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Inhaltsangabe
Vorrede
und Übergang
Aufzeichnung
des Malers,
Rückkehr
nach fünf Jahren
1661
Aufbahrung
und Begräbnis
Katharina
wird gemalt
Reise
nach Hamburg
Heimliches
Treffen
Ablehnung
des Heiratsantrages
Rückkehr
auf das Gut,
Neuanfang
an der Nordsee
Bekanntschaft
mit dem Prediger
Arbeit
am Bild
Wiederfinden
Katharinas
Erkennen
der Zusammenhänge
Malen
des ertrunkenen Kindes,
Der
Maler Jürgen Owens
Historische
Details
Anmerkungen
|
- Theodor
Storm
Aquis submersus (Novelle, 1876) - Katharina wird gemalt
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-
- Der Junker drängte nun selbst,
daß ich mein aufgetragen Werk begönne, wozu
ich droben in dem Bildersaale an einem nach Norden zu
belegenen Fenster mir schon den Platz erwählet
hatte. Zwar kam Bas' Ursel, die wegen ihrer Gicht die
Treppen nicht hinauf konnte, und meinete, es möge am
besten in ihrer Stuben oder im Gemach daran geschehen, so
sei es uns beiderseits zur Unterhaltung; ich aber,
solcher Gevatterschaft gar gern entrathend, hatte an der
dortigen Westsonne einen rechten Malergrund dagegen, und
konnte alles Reden ihr nicht nützen. Vielmehr war
ich am andern Morgen schon dabei, die Nebenfenster des
Saales zu verhängen und die hohe Staffelei zu
stellen, so ich mit Hülfe Dieterichs mir selber in
den letzten Tagen angefertigt.
Malmaterial etwa von Vermeer - so etwa darf man sich das Arbeitsgerät vorstellen. Foto: Martin Schlu, 2013
- (Reclam, S.
30) Als ich eben den Blendrahmen
mit der Leinewand darauf gelegt, öffnete sich die
Thür aus Herrn Gerhardus' Zimmer, und Katharina trat
herein. Aus was für Ursach, wäre schwer zu
sagen; aber ich empfand, daß wir uns dießmal
fast erschrocken gegenüber standen; aus der
schwarzen Kleidung, die sie nicht abgeleget, schaute das
junge Antlitz in gar süßer Verwirrung zu mir
auf.
-
- „Katharina", sagte ich, „Ihr
wisset, ich soll Euer Bildniß malen; duldet Ihr's
auch gern?"
Da zog ein Schleier über ihre braunen Augensterne,
und sie sagte leise: „Warum doch fragt Ihr so,
Johannes?"
Wie ein Thau des Glückes sank es in mein Herz. „Nein,
nein, Katharina! Aber sagt, was ist, worin kann ich Euch
dienen? - Setzet Euch, damit wir nicht so
müßig überrascht werden, und dann
sprecht! Oder vielmehr, ich weiß es schon. Ihr
braucht mir's nicht zu sagen!"
-
- Aber sie setzte sich nicht, sie trat
zu mir heran. „Denket Ihr noch, Johannes, wie Ihr
einst den Buhz mit Euerem Bogen niederschosset? Das thut
dießmal nicht noth, obschon er wieder ob dem Neste
lauert; denn ich bin kein Vöglein, das sich von ihm
zerreißen läßt. Aber, Johannes - ich
habe einen Blutsfreund -, hilf mir wider den!"
- „Ihr meinet Eueren Bruder,
Katharina!"
- „Ich habe keinen andern. - - Dem Manne, den ich
hasse, will er mich zum Weibe geben! Während unseres
Vaters langem Siechbett habe ich den schändlichen
Kampf mit ihm gestritten, und erst an seinem Sarg hab
ich's ihm abgetrotzt, daß ich in Ruhe um den Vater
trauern mag; aber ich weiß, auch das wird er nicht
halten."
Ich gedachte eines Stiftsfräuleins zu Preetz, Herrn
Gerhardus' einzigen Geschwisters, und meinete, ob die
nicht um Schutz und Zuflucht anzugehen sei.
Katharina nickte. „Wollt Ihr mein Bote sein,
Johannes? - Geschrieben habe ich ihr schon, aber in Wulfs
Hände kam die Antwort, und auch erfahren habe ich
sie nicht, nur die ausbrechende Wuth meines Bruders, die
selbst das (Reclam, S. 31)
Ohr des Sterbenden erfüllet
hätte, wenn es noch offen gewesen wäre für
den Schall der Welt; aber der gnädige Gott hatte das
geliebte Haupt schon mit dem letzten Erdenschlummer
zugedecket."
