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 Frühbarock - Heinrich Schütz - Kindheit und Ausbildung 1585 - 1613


Barock
Frühbarock

Anfangsseite Schütz

Köstritz:
1585 1597 1598 1605 1609

Venedig:
1610 1611 1612

Dresden:
1613 1614 1615 1616 1617 1618

Hochzeit
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Alter und Ende
1650 - 1672

Zeittafel

Werke

Literatur

© Martin Schlu 2005 / 2006 / 23.Jan.2022
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1585
Heinrich Schütz wird vermutlich am 8. Oktober  (julianischer Kalender) bzw. am 18. Oktober (gregorianischer Kalender) in (Bad) Köstritz bei Gera geboren, denn am 9. Oktober ist dort die Taufe beurkundet.

Als Heinrich fünf ist, zieht die Familie nach Weißenfels bei Leipzig, einer größeren Stadt mit damals ca. 1800 Einwohnern. Der Vater, Christoph Schütz, übernimmt dort den Gasthof „Zum goldenen Ring“, arbeitet sich hoch und zahlt ihn bis 1613 ab. Ab 1613 nennt er den Gasthof „Zum Schützen“, wird ein geachteter Mann im Ort und später auch dreimal - jeweils ein Jahr lang - Bürgermeister. Heinrich Schütz kommt also aus guten Verhältnissen.

Claudio Monteverdi ist zu diesem Zeitpunkt bereits achtzehn Jahre alt, Giovanni Gabrieli um die dreißig Jahre und bereits Organist in San Marco in Venedig.

 
1597
Landgraf Moritz von Hessen-Kassel übernachtet anläßlich eines „convivium“ (eine Art regelmäßiges Treffen des neu gegründeten Collegiums Musicums mit viel Gesang und Musik) im „Goldenen Ring“, lernt bei den Choristen des Collegiums den zwölfjährigen Heinrich kennen und möchte ihn, weil er von dessen Gesang so beeindruckt ist, als Schüler in sein neu gegründetes Internat , das nach ihm benannte Kasseler „Mauritianium“ aufnehmen, außerdem möchte er Heinrich als Sänger in seiner Hofkapelle haben. Die Eltern beraten sich - und lehnen ab. Zu instabil erscheint ihnen Heinrichs Gesundheit und Musiker zu werden ist kein erstrebenswerter Beruf.
 
1598 1599 1600 1601 1602 1603 1604
Der Landgraf schreibt Heinrichs Eltern, er halte sein Angebot aufrecht und würde ihrem Sohn immer noch gerne ein Stipendium (einen Freiplatz) im „Mauritianium“ geben, sie möchten es sich doch noch mal anders überlegen. Diesmal ist den Eltern klar, was dieses Angebot bedeutet, außerdem ist im nahen Leipzig gerade die Pest ausgebrochen und man weiß nicht, ob sie nach Weißenfels kommen wird. Also willigen die Eltern ein und Heinrich wird von seinem Vater am 20. August nach Kassel gebracht. Dort erhält er beim Hofkapellmeister Georg Otto (Kapellmeister von 1586-1618) eine vernünftige Grundlage für seinen Beruf und entpuppt sich als ausgesprochen talentierter Schüler.
 
Die zwanzig Schüler des Mauritianums sind handverlesen: Begabte (wie Schütz oder Christoph Cornet, der später ebenfalls bei Gabrieli studieren wird), Söhne des Adels oder andere Hoffnungsträger. Zum Unterrichtskanon gehören außer den Wissenschaften Theologie, Mathematik, Musik und Naturwissenschaften noch alte und neue Sprachen, Jagdkenntnisse, Benehmen und Etikette und insgesamt eine absolut umfassende Bildung, von der Heinrich Schütz sein Leben lang profitiert hat. Zur Hofkapelle gehören dreizehn bis zwanzig Musiker und dreizehn Sänger, an Instrumente ist alles vorhanden, was es gibt, denn die Musik wird für Kirche, Theater Hoftafel und Turniere gebraucht und muß entsprechend vielseitig sein. Die Notenbibliothek der Hofkapelle ist gut sortiert: man hat nicht nur Johann Walter, Leonard Lechner oder Andrea Gabrieli und andere alte Meister, sondern auch Zeitgenössisches: Lasso, Palestrina, Haßler und Praetorius, außerdem bestehen Kontakte zu John Dowland, der immer mal wieder an europäischen Höfen auftaucht und dort eine Zeitlang bleibt.
 
Moritz von Hessen, der seit 1592 regiert, ist unter den Fürsten seiner Zeit eine Ausnahme: er spricht zwischen fünf und elf Sprachen, dichtet auf Latein, schreibt über Fragen der Theologie, der Botanik und Mathematik, veröffentlicht fünfstimmige Instrumentalmusik (die ich in meiner Posaunenchorzeit oft gespielt habe) und ist sozusagen ein Goethe des Frühbarocks. Dies hindert ihn nicht daran auch bei grausamen Hinrichtungen zuzuschauen und Urteile vollstrecken zu lassen, obwohl er begnadigen könnte. Seine Regentschaft als Kleinabsolutist dauert bis 1627, kurz vorher hat Graf Tilly mit den kaiserlichen Truppen Kassel besetzt. Erst über 250 Jahre später arbeitet dort mit  Gustav Mahler  wieder ein Komponist von Weltruhm, der am - nun - Königlichen - Schauspiel in Kassel 1883 eine Zwischenstation bei seiner Karriere einlegt, bevor er weiter zieht.
 
1605 - Seitenanfang 1606 - 1607 - 1608
Michael Praetorius kommt zu Besuch zum Kasseler Hof und trifft dort Heinrich Schütz. Praetorius, seit 1604 Herzoglich-Braunschweigischer Hofkapellmeister, ist einer der umfassendsten Theoretiker seiner Zeit, allerdings gilt er als menschlich schwierig. Nach der Begegnung mit Praetorius ist sich Schütz nicht sicher, ob er wirklich Musiker werden soll, dabei ist er es längst. Da Heinrichs Vater bereits klar ist, daß man als Musiker nur bei Hofe oder an der Kirche arbeiten kann, wird sein Sohn angehalten, nun etwas Richtiges zu studieren - wer weiß, wofür man es brauchen kann. Am 27. September schreibt Heinrich sich in Marburg für Juristerei ein, die Erlaubnis des Fürsten ("permissio") hat er schon bekommen.
 
 
1609 - Seitenanfang
Moritz von Hessen sieht Heinrichs Jura-Studium nicht so gerne, weil er einen guten Musiker verloren hat, aber er überzeugt Heinrichs Vater zum zweitenmal damit, daß er ihm anbietet, Heinrich ein Studium bei Giovanni Gabrieli an San Marco in Venedig zu finanzieren. Da Heinrich bereits die erste Ausbildung auf Hofkosten bekommen hat und noch acht Geschwister zu versorgen sind, kann der Vater nichts mehr entgegnen und Schütz darf nun bei Gabrieli studieren, einem der wichtigsten Musiker der Welt.
 
Ansicht Venedigs von der Seeseite aus: Campanile, Palazzo Ducale, Kuppel von San Marco
Ansicht Venedigs von der Seeseite aus: Campanile, Palazzo Ducale, Kuppel von San Marco, Foto. Martin Schlu 2005
 
1610 - Seitenanfang
Zu Giovanni Gabrieli, dem Organisten an San Marco in Venedig, entwickelt Schütz eine überaus freundschaftliche Beziehung. Dort lernt er auch Mogens Pedersøn (1580-1623) kennen, der Stipendiat des dänischen Königs Christians IV. ist und zu dem es lebenslange Kontakte gibt. Bei Gabrieli lernt er die Technik des mehrchörigen Satzes ("cori spezzati") und Schütz studiert insbesondere Gabrielis Kompositionen "Sacrae Symphoniae" von 1597 - später wird er einen bedeutenden Teil eigener Kompositionen unter dem Titel "Symphoniae Sacrae" zusammenfassen, drei große Sammlungen.

Schütz erlebt am 20. August die Vorstellung des Fernrohrs durch Galileo Galilei. Nach der Überzeugung Gegor-Dellins ist es undenkbar, daß der universell interessierte Schütz nicht mit Galilei zusammengetroffen ist, zumal er in die Feierlichkeiten der Präsentation zwischen San Marco und Campanile eingebunden war.
 
1611 - Seitenanfang
Als Nachweis der künstlerischen Reifeprüfung erscheint 1611 das "Primo libro di madrigali", das Erste Buch der Madrigale, eine Art Dissertation im heutigen Sinne, die Gabrieli von all seinen Schülern verlangt. Erst dieses Werk bezeichnet Schütz später als sein erstes Werk (opus 1) , alle früheren Kompositionen wurden vernichtet oder sind verschollen.
 
1612 - Seitenanfang
Als Gabrieli im August 1612 stirbt, vermacht er Schütz auf dem Totenbett einen Ring, den er von Adrian Willaert bekommen haben soll und der offenbar auf Rembrandts Schütz-Portrait zu sehen ist. Auch wenn diese Ring-Geschichte nicht unbedingt stimmen muß, zeigt es, daß Gabrieli und Schütz Freunde geworden sind. Nachdem Claudio Monteverdi Gabrielis Nachfolger an San Marco geworden ist, bleibt Schütz noch einige Monate und bricht Ende 1613 wieder nach Kassel auf.
 
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