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Kulturgeschichte - 19. Jahrhundert - Das Dreikaiserjahr 1888


19. Jahrhundert

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Der Betriebsunfall
1949
Doppelter Neustart

Literatur

 

Preußen
1888 - Friedrich III. und Wilhelm II.
erstellt von © Martin Schlu - Stand: 17. Februar 2009

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1890 - 1894 - 1900 - 1908 - 1911 - 1914 - Kaiser im 20. Jahrundert
 
1888 - Geburt Kaiser Wilhelm II.
Dieses Jahr geht als "Drei-Kaiser-Jahr" in die deutsche Geschichte ein. Zuerst stirbt der fast 91 Jahr alte Kaiser Wilhelm I. von allen wegen seiner Popularität betrauert. Er wird im alten Schinkel-Dom aufgebahrt, in dieser Zeit von William Pape gemalt und am 16. März im Mausoleum im Schlosspark des Schlosses Charlottenburg beigesetzt.
 
Ausschnitt aus dem Gemälde im Berliner Dom, Foto: Martin Schlu © Oktober 2006
 
Beim Tod Wilhelms I. ist es offen, ob es zum Neubau des Berliner Doms kommen wird
 
Der bisherige Kronprinz Friedrich Wilhelm wird nun Kaiser, übernimmt als Friedrich III. (in Anlehnung an die preußischen Könige Friedrich I. und Friedrich II, den Großen) am 11. März Königs- und Kaiserwürde und zieht in das Schloß Charlottenburg. Sein Sohn, nun selber Kronprinz und später Kaiser Wilhelm II, bleibt nur 99 Tage in Wartestellung, denn beim Amtsantritt hat Friedrich III. bereits Kehlkopfkrebs in fortgeschrittenem Stadium, den Rudolf Virchow, der berühmte Berliner Mediziner, nicht erkannt hat. Eine Kehlkopfoperation bringt zwar Erleichterung beim Atmen, aber die Stimme ist verloren und Friedrich kann sich nur noch per Zettel verständigen. Seine Schwiegermutter, die englische Queen Victoria, besucht ihn und bringt ihren Leibarzt mit, doch der kann ihn auch nicht mehr retten. Am 15. Juni 1888 stirbt Friedrich III. nach 99 Tagen im Amt, ohne irgendetwas politisch bewirkt zu haben, wird im alten Schinkel-Dom aufgebahrt.
 
Der Kronprinz Wilhelm II. wird nun Kaiser, fühlt sich aber eher als Deutscher, denn als Preuße und hat sicherlich nicht die preußischen Tugenden Bescheidenheit, Sparsamkeit und Aufrichtigkeit. Zeitgenossen präzisieren die drei preußischen Kaiser des 19. Jahrhunderts 
 
"der greise Kaiser - der weise Kaiser - der Scheißekaiser..."
(zit. nach Ohff, Könige.., S.336) 
 
und meinen mit dem Letzten eindeutig Wilhelm II. Dieser Kaiser würde heute als Behinderter mehr Hilfe erfahren, doch als preußischer Krüppel muß er die körperlichen Defizite durch das persönliche Auftreten überspielen. Man ist sich heute nicht sicher, ob Wilhelm als Kaiser eher schrullig oder gefährlich war - sicher ist, daß er sich für die deutschen Arbeiter sehr eingesetzt hat, eine Reihe von revolutionären sozialen Errungenschaften durchgesetzt hat wie Kranken- und Rentenversicherung, Arbeitsschutz, Arbeitslosenversicherung und vieles mehr (was heute wieder abgebaut wird). Daß er darüber mit der SPD und mit Bismarck über Kreuz lag, ist sein persönliches Drama, seine außenpolitischen Fehltritte in diverse Fettnäpfchen erzeugen ein Deutschlandbild, das viel Positives seiner Regierung überschattet hat.
 
Wilhelm II.
 
Nachdem die Freien Städte Hamburg und Bremen dem "Deutsche Zollverein" beigetreten sind, expandiert der Seehandel und damit der Schiffbau in Deutschland. Der Hamburger Hafen wird in dieser Zeit einer der größten Häfen der Welt und "made in Germany" wird zum Qualitätssiegel für technische Produkte. Insbesondere die Elektroindustrie wächst und die AEG (allgemeine Electricitätsgesellschaft) baut bis 1914 jedes zweite Elektrogerät weltweit.
 