-
- Katharina hatte sich nun doch auf
meine Bitte mir genüber gesetzet, und ich begann die
Umrisse auf die Leinewand zu zeichnen. So kamen wir zu
ruhiger Berathung; und da ich, wenn die Arbeit weiter
vorgeschritten, nach Hamburg mußte, um bei dem
Holzschnitzer einen Rahmen zu bestellen, so stelleten wir
fest, daß ich alsdann den Umweg über Preetz
nähme und also meine Botschaft ausrichtete.
Zunächst jedoch sei emsig an dem Werk zu
fördern.
-
- Es ist gar oft ein seltsam Widerspiel
im Menschenherzen. Der Junker mußte es schon
wissen, daß ich zu seiner Schwester stand;
gleichwohl - hieß nun sein Stolz ihn, mich gering
zu schätzen, oder glaubte er mit seiner ersten
Drohung mich genug geschrecket -, was ich besorget, traf
nicht ein; Katharina und ich waren am ersten wie an den
andern Tagen von ihm ungestöret. Einmal zwar trat er
ein und schalt mit Katharinen wegen ihrer Trauerkleidung,
warf aber dann die Thür hinter sich, und wir
hörten ihn bald auf dem Hofe ein
Reiterstücklein pfeifen. Ein ander Mal noch hatte er
den von der Risch an seiner Seite. Da Katharina eine
heftige Bewegung machte, bat ich sie, auf ihrem Platz zu
bleiben, und malete ruhig weiter. Seit dem
Begräbnißtage, wo ich einen fremden Gruß
mit ihm getauschet, hatte der Junker Kurt sich auf dem
Hofe nicht gezeigt; nun trat er näher und beschauete
das Bild und redete gar schöne Worte, meinete aber
auch, weshalb das Fräulein sich so sehr vermummt und
nicht vielmehr ihr seidig Haar in freien Locken auf den
Nacken habe wallen lassen; wie es ein
Engelländischer Poet so trefflich ausgedrücket,
„rückwärts den Winden leichte Küsse werfend."
Katharina aber, die bisher geschwiegen, wies auf Herrn
(Reclam, S.
33) Gerhardus' Bild und sagte: „Ihr
wisset wohl nicht mehr, daß das mein Vater
war!"
-
- Was Junker Kurt hierauf entgegnete,
ist mir nicht mehr erinnerlich; meine Person aber schien
ihm ganz nicht gegenwärtig oder doch nur gleich
einer Maschine, wodurch ein Bild sich auf die Leinewand
malete. Von letzterem begann er über meinen Kopf hin
dieß und jenes noch zu reden; da aber Katharina
nicht mehr Antwort gab, so nahm er alsbald seinen Urlaub,
der Dame angenehme Kurzweil wünschend.
-
- Bei diesem Wort jedennoch sah ich aus
seinen Augen einen raschen Blick gleich einer
Messerspitze nach mir zücken.
- - - Wir hatten nun weitere
Störniß nicht zu leiden, und mit der
Jahreszeit rückte auch die Arbeit vor. Schon stand
auf den Waldkoppeln draußen der Roggen in
silbergrauem Blust, und unten im Garten brachen schon die
Rosen auf; wir beide aber - ich mag es heut wohl
niederschreiben -, wir hätten itzund die Zeit gern
stille stehen lassen; an meine Botenreise wagten, auch
nur mit einem Wörtlein, weder sie noch ich zu
rühren. Was wir gesprochen, wüßte ich
kaum zu sagen; nur daß ich von meinem Leben in der
Fremde ihr erzählte und wie ich immer heim gedacht;
auch daß ihr güldner Pfennig mich in Krankheit
einst vor Noth bewahrt, wie sie in ihrem Kinderherzen es
damals fürgesorget, und wie ich später dann
gestrebt und mich geängstet, bis ich das Kleinod aus
dem Leihhaus mir zurückgewonnen hatte. Dann
lächelte sie glücklich; und dabei blühete
aus dem dunkeln Grund des Bildes immer süßer
das holde Antlitz auf, mir schien's, als sei es kaum mein
eigenes Werk. - Mitunter war's, als schaue mich etwas
heiß aus ihren Augen an; doch wollte ich es dann
fassen, so floh es scheu zurück; und dennoch
floß es durch den Pinsel heimlich auf die
Leinewand, so daß mir selber kaum bewußt ein
sinnberückend Bild entstand, wie nