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Biographie
Märchen-Almanach
auf das Jahr 1826
Märchen-Almanach
auf das Jahr 1827
Märchen-Almanach
auf das Jahr 1828
Rahmenhandlung
1. Teil
Die
Sage vom
Hirschgulden
Rahmenhandlung
2.Teil
Das
kalte Herz
Rahmenhandlung
3. Teil
Saids
Schicksale
Rahmehandlung
4. Teil
Die
Höhle von
Steenfoll
Rahmenhandlung
5. Teil
Das
kalte Herz II
Rahmenhandlung
letzter Teil
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Wilhelm
Hauff
Das Wirtshaus im Spessart, 1.
Teil
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Teil - 3.
Teil - 4.
Teil - 5.
Teil - Letzter
Teil )
-
- Vor vielen Jahren, als im Spessart
die Wege noch schlecht und nicht so häufig als jetzt
befahren waren, zogen zwei junge Burschen durch den Wald.
Der eine mochte achtzehn Jahre alt sein und war ein
Zirkelschmied, der andere, ein Goldarbeiter, konnte nach
seinem Aussehen kaum sechzehn Jahre haben und machte wohl
jetzt eben seine erste Reise in die Welt.
-
- Der Abend war schon heraufgekommen,
und die Schatten der riesengroßen Fichten und
Buchen verfinsterten den schmalen Weg, auf dem die beiden
wanderten. Der Zirkelschmied schritt wacker vorwärts
und pfiff ein Lied, schwatzte auch wohl zuweilen mit
Munter, seinem Hund, und schien sich nicht viel darum zu
kümmern, daß die Nacht nicht mehr fern, desto
ferner aber die nächste Herberge sei. Aber Felix,
der Goldarbeiter, sah sich oft ängstlich um. Wenn
der Wind durch die Bäume rauschte, so war es ihm,
als höre er Tritte hinter sich. Wenn das
Gesträuch am Wege hin und her wankte, sich teilte,
glaubte er Gesichter hinter den Büschen lauern zu
sehen.
-
- Der junge Goldschmied war sonst nicht
abergläubisch oder mutlos. In Würzburg, wo er
gelernt hatte, galt er unter seinen Kameraden für
einen unerschrockenen Burschen, dem das Herz am rechten
Fleck sitze; aber heute war ihm doch sonderbar zumut. Man
hatte ihm vom Spessart so mancherlei er zählt. Eine
große Räuberbande sollte dort ihr Wesen
treiben, viele Reisenden waren in den letzten Wochen
geplündert worden, ja man sprach sogar von einigen
greulichen Mordgeschichten, die vor nicht langer Zeit
dort vorgefallen seien. Da war ihn nun doch etwas bange
für sein Leben, denn sie waren ja nur zu zwei und
konnten gegen bewaffnete Räuber gar wenig
ausrichten. Oft gereute es ihn, daß er dem
Zirkelschmied gefolgt war, noch eine Station zu gehen,
statt am Eingang des Waldes über Nacht zu
bleiben.
-
- "Und wenn ich heute nacht
totgeschlagen werde und um Leben und alles komme, was ich
bei mir habe, so ist's nur deine Schuld, Zirkelschmied,
denn du hast mich in den schrecklichen Wald
hereingeschwatzt."
- "Sei kein Hasenfuß", erwiderte
der andere, "ein rechter Handwerksbursche soll eigentlich
sich gar nicht fürchten. Und was meinst du denn?
Meinst du, die Herren Räuber im Spessart werden uns
die Ehre antun, uns zu überfallen und totzuschlagen?
Warum sollten sie sich diese Mühe geben? Etwa wegen
meines Sonntagsrocks, den ich im Ranzen habe, oder wegen
des Zehrpfennigs von einem Taler? Da muß man schon
mit vieren fahren, in Gold und Seide gekleidet sein, wenn
sie es der Mühe wert finden, einen
totzuschlagen."
-
- "Halt! Hörst du nicht etwas
pfeifen im Wald?" rief Felix ängstlich.
-
- "Das war der Wind, der um die
Bäume pfeift, geh nur rasch vorwärts, lange
kann es nicht mehr dauern."
-
- "Ja, du hast gut reden wegen des
Totschlagens", fuhr der Goldarbeiter fort. "Dich fragen
sie, was du hast, durchsuchen dich und nehmen dir
allenfalls den Sonntagsrock und den Gulden und
dreißig Kreuzer. Aber mich, mich schlagen sie
gleich anfangs tot. Nur weil ich Gold und Geschmeide bei
mir führe."
-
- "Ei, warum sollten sie dich
totschlagen deswegen? Kämen jetzt vier oder
fünf dort aus dem Busch, mit geladenen Büchsen,
die sie auf uns anlegten, und fragten ganz höflich:
,Ihr Herren, was habt ihr bei euch?' und ,Machtet es euch
bequem, wir wollen's euch tragen helfen', und was
dergleichen anmutige Redensarten sind. Da wärest du
wohl kein Tor, machtest dein Ränzlein auf und
legtest die gelbe Weste, den blauen Rock, zwei Hemden und
alle Halsbänder und Armbänder und Kämme,
und was du sonst noch hast, höflich auf die Erde und
bedanktest dich fürs Leben, das sie dir
schenken."
-
- "So? Meinst du", entgegnete Felix
sehr eifrig, "den Schmuck für meine Frau Pate, die
liebe Frau Gräfin, soll ich hergeben? Eher mein
Leben; eher lass' ich mich in kleine Stücke
zerschneiden. Hat sie nicht Mutterstelle an mir vertreten
und seit meinem zehnten Jahre mich aufziehen lassen? Hat
sie nicht die Lehre für mich bezahlt und Kleider und
alles? Und jetzt, da ich sie besuchen darf und etwas
mitbringe von meiner eigenen Arbeit, das sie beim Meister
bestellt hat; jetzt, da ich ihr an dem schönen
Geschmeide zeigen könnte, was ich gelernt habe,
jetzt soll ich das alles hergeben und die gelbe Weste
dazu, die ich auch von ihr habe? Nein, lieber sterben,
als daß ich den schlechten Menschen meiner Frau
Pate Geschmeide gebe!"
-
- "Sei kein Narr!" rief der
Zirkelschmied. "Wenn sie dich totschlagen, bekommt die
Frau Gräfin den Schmuck dennoch nicht. Drum ist es
besser, du gibst ihn her und erhältst dein
Leben."
-
- Felix antwortete nicht. Die Nacht war
jetzt ganz heraufgekommen, und bei dem ungewissen Schein
des Neumonds konnte man kaum auf fünf Schritte vor
sich sehen. Er wurde immer ängstlicher, hielt sich
näher an seinem Kameraden und war mit sich uneinig,
ob er seine Reden und Beweise billigen sollte oder nicht.
Noch eine Stunde beinahe waren sie so fortgegangen, da
erblickten sie in der Ferne ein Licht. Der junge
Goldschmied meinte aber, man dürfe nicht trauen,
vielleicht könnte es ein Räuberhaus sein, aber
der Zirkelschmied belehrte ihn, daß die Räuber
ihre Häuser oder Höhlen unter der Erde haben
und dies müsse das Wirtshaus sein, das ihnen ein
Mann am Eingang des Waldes beschrieben.
-
- Es war ein langes, aber niedriges
Haus, ein Karren stand davor, und nebenan im Stalle
hörte man Pferde wiehern. Der Zirkelschmied winkte
seinen Gesellen an ein Fenster, dessen Läden
geöffnet waren. Sie konnten, wenn sie sich auf die
Zehen stellten, die Stube übersehen. Am Ofen in
einem Armstuhl schlief ein Mann, der seiner Kleidung nach
ein Fuhrmann und wohl auch der Herr des Karrens vor der
Türe sein konnte. An der andern Seite des Ofens
saßen ein Weib und ein Mädchen und spannen.
Hinter dem Tisch an der Wand saß ein Mensch, der,
ein Glas Wein vor sich, den Kopf in die Hände
gestützt hatte, so daß sie sein Gesicht nicht
sehen konnten. Der Zirkelschmied aber wollte aus seiner
Kleidung bemerken, daß es ein vornehmer Herr sein
müsse.
-
- Als sie noch auf der Lauer standen,
schlug ein Hund im Hause an. Munter, des Zirkelschmieds
Hund, antwortete, und eine Magd erschien in der Türe
und schaute nach den Fremden heraus.
-
- Man versprach, ihnen Nachtessen und
Betten geben zu können. Sie traten ein und legten
die schweren Bündel, Stock und Hut in die Ecken und
setzten sich zu dem Herrn am Tische. Dieser richtete sich
bei ihrem Gruße auf, und sie erblickten einen
feinen jungen Mann, der ihnen freundlich für ihren
Gruß dankte.
-
- "Ihr seid spät auf der Bahn",
sagte er. "Habt ihr euch nicht gefürchtet, in so
dunkler Nacht durch den Spessart zu reisen? Ich für
meinen Teil habe lieber mein Pferd in dieser Schenke
eingestellt, als daß ich nur noch eine Stunde
weiter geritten wäre."
-
- "Da habt Ihr allerdings recht gehabt,
Herr!" erwiderte der Zirkelschmied. "Der Hufschlag eines
schönen Pferdes ist Musik in den Ohren dieses
Gesindels und lockt sie auf eine Stunde weit. Aber wenn
ein paar arme Burschen wie wir durch den Wald schleichen,
Leute, welchen die Räuber eher selbst etwas schenken
könnten, da heben sie keinen Fuß
auf!"
-
- "Das ist wohl wahr", entgegnete der
Fuhrmann, der durch die Ankunft des Fremden erweckt, auch
an den Tisch getreten war: "Einem armen Mann können
sie nicht viel anhaben seines Geldes willen. Aber man hat
Beispiele, daß sie arme Leute nur aus Mordlust
niederstießen oder sie zwangen, unter die Bande zu
treten und als Räuber zu dienen."
-
- "Nun, wenn es so aussieht mit diesen
Leuten im Wald", bemerkte der junge Goldschmied, "So wird
uns wahrhaftig auch dieses Haus wenig Schutz
gewähren. Wir sind nur zu vier und mit dem
Hausknecht fünf; wenn es ihnen einfällt, zu
zehn uns zu überfallen, was können wir gegen
sie? Und überdies", setzte er leise flüsternd
hinzu, "wer steht uns dafür, daß diese
Wirtsleute ehrlich sind?"
-
- "Da hat es gute Wege", erwiderte der
Fuhrmann. "Ich kenne diese Wirtschaft seit mehr als zehn
Jahren und habe nie etwas Unrechtes darin verspürt.
Der Mann ist selten zu Hause, man sagt, er treibe
Weinhandel; die Frau aber ist eine stille Frau, die
niemand Böses will; nein, diesen tut Ihr unrecht,
Herr!"
-
- "Und doch", nahm der junge vornehme
Herr das Wort, "doch möchte ich nicht so ganz
verwerfen, was er gesagt. Erinnert euch an die
Gerüchte von jenen Leuten, die in diesem Wald auf
einmal spurlos verschwunden sind. Mehrere davon hatten
vorher gesagt, sie werden in diesem Wirtshaus
übernachten, und als man nach zwei oder drei Wochen
nichts von ihnen vernahm, ihrem Weg nachforschte und auch
hier im Wirtshaus nachfragte, da soll nun keiner gesehen
worden sein; verdächtig ist es doch."
-
- "Weiß Gott", rief der
Zirkelschmied, "da handelten wir ja vernünftiger,
wenn wir unter dem nächsten besten Baum unser
Nachtlager nehmen als hier in diesen vier Wänden, wo
an kein Entspringen zu denken ist, wenn sie einmal die
Türe besetzt haben; denn die Fenster sind
vergittert."
-
- Sie waren alle durch diese Reden
nachdenklich geworden. Es schien gar nicht
unwahrscheinlich, daß die Schenke im Wald, sei es
gezwungen oder freiwillig, im Einverständnis mit den
Räubern wäre. Die Nacht schien ihnen daher
gefährlich, denn wie manche Sage hatten sie
gehört von Wanderern, die man im Schlafe
überfallen und gemordet hatte; und sollte es auch
nicht an ihr Leben gehen, so war doch ein Teil der
Gäste in der Waldschenke von so beschränkten
Mitteln, daß ihnen ein Raub an einem Teil ihrer
Habe sehr empfindlich gewesen wäre. Sie schauten
verdrießlich und düster in ihre Gläser.
Der junge Herr wünschte auf seinem Roß durch
ein sicheres, offenes Tal zu traben, der Zirkelschmied
wünschte sich zwölf seiner handfesten
Kameraden, mit Knütteln bewaffnet, als Leibgarde,
Felix, dem Goldarbeiter, war bange, mehr um den Schmuck
seiner Wohltäterin als um sein Leben; der Fuhrmann
aber, der einige Male den Rauch seiner Pfeife
nachdenklich vor sich hingeblasen, sprach leise: "Ihr
Herren, im Schlaf wenigstens sollen sie uns nicht
überfallen. Ich für meinen Teil will, wenn nur
noch einer mit mir hält, die ganze Nacht wach
bleiben."
-
- "Das will ich auch!" - "Ich auch",
riefen die drei übrigen. "Schlafen könnte ich
doch nicht", setzte der junge Herr hinzu.
-
- "Nun, so wollen wir etwas treiben,
daß wir wach bleiben", sagte der Fuhrmann; "ich
denke, weil wir doch gerade zu vier sind, könnten
wir Karten spielen, das hält wach und vertreibt die
Zeit."
-
- "Ich spiele niemals Karten",
erwiderte der junge Herr, "Darum kann ich wenigstens
nicht mithalten."
- "Und ich kenne die Karten gar nicht",
setzte Felix hinzu.
-
- "Was können wir denn aber
anfangen, wenn wir nicht spielen?" sprach der
Zirkelschmied. "Singen? Das geht nicht und würde nur
das Gesindel herbeilocken; einander Rätsel und
Sprüche aufgeben zum Erraten? Das dauert auch nicht
lange. Wißt ihr was? Wie wäre es, wenn wir uns
etwas erzählten? Lustig oder ernsthaft, wahr oder
erdacht, es hält doch wach und vertreibt die Zeit so
gut wie Kartenspiel."
-
- "Ich bin's zufrieden, wenn ihr
anfangen wollt", sagte der junge Herr lächelnd. "Ihr
Herren vom Handwerk kommt in allen Ländern herum und
könnt schon etwas erzählen; hat doch jede Stadt
ihre eigenen Sagen und Geschichten."
- "Ja, ja, man hört manches",
erwiderte der Zirkelschmied, "dafür studieren Herren
wie ihr fleißig in den Büchern, wo gar
wundervolle Sachen geschrieben stehen; da
wüßtet Ihr noch Klügeres und
Schöneres zu erzählen als ein schlichter
Handwerksbursche wie unsereiner. Mich müßte
alles trügen, oder Ihr seid ein Student, ein
Gelehrter."
- "Ein Gelehrter nicht", lächelte
der junge Herr, "wohl aber ein Student und will in den
Ferien nach der Heimat reisen; doch was in unseren
Büchern steht, eignet sich weniger zum
Erzählen, als was ihr hie und dort gehört.
Darum hebt immer an, wenn anders diese da gerne
zuhören."
-
- "Noch höher als Kartenspiel",
erwiderte der Fuhrmann, "gilt bei mir, wenn einer eine
schöne Geschichte erzählt. Oft fahre ich auf
der Landstraße lieber im elendesten Schritt und
höre einem zu, der nebenher geht und etwas
Schönes erzählt; manchen habe ich schon im
schlechten Wetter auf den Karren genommen, unter der
Bedingung, daß er etwas erzähle, und einen
Kameraden von mir habe ich, glaube ich, nur deswegen so
lieb, weil er Geschichten weiß, die sieben Stunden
lang und länger dauern."
-
- "So geht es auch mir", setzte der
junge Goldschmied hinzu, "erzählen höre ich
für mein Leben gerne, und mein Meister in
Würzburg mußte mir die Bücher ordentlich
verbieten, daß ich nicht zu viel Geschichten las
und die Arbeit darüber vernachlässigte. Drum
gib nur etwas Schönes preis, Zirkelschmied, ich
weiß, du könntest erzählen von jetzt an,
bis es Tag wird, ehe dein Vorrat ausginge."
-
- Der Zirkelschmied trank, um sich zu
seinem Vortrag zu stärken, und hob alsdann also
an:
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Sage vom Hirschgulden
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