diesem finanziellen Irrsinn steht - die Meissner Vase für € 90.000.-
ist dagegen ja Trinkgeld. Link zur Ausstellung.
Übrigens ist der größte Teil der Silber- und Goldsachen während des
Siebenjährigen Krieges eingeschmolzen worden, weil man ja Kanonen
bezahlen mußte, aber es ist ähnlich wie in Rom. Da hat Karl der V.
irgendwann die Stadt überfallen, weil er sich über den Papst geärgert
hat und an dem Tag
sind 90% der Kunstschätze über den Jordan gegangen - man stelle sich
die Sachen einfach neunmal mehr vor und ahnt, wo das von den Untertanen gezahlte Steuergeld
geblieben ist.
- Nach
einer guten Stunde sind wir durch und schließen mit den
Bronzesammlungen ab. Ein kleiner Grinseeffekt stellt sich bei einer
nackten Bronzefrau ein, die in deutsch übertitelt ist mit „Negerin aus
Bronze“ und - politisch korrekt - im Englischen mit „Black Woman“
übersetzt wird. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Hinter diesen Gittern schlummern dreistellige Millionen - wenn nich Milliardenwerte - allerdings absolut unverkäuflich.
- Nach
dem Historischen Grünen Gewölbe sehen wir modernere Protzkunst des 18.
Jahrhunderts, besondere Edelsteine und in weiteren Etagen
zusammengekaufte türkische Zelte, türkische Waffen und aufs Neue drängt
sich der Playmobil-Vergleich auf. Von unseren Kindern stehen auch noch
Pyramiden, Ritterburgen etc. im Keller - Krempel, der nicht mehr
gebraucht wird, aber mal einen Haufen Geld gekostet hat.
Musikinstrumente stehen da nicht - vielleicht hatte August der Starke
mit Musik nichts am Hut, aber es gab im Umfeld etlich tolle Musiker,
die für den Preis einer oder zwei Elfenbein- oder Silberfiguren eine
Lebensstellung hätten haben können und vermutlich eine Menge anderer kulturell
bedeutsamer Dinge geschaffen hätten. So sind sie - ohne kurfürstliche Stelle - verarmt oder
verbittert gestorben, wie z.B. Johann Hermann Schein. In Venedig wäre das nicht passiert.
- Nach
gut zwei Stunden kurfürstlichem Playmobil verkneifen wir uns den
Riesensaal, das Münz- und das Kupferstichkabinett, denn nach ein paar
tausend Kunstgegenständen braucht man einfach mal eine Pause. Den Tee
nehmen wir stilvoll im Glockenturm des Zwinger - dort gibt es ein
beheiztes Café und das Gebimmel auf Glocken aus Meissner Porzellan gibt
es jede viertel Stunde umsonst. Das Porzellanmuseum mit - nach
Katalogbeschreibung - der größten Sammlung der Welt ersparen wir uns
aber heute, denn wir sind ja noch länger da. nach oben - zum Register
- Gemäldegalerie „Alte Meister“ im Zwinger
- Die
Ausstellung „Alte Meister“ ist eine Dauerausstellung, die einige Wochen
geschlossen war, aber heute wieder eröffnet wurde. Um zehn Uhr
standen bereits einige hundert Besuchern an und trotzten dem Wind, der
durch die Gänge des Zwingers fegte. Nach einer ausgiebigen Pause fühlen
wir uns aufgewärmt und stark genug, eine halbe Stunde Wartezeit
durchzustehen, aber es dauert gar nicht so lange. Alle paar Minuten geht
die Tür auf, dann marschiert eine Schulklasse oder Reisegruppe hinaus
und dann dürfen wieder etwa 30 Leute hinein und so sind wir nach knapp
20 Minuten drin. Vorwiegend wird russisch gesprochen und man bekommt
einen kleinen Vorgeschmack auf die Eremitage in St. Petersburg (da
müssen wir auch mal hin).
- Vorab:
Auch wer noch nichts in Dresden kennt, sollte alleine wegen dieser
Ausstellung hinkommen (das ist dann schon der zweite Reisegrund). Was
hier zu sehen ist, sieht man in dieser Form nicht in der Alten
Pinakothek (München) oder der Albertina (Wien), denn die Kuratoren
haben die Werke für die Ausstellung in einen ganz neuen Zusammenhang
gesetzt. Man kann hier Entwicklungen vergleichen und die Entwicklung
von Künstlern sehen, wie ich es so noch nicht gekannt habe. Es fängt
mit der italienischen Renaissance an (Botticelli, Raffael), zeigt die
deutsche Entwicklung (Dürer, Cranach I und II, Holbein I und II),
springt ins 17. Jahrhundert nach Italien (Canaletto, Tintoretto,
Tizian), nach Holland (Hals, Rembrandt) , Deutschkand (Rubens) und ist
für jemanden, der schon etwas gesehen hat, ein künstlerisches Nirwana. Wer noch
nicht so viel gesehen hat, bekommt hier einen umfassenden Überblick.
Übrigens sind die Dresden-Bilder von Canaletto eine Offenbarung, wenn
man sich ein bißchen in Dresden auskennt. In Venedig kann man sich heute
noch mit Canalettos Bildern zurechtfinden, in Dresden ist es
zwar schwieriger, aber möglich. An Canalettos Neumarkt-Bild (ca. 2,50 lang) kann man
das Schütz-Haus im Detail erkennen, auch wenn es heute anders aussieht.
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- Unterkirche der Frauenkirche
Bisher hatten wir es nicht geschafft in der Frauenkirche eine Spur von Heinrich Schütz zu finden. Der einzige
Hinweis auf den Komponisten ist eine ca. 3 Meter lange Messingblende
zwischen Eingang und Sitzrund - man muß ein bißchen suchen. Am
Nachmittag ist in der Kirche aber weniger los und wir steigen in
die sogenannte “Unterkirche“, den Teil, der nach Enttrümmerung und
Beginn des Wiederaufbaus zuerst fertig war und geweiht wurde. Während
des Aufbaus der Kirche diente er zum Gottesdienst. Eine
Dauerausstellung zeigt wichtige Stationen des Aufbaus und in einer
Seitenkammer finden sich Grabsteine und Inschriften, die aus dem alten
Frauenkirchenfriedhof stammen, der zugunsten des Bähr'schen Neubaus im
18. Jahrhundert eingeebnet wurde. Schütz und sein Grabstein sind nicht dabei,
vermutlich wurden sie weggeräumt oder sie wurden am 15. Februar 1945
pulverisiert, als die Kuppel der Kirche nach den Bombenangriffen
einstürzte. Allerdings gibt es einen Grabstein aus dieser Zeit, der
vermutlich mit dem vergleichbar ist, den Schütz bekommen hat:
Typisch ist die Schmuckschrift und man kann nur Fragmente entziffern: 1664, den x13x Octobris.. ... gebracht.. etc.
- Mehr
scheint von Schütz in Dresden nicht mehr auffindbar zu sein: ein wieder
aufgebautes Haus, eine Messingtafel und ein Grabstein des alten
Frauenkirchenfrieshofs. Antonio Vivaldi ging es später auch nicht
besser: dessen Wiener Grab wurde weggeräumt, als die Universität mehr
Platz und ein neues Gebäude brauchte (Wien, Nähe Karlskirche).
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- Gründonnerstag
Stadtmuseum Dresden (Wilsdruffer Str. 2, Nähe Frauenkirche)
Eine
Stadt, die auf sich hält, hat ein Stadtmuseum und Dresden hat auch
eins. Los geht es im vierten Stock mit mittelalterlicher Geschichte und
die ausgestellten Computeranimationen und Stadtmodelle zeigen eine
Entwicklung, nach der sich Dresden immer wieder neu erfinden mußte.
Gesellschaftliche Veränderungen, Stadtbrände, neue Regierungen, alles
hat die Baugeschichte verändert. Interessant ist die Geschichte der
Sophienkirche: im Mittelalter von Benediktinermönchen gegründet,
später erweitert, als es so viele Mönche wurden, ein paarmal umgebaut,
vergrößert und angepaßt. Irgendwann wurde der Bau eine Kirche, in der es
schick
wurde, sich nach dem Tod dort bestatten zu lassen und noch später wurde
sie eine Volkskirche. Dann - in der DDR - wurden die am 13. Februar
1945 zerstörten Reste plattgemacht. Die
Doppeltürme fielen der Planungsidee des großen Vorsitzenden Walter
Ulbricht zum Opfer , der mit dem alten Schutt nichts anfangen konnte
und so ist das älteste mittelalterliche Bauwerk der
Stadt seit den 1960er Jahren verschwunden.
- Interessant
sind auch Statistiken des 19. Jht, aus denen hervorgeht, daß man mit 65
Mark (Reichsmark) einen Monat auskommen konnte/mußte und Handwerkszeug,
eine Uhr und ein Vogelbauer zu den Wertgegenständen gerechnet wurde.
Eine fünfköpfige Familie dieser Statistik lebte in zwei Zimmern und nahm drei zahlende
„Schlafgänger“ bei sich auf, damit alle überleben konnte - das mag
man sich auch nicht mehr so gerne vorstellen. Die Fotos vom 13. Februar
1945 (die Brandnacht, die jeder Dresdner so als Datum gespeichert hat,
wie die New Yorker den 11. September), zeigen ein Vorher und ein
Nachher, wie es so weder Köln noch Hamburg erlebt haben (Bilder dazu).
- Der Ausstellungsteil zur DDR-Vergangenheit erschien mir etwas geschönt,
aber ich habe die DDR auch nur als temporärer Besucher ein paarmal
mitbekommen. nach oben - zum Register
- Semperoper - Vorstellung
Der Abend schließt mit einer fulminanten Vorstellung von Verdis
„Rigoletto“ in der Inszenierung von Nikolaus Lehnhof und dies ist
einfach toll. So viele Ideen der Inszenierung habe ich lange nicht mehr
gesehen und da diese Produktion auf DVD erschienen ist, habe ich sie
noch im Hotel bestellt. In der Oper spielt größtenteils eine andere
Besetzung als auf der DVD, der GMD leitet auch nicht selber, aber die
Sänger sind klasse (Markus Marquardt als Rigoletto, Oleysa Golovneva
als Gilda und Giorgio Berrugi als Herzog tragen die Hauptlast, sind
auch wirklich gut und kriegen den größten Beifall). Anders als die
Kritik des Deutschlandradio von 2008, als diese Inszenierung Premiere
hatte, bin ich der Meinung, daß die Orgie, mit der diese Oper nun mal
beginnt, hervorragend in Bilder umgesetzt wurde - es hat sehr viel vom
italienisch/venezianischen Karneval. Vogelmasken korrespondieren mit
schwarzen Anzügen, das Bühnenbild glänzt vor Schwärze und die Dekadenz
der Feudalgesellschaft ist hautnah zu greifen. So macht Oper Spaß. Eine
regelrechte Kritik gibt es hier nicht - dafür gibt es
Musikwissenschaftler, die damit ihr Geld verdienen - hier sind zwei
brauchbare: ein Verriß und eine Lobeshymne.
- nach oben - zum Register
Karfreitag
Frauenkirche - Gottesdienst
Der Altmarkt im Schnee - es ist ja erst Ende März.
- In
der Nacht hat starker Schneefall eingesetzt (Ende März) und so stapfen
wir beim Besuch des Karfreitagsgottesdienstes durch den Schnee, der
Wind pfeift erbärmlich über den Vorplatz und es stehen eine halbe
Stunde vor dem Einlaß schon etwa hundert Personen an, die in der
Frauenkirche den Gottesdienst besuchen wollen. Bei Beginn sind
vielleicht 500 Gemeindemitglieder da, aber die Kirche ist damit
natürlich nicht voll. Anders als am Sonntag ist die Musik hier auf den
Organisten beschränkt, der ein bißchen Kummer macht, weil er die
Choräle so durchheizt, daß man kaum Zeit zum Luftholen hat und die
Choralvorspiele irgendwie durchpfuscht, aber nicht musikalisch
gestaltet, obwohl seine Vita ihn als absoluten Fachmann ausweist. Nein,
heute hat er keinen guten Tag, nur am Ende kriegt er sich wieder ein
und spielt eine schöne Improvisation im französisch-romantischen Stil.
Dafür ist die Predigt gut - man kann nicht alles haben und die
Geschichte der Frauenkirche
ist eine Auferstehung für sich. Trotzdem - die Orgel ist für diese
Kirche zu klein, obwohl sie wunderschön klingt (für Fachleute: sie hat
ausgesprochen „katholische“ Klänge wie z. B. die Cavalle-Coll Orgeln
der französischen Romantik, aber sie hat auch die Silbermann-Sounds,
die man für einen Bach braucht). Näheres bei Wikipedia
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Semperoper - Führung
- Die
Oper kann man auch besichtigen und das wollen wir nach der gestrigen
Aufführung zumindest nachholen. Die Kartenvergabe der Besichtigung
erschien im Internet ein wenig undurchsichtig und so haben wir uns
einfach angestellt, weil da schon eine Gruppe stand. Nach kurzer Zeit
werden wir als Gruppe eingelassen, zur Kasse geführt und danach geht
die Führung los. Unser Gruppenführer ist ein etwa siebzig Jahre alter
Mann, gebürtiger Dresdner, der - wie man heute sagt - als „Zeitzeuge“
ziemlich genau erklärt, warum die Dresdner, kaum daß sie die
Bombardierung überlebt hatten, bis 1947 1,5 Millionen Mark für den
Wiederaufbau der Oper gesammelt hatten. Noch so ein Auferstehungswunder
wie die Frauenkirche, aber daß diese Oper zur Weltspitze gehört, haben
wir ja gestern gesehen. Wir werden durch die gesamte Oper geführt, nur
nicht nicht hinter den Vorhang, weil dort alles schon für die
Vorstellung in vier Stunden aufgebaut ist. Im direkten Vergleich mit
der Scala-Führung im Februar nehmen wir bei der Semper-Führung mehr mit und es ist weniger Nepp im Spiel.
- Die Semperoper hat vier Ränge - ähnlich wie die Mailänder „Scala“ und die venezianische “Fenice“, aber man sieht von außen sofort, daß es eine Oper ist.
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Zwinger - Porzellanmuseum - Da
wir noch knapp drei Stunden Zeit haben, schließen wir den Dresden-Besuch
mit dem Porzellanmuseum ab. Was sich auf den ersten Blick anhört, wie
eine Prüllsammlung von Geschirr, das von der Oma liegengeblieben ist,
entpuppt sich als - nach Angaben der Ausstellung - „größte Porzellansammlung der Welt“.
Ich kann es nicht bestätigen, aber wir haben etliche tausend Stücke
gesehen, vieles unter Glas, vieles scheinbar zum Greifen nahe. Ab und
zu geht eine ohrenbetäubend laute Alarmanlage los, dann ist ein
Besucher den Stücken zu nahe gekommen und konnte seine Finger nicht bei
sich behalten. Nichts von dem, was zu sehen ist, ist bezahlbar oder zum
Benutzen gedacht, aber alles wurde angeschafft um andere Adlige zu
beeindrucken. In einer kleinen Vitrine sehen wir Geschirr vom Kölner
Erzbischof, das wir aus dem Brühler Schloß kennen. Es sind Teller mit
aufgemalten Käfern und anderen Insekten, die so aussehen, als ob sie
gleich loskrabbeln würden - offensichtlich eine Spaßidee von Clemens
August, dem Kölner Erzbischof, dem unserer Gegend so viele Schlösser
und Touristenattraktionen verdankt. Beide haben ihr Geld bis zum Ende
mit vollen Händen ausgegeben: Clemens August für ein Dutzend Schlösser
mit Einrichtung, August der Starke für ein Schloß voller
Sammlungsgegenstände. Heute kann man nicht mehr sovel Geld ausgeben, außer bei
Bahnstrecken (ICE), Bahnhöfen (Stuttgart). Flughäfen (Berlin), Kongreßcentren (Bonn), Rennstrecken (Nürburgring)
und Philharmonien (Hamburg).
- Draußen schneit es noch immer. Auf zum Flughafen.
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- _______________________
- Allgemeine Tips Lage - Unterkunft - Essen gehen - Einkaufen - nach oben - zum Register
-
- Vorab:
Dresden ist zu schön, als daß man sich durch die Pegida abschrecken
lassen sollte. Vielleicht sollte man gegenwärtig (2016/2017) aber nicht
am Montag abend in der Innenstadt spazieren gehen.
Lage
Die
Orientierung in der Dresdener Innenstadt ist sehr einfach: Vom Bahnhof
geht eine Achse durch die Prager Straße, die See- und Schloßstraße,
über die Augustusbrücke in die Neustadt über die Hauptstraße bis zur B6
(links davon liegt dann der Bahnhof Neustadt). Die Elbe umfließt
Dresden in einem langen U von Osten nach Süden, Westen und Norden.
Sie wird im Zentrum von vier Brücken gequert, der Marienbrücke
(Messegelände), der Augustusbrücke (historische Altstadt zur Neustadt),
der Carolabrücke (Pirnaische Vorstadt zum Regierungsviertel) und
der Albertbrücke (da geht es allmählich in die östlichen Außenbezirke).
Innerhalb der vier Brücken kann man sich faktisch nicht verlaufen, weil
man immer wieder entweder zwischen den Bahnhöfen oder der Alt- oder
Neustadt herauskommt. Von da aus findet man immer wieder in die
Altstadt - man kann die Türme auch oft sehen und weiß dann die
Richtung. Der zentrale Platz ist die Querung der Prager Straße mit dem
Dr. Külz-Ring. Hier fahren fast alle Linien ab.
- Unterkunft
- Wenn man ein Hotel
will, sollte es beim ersten Mal zwischen Augustusbrücke (klassische Altstadt)
oder Marienbrücke (Yenidze) liegen, dann ist alles fußläufig erreichbar. Wer in deser Lage übernachtet, kann nichts falsch machen,
denn durch die große Konkurrenz sind die Preise billiger als in vielen anderen Städten. Wir
haben bei früher Buchung in einem Markenhotel für eine Woche knapp € 450.- bezahlt, hatten ein opulentes
Frühstücksbufett und außerdem statt einem Doppelzimmer ein
2-Zimmer-Appartement, weil wir schon morgens um neun eincheckten und
das geplante Zimmer noch nicht frei war.
- Wer
sich aber nur auf die Internetbeschreibung des Hotels verläßt ohne zu
gucken, wo es wirklich liegt, landet evtl. in einem Hotel mit dem
Zusatz „Altstadt“, das kilometerweit von dieser entfernt liegt. Richtung
Bahnhof ist es billiger und häßlicher, Richtung Elbe wird es entsprechend teurer.
Die Neustadt auf dem anderen Elbeufer ist auch schon wieder billiger.
Ferienwohnungen macht man vorher über das Internet. Google
Map ist also Pflicht.
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Kultur
- Dresden
ist immer Kulturstadt gewesen, seit es im 12. Jahrhundert ein
Handelsplatz geworden war. Die Mönche haben gesungen und Choralschulen
gegründet (wie vor über 800 Jahren den Kreuzchor), sie haben Spenden
entgegen genommen und dafür ihre Gönner auf christlichem Grund
bestattet. Die Kaufleute haben mit ihren Überschüssen Kirchen und deren
Ausstattung unterstützt und brauchten Maler für ihre Portraits und die
Kurfürsten hatten seit der Renaissance immer Musiker angestellt und
veranstalteten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Privatkonzerte. Alle
wichtigen Musiker haben hier gespielt - allen voran Heinrich Schütz,
der den größten Teil seines Lebens in Dresden verbrachte und auf dem
Friedhof der alten Frauenkirche begraben wurde.
- Clara Wieck war oft in Dresden: mit elf Jahren (1830) spielte sie ein Konzert vor dem König von Sachsen, später, als sie in Robert Schumann verliebt war, mit sechzehn (1836) und mit achtzehn (1838) und auch 1843,
als sie längst mit Robert Schumann verheiratet war. 1844 zog das Ehepaar
nach Dresden und wohnte in der damaligen Waisenhausstr. 7 (heute
ist da das Maredo am Altmarkt), später in der Inselstraße 18. Robert
gründete 1848 die
Dresdner Liedertafel und sorgte mit seinem Freund Ferdinand Hiller
dafür, daß Männerchor und Knabenchor eine neue Blüte in Dresden
erlebten. Carl Maria von Weber machte mit der ersten deutschen Oper,
dem „Freischütz“, an der Semper-Oper Furore, Richard Wagner setzte sich
bei der Revolution für ein neues Deutschand ein, wurde steckbrieflich
gesucht und versteckte sich bei Mathilde Wesendonck. Richard Strauß
hatte hier die meisten Opernpremieren und die Sächsische Staatskapelle
unter (z.Zt.) Christian Thielemann feiert heute internationale Erfolge
- und das ist nur ein kleiner Teil der Musikkultur. Die Semper-Oper zählt heute international ebenfalls internationalen Opernspitze und in der Malerei hat Dresden mit der Albertina und der Gemäldegalerie der Alten Meister zwei Sammlungen von Weltruf.
- Was
die Baugeschichte betrifft, ist immer noch viel da, obwohl der weitaus
größte Teil am 13./14. Februar 1945 von amerikanischen Bomberverbänden
zerstört wurde. Dresden hat auch eine weitere Zerstörung unter der
DDR-Zeit durchmachen müssen (Radikalentrümmerung um Rathaus und Prager
Straße), doch was seit dem Mauerfall wieder aufgebaut und restauriert
wurde und wird, ist eine Spitzenleistung der Restauratoren und ihrer
Finanziers - allen voran der Wiederaufbau der von Bähr geschaffenen
Frauenkirche, wegen der sich bereits eine Reise nach Dresden lohnt.
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- Essen gehen
- Wir haben folgende Restaurants ausprobiert:
- in Dresden:
- Maredo an der Frauenkirche und am Altmarkt-Center
- Essen
auch für Allergiker möglich, der Service war gut, die Toiletten sehr
sauber. Bei ersterem war der Ausblick auf die Kirche sehr schön, beim
zweiten ist man nicht weit davon entfernt, wo Robert und Clara Schumann
gewohnt haben (auch wenn man da nichts mehr sieht). Dafür rechnet man
pro
Person etwa € 25.- bis 30.-
- Yenidze an der Marienbrücke:
- Solide
Hausmannskost. Man gab sich Mühe, das Preisniveau ist nicht hoch und
der Service war gut. Pro Person ißt man für ca. 18.- und es schmeckt.
- in Meißen:
- Fischimbiß Heinrich am Meißener Markt
- Sensationell
guter Fisch und leckere Fischbrötchen. Wir haben für knapp 10.-
gegessen, es schmeckte sehr gut und der Service war klasse. Wenn
man Fisch mag, muß man nicht woanders hingehen.
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- Einkaufen
- Die
Prager Straße ist die Verbindung zwischen dem Hauptbahnhof und der
Altstadt,
wurde bei der Bombardierung komplett zerstört und bereits zu DDR-Zeiten
als
Hotel- und Einkaufsmeile angelegt.
- Ab
dem Bahnhof gibt es bereits Geschäfte, ab der Hotelmeile werden es
erheblich mehr und wenn man am Starbucks-Café die vier Treppenstufen überschritten hat
und Richtung Altstadt geht (Bahnhof im Rücken und
immer geradeaus), ist man im
Einkaufsviertel. In den Einkaufszenten bis zum Altmarkt-Center gibt es
alles, was das Marken- und Einkaufsherz höher schlagen
läßt (außer Musikinstrumenten), außerdem Kinos und massenweise Restaurants mit Touristenmenüs.
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- ______________________________
- Literatur
- Reiseführer
- Eckhard Bahr: Dresden. Hrsgg. von Detlev von Oppeln und Bernd Schwenkros, Trescher-Verlag, Berlin 2012/2, ISBN 978-3-89794-214-1
- Monographien
- Kurfürst Moritz und die Renaissance. Hrgg. vom Dresdner Geschichtsverein e.V., Reihe: Dresdner Hefte, Nr. 52, 4/1997, Dresden 1997, ISBN 3-910055-42-7
- Gemäldegalerie Alte Meister, Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2006, ISBN 978-3-422-06545-1
- Kreuzkirche Dresden. Kunstführer Nr. 2415, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2007/5 , ISBN 978-3-
- Dorothée Baganz: Das historische Dresden. Michael Imhoff Verlag, Petersberg 2013/3, ISBN 978-3-86568-090-7
Robert Schumann in Dresden. Hrgg. vom Dresdner Geschichtsverein e.V., Reihe: Dresdner Hefte, Nr. 102, 2/2010, Dresden 2010, ISBN 3-910055-99-0 - Andreas Friedrich/Jörg Schöner: Die Frauenkirche. Michael Sandstein-Verlag, Dresden 2005, ISBN 3-937602-48-1
- Sachsen und Preußen. Geschichte eines Dualismus. Hrgg. vom Dresdner Geschichtsverein e.V., Reihe: Dresdner Hefte, Nr. 110, 2/2012, Dresden 2012, ISBN 978-3-944019-00-0
- Richard Wagner in Dresden. Hrgg. vom Dresdner Geschichtsverein e.V., Reihe: Dresdner Hefte, Nr. 112, 4/2012, Dresden 2012, ISBN 978-3-944019-01-7
- Dresden-Krimi
- Christine Sylvester: Barocke Engel, Karl-Verlag, Dresden 2005
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- ______________________________
- Register
- Albertinum - Allgemeines - Augustusbrücke - Brühl'sche Terassen - Frauenkirche - Palmsonntagsgottesdienst - Unterkirche - Karfreitagsgottesdienst - Frühlingstemperaturen - Hofkirche - Kästner-Museum - Kinderfries - Kreuzkirche - Kultur - Lage der Stadt - Literatur - Meißen - Meissner Porzellan - Porzellan im Bahnhof - Meißener Dom - Neustadt - Semperoper - Führung durch die Oper - Schloß mit den Abteilungen - Stadtmuseum - Totentanzfries - Unterkunft - Yenidze - Zwinger allgemein -
- Zwinger/Gemäldegalerie „Alte Meister“ - Zwinger - Porzellanmuseum
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- Text und Fotos: © Martin Schlu 2013, Stand: 30. November 2018
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