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Kulturgeschichte - 19. Jahrhundert


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Biographie

Märchen-Almanach
auf das Jahr 1826

Märchen-Almanach
auf das Jahr 1827

Märchen-Almanach
auf das Jahr 1828

Rahmenhandlung 1. Teil
Die Sage vom Hirschgulden
Rahmenhandlung 2.Teil
Das kalte Herz
Rahmenhandlung 3. Teil
Saids Schicksale
Rahmehandlung 4. Teil
Die Höhle von Steenfoll
Rahmenhandlung 5. Teil
Das kalte Herz II
Rahmenhandlung letzter Teil
  

Wilhelm Hauff
Das Wirtshaus im Spessart, 2. Teil

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(Rahmenhandlung 1. Teil - 2. Teil - 3. Teil - 4. Teil - 5. Teil - Letzter Teil )
 
"Das ist die Sage von dem Hirschgulden", endete der Zirkelschmied, "und wahr soll sie sein. Der Wirt von Dürrwangen, das nicht weit von den drei Schlössern liegt, hat sie meinem guten Freund erzählt, der oft als Wegweiser über die Schwäbische Alb ging und immer in Dürrwangen einkehrte."
Die Gäste gaben dem Zirkelschmied Beifall. "Was man doch nicht alles hört in der Welt", rief der Fuhrmann. "Wahrhaftig, jetzt erst freut es mich, daß wir die Zeit nicht mit Kartenspielen verderbten, so ist es wahrlich besser, und gemerkt habe ich mir die Geschichte, daß ich sie morgen meinen Kameraden erzählen kann, ohne ein Wort zu fehlen."
 
"Mir fiel da, während Ihr so erzähltet, etwas ein", sagte der Student.
"Oh, erzählet, erzählet!" baten der Zirkelschmied und Felix.
 
"Gut", antwortete jener, "ob die Reihe jetzt an mich kommt oder später, ist gleichviel; ich muß ja doch heimgeben, was ich gehört. Das, was ich erzählten will, soll sich wirklich einmal begeben haben."
Er setzte sich zurecht und wollte eben anfangen zu erzählen, als die Wirtin den Spinnrocken beiseite setzte und zu den Gästen an den Tisch trat. "Jetzt, ihr Herren, ist es Zeit, zu Bette zu gehen", sagte sie. "Es hat neun Uhr geschlagen, und morgen ist auch ein Tag."
 
"Ei, so gehe zu Bette!" rief des Student. "Setze noch eine Flasche Wein für uns hierher, und dann wollen wir dich nicht länger abhalten."
 
"Mitnichten", entgegnete sie grämlich, "solange noch Gäste in der Wirtsstube sitzen, können Wirtin und Dienstboten nicht weggehen. Und kurz und gut, ihr Herren, machet, daß ihr auf eure Kammern, kommt, mir wird die Zeit lange, und länger als neun Uhr darf in meinem Hause nicht gezecht werden."
 
"Was fällt Euch ein, Frau Wirtin?" sprach der Zirkelschmied staunend. "Was schadet es denn Euch, ob wir hier sitzen, wenn Ihr auch längst schlafet? Wir sind rechtliche Leute und werden Euch nichts wegtragen noch ohne Bezahlung fortgehen. Aber so lasse ich mir in keinem Wirtshaus ausbieten."
 
Die Frau rollte zornig die Augen: "Meint Ihr, ich werde wegen jedem Lumpen von Handwerksburschen, wegen jedem Straßenläufer, der mir zwölf Kreuzer zu verdienen gibt, meine Hausordnung ändern? Ich sag' euch jetzt zum letztenmal, daß ich den Unfug nicht leide!"
 
Noch einmal wollte der Zirkelschmied etwas entgegnen, aber der Student sah ihn bedeutend an und winkte mit den Augen den übrigen. "Gut", sprach er, "wenn es die Frau Wirtin nicht haben will, so laßt uns auf unsere Kammern gehen. Aber Lichter möchten wir gerne haben, um den Weg zu finden."
 
"Damit kann ich nicht dienen!" entgegnete sie finster. "Die andern werden schon den Weg im Dunkeln finden, und für Euch ist dies Stümpchen hier hinlänglich; mehr habe ich nicht im Hause."
 
Schweigend nahm der junge Herr das Licht und stand auf. Die andern folgten ihm, und die Handwerksburschen nahmen ihre Bündel, um sie in der Kammer bei sich niederzulegen. Sie gingen dem Studenten nach, der ihnen die Treppe hinanleuchtete.
 
Als sie oben angekommen waren, bat sie der Student, leise aufzutreten, schloß sein Zimmer auf und winkte ihnen herein. "Jetzt ist kein Zweifel mehr", sagte er, "sie will uns verraten; habt ihr nicht bemerkt, wie ängstlich sie uns zu Bette zu bringen suchte, wie sie uns alle Mittel abschnitt, wach und beisammen zu bleiben? Sie meint wahrscheinlich, wir werden uns jetzt niederlegen, und dann werde sie um so leichteres Spiel haben."
"Aber meint Ihr nicht, wir könnten noch entkommen?" fragte Felix. "Im Wald kann man doch eher auf Rettung denken als hier im Zimmer."
 
"Die Fenster sind auch hier vergittert", rief der Student, indem er vergebens versuchte, einen der Eisenstäbe des Gitters loszumachen. "Uns bleibt nur ein Ausweg , wenn wir entweichen wollen: durch die Haustür, aber ich glaube nicht, daß sie uns fortlassen werden."
 
"Es käme auf den Versuch an", sprach der Fuhrmann; "ich will einmal probieren, ob ich in den Hof kommen kann. Ist dies möglich, so kehre ich zurück und hole euch nach." Die übrigen billigten diesen Vorschlag, der Fuhrmann legte die Schuhe ab und schlich sich auf den Zehen nach der Treppe; ängstlich lauschten seine Genossen oben im Zimmer, schon war er die Hälfte der Treppe glücklich und unbemerkt hinabgestiegen; aber als er sich dort um einen Pfeiler wandte, richtete sich plötzlich eine ungeheure Dogge vor ihm in die Höhe, legte ihre Tatzen auf seine Schultern und wies ihm, gerade seinem Gesicht gegenüber, zwei Reihen langer, scharfer Zähne. Er wagte weder vor- noch rückwärts auszuweichen; denn bei der geringsten Bewegung schnappte der entsetzliche Hund nach seiner Kehle. Zugleich fing er an zu heulen und zu bellen, und alsobald erschien der Hausknecht und die Frau mit Lichtern.
 
"Wohin? Was wollt ihr?" rief die Frau.
 
"Ich habe noch etwas in meinem Karren zu holen", antwortete der Fuhrmann, am ganzen Leibe zitternd; denn als die Türe aufgegangen war, hatte er mehrere braune, verdächtige Gesichter, Männer mit Büchsen in der Hand, im Zimmer bemerkt.
 
"Das hättet Ihr alles auch vorher abmachen können", sagte die Wirtin mürrisch. "Fassan daher! Schließ die Hoftüre zu, Jakob, und leuchte dem Mann an seinen Karren." Der Hund zog seine greuliche Schnauze und seine Tatzen von der Schulter des Fuhrmanns zurück und lagerte sich wieder quer über die Treppe, der Hausknecht aber hatte das Hoftor zugeschlossen und leuchtete dem Fuhrmann. An ein Entkommen war nicht zu denken. Aber als er nachsann, was er denn eigentlich aus dem Karren holen sollte, fiel ihm ein Pfund Wachslichter ein, die er in die nächste Stadt überbringen sollte. "Das Stümpchen Licht oben kann kaum noch eine Viertelstunde dauern", sagte er zu sich, "und Licht müssen wir dennoch haben!" Er nahm also zwei Wachskerzen aus dem Wagen, verbarg sie in die Ärmel und holte dann zum Schein seinen Mantel aus dem Karren, womit er sich, wie er dem Hausknecht sagte, heute nacht bedecken wolle.
 
Glücklich kam er wieder auf dem Zimmer an. Er erzählte von dem großen Hund, der als Wache an der Treppe liege, von den Männern, die er flüchtig gesehen, von allen Anstalten, die man gemacht, um sich ihrer zu versichern, und schloß damit, daß er seufzend sagte: "Wir werden diese Nacht nicht überleben."
"Das glaube ich nicht", erwiderte der Student, "für so töricht kann ich diese Leute nicht halten, daß sie wegen des geringen Vorteils, den sie von uns hätten, vier Menschen ans Leben gehen sollten. Aber verteidigen dürfen wir uns nicht. Ich für meinen Teil werde wohl am meisten verlieren: Mein Pferd ist schon in ihren Händen, es kostete mich fünfzig Dukaten noch vor vier Wochen; meine Börse, meine Kleider gebe ich willig hin; denn mein Leben ist mir am Ende doch lieber als alles dies."
 
"Ihr habt gut reden", erwiderte der Fuhrmann, "solche Sachen, wie Ihr sie verlieren könnt, ersetzt Ihr Euch leicht wieder; aber ich bin der Bote von Aschaffenburg und habe allerlei Güter auf meinem Karren, und im Stall zwei schöne Rosse, meinen einzigen Reichtum."
 
"Ich kann unmöglich glauben, daß sie Euch etwas zuleide tun werden", bemerkte der Goldschmied. "Einen Boten zu berauben würde schon viel Geschrei und Lärmen ins Land machen. Aber dafür bin ich auch, was der Herr dort sagt; lieber will ich gleich alles hergeben, was ich habe, und mit einem Eid versprechen, nichts zu sagen, ja niemals zu klagen, als mich gegen Leute, die Büchsen und Pistolen haben, um meine geringe Habe zu wehren."
Der Fuhrmann hatte während dieser Reden seine Wachskerzen hervorgezogen. Er klebte sie auf den Tisch und zündete sich an. "So laßt uns in Gottes Namen erwarten, was über uns kommen wird", sprach er; "wir wollen uns wieder zusammen niedersetzen und durch Sprechen den Schlaf abhalten."
 
"Das wollen wir", antwortete der Student. "Und weil vorhin die Reihe an mir stehengeblieben war, will ich euch etwas erzählen."
 
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