Kaiser Wilhelm II. läßt sich für den Neubau des Berliner Doms einen zweiten Entwurf von Raschdorff anfertigen. (frühere Bauphase) - (spätere Bauphase)
 
1890 - Seitenanfang
Wilhelm II. entläßt den greisen 75 Jahre alten Bismarck, weil der seinen Plänen im Weg ist, umgibt sich weniger mit Fachleuten als mit Jasagern und stockt den Personalbestand im Neuen Palais gewaltig auf. Gleichzeitig läßt er das Palais modernisieren (Klingelleitungen für die Bettfrau, die Zugehfrau, die Schneiderin etc. - heute ganz lustig im neuen Palais in Potsdam zu beobachten) und träumt von einer gewaltigen Marine, die ihm General Tirpitz aufschwatzt. Dabei hat er zu diesem Zeitpunkt schon eine allgemeine Einkommensteuer und eine Rentenversicherung durchgesetzt. Noch jetzt strahlt das neue Palais den Größenwahn aus, der so typisch für Wilhelm II. ist - ein Rundgang sei dringend nach dem Besuch von Sanssouci empfohlen.
 
 Foto: Martin Schlu © Oktober 2006
 
1891
Der zweite Entwurf von Raschdorff für den Neubau des Berliner Doms wird der Öffentlichkeit präsentiert, akzeptiert und man beginnt mit den Bauarbeiten für die neue standesgemäße Grabkirche für die Hohenzollern auf Wilhelms ausdrücklichen Wunsch.
 
1894 - Seitenanfang
Chlodwig Prinz von Hohenlohe-Schillingsfürst wird preußischer Ministerpräsident und deutscher Reichskanzler.
Der neue "Berliner Dom" (Bauzeit bis 1905) beherbergt heute knapp hundert Gräber in der "Hohenzollerngruft" und ist nebenbei eine der schönsten evangelischen Kirchen, die es gibt. Von innen sieht er aus wie eine Kreuzung zwischen Opernhaus und Petersdom - immerhin sah sich Kaiser Wilhelm II. als oberster evangelischer Hirte. Nach schweren Kriegsschäden am 24. Mai 1944 wurde der Dom von 1975 bis 1993 restauriert und neu aufgebaut. frühere Bauphase -
 
Foto: Martin Schlu © Oktober 2006
 
 
1898
Frank Wedekind wird wegen "Majestätsbeleidigung" zu "Festungshaft" (heute Zuchthaus) verurteilt, flüchtet, stellt sich später der Polizei und muß wirklich ein halbes Jahr absitzen. Der Kaiser und die gesamte staatliche Obrigkeit mögen keine Kritik. (Zu Wedekind)
 
1900 - Seitenanfang
Als in der deutschen Kolonie in China die ersten Aufstände geschehen und der deutsche Botschafter von Ketteler in Peking ermordet wird, gerät er völlig außer sich und fordert die Strafexpedition, die am 27. Juli in Wilhelmshaven an Bord geht, in seiner - heute so genannten - "Hunnenrede" auf:
 
..." Peking muß regelrecht angegriffen und dem Erdboden gleich gemacht werden.... Peking muß rasiert werden .... Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer Euch in die Hände fällt,ist Euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht haben, so möge der Name Deutscher in China auf tausend Jahre durch Euch in einer Weise bestätigt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!"
(zit. nach Ohff, Könige.., S.346)
 
Es scheint zu funktionieren - die Deutschen hausen in China unbeschreiblich und die internationale Gemeinschaft sieht fasziniert zu, wie sich der Kaiser in politische Abseits manövriert. Die ersten Kriegervereine in Berlin fangen an zu singen: "Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben" - sie meinen aber Wilhelm I., des Kaisers Großvater.
 
In Deutschland sinkt die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeiter von 72 Stunden (1872) auf nunmehr 57 Stunden und es entwickelt sich ein starkes bürgerliches Privatleben, in dem zwischen Arbeit und Freizeit erstmals unterschieden wird.
 
1908 - Seitenanfang
Die ersten höheren Mädchenschulen werden gegründet. Schon dürfen auch Mädchen ein Abitur ablegen und haben damit eine Chance, vielleicht auch einmal zu studieren. Wählen dürfen sie aber noch nicht, das bleibt noch ein paar Jahre Männersache.
 
1910/11 - Seitenanfang
Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft wird gegründet, eine Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft und Forschung. Sie soll Wissenschaft und Forschung stärker bündeln, denn zwischen 1901 und 1914 geht jeder dritte verliehene wissenschaftliche Nobelpreis an einen deutschen Forscher: Max Planck (nach dem diese Gesellschaft heute benannt wird), Robert Koch, Wihelm Conrad Röntgen und viele mehr.
 
1914 - Seitenanfang
Albert Einstein wird zum Direktor des neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik berufen. Das preußische Deutschland steht auf dem Höhepunkt der kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung. Leider bleibt es nicht so.
 
Als der Erste Weltkrieg ausbricht, ist man noch zuversichtlich die "Franzmänner" innerhalb vierzehn Tagen besiegt zu haben. Nach vielen blutigen Schlachten sind aus dem Sommerspaziergang vier Jahre geworden und danach ist die alte Weltordnung zerbrochen.
 
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Ich danke Hilde Buckenmayer für die Korrekturen (Okt. 2008, MS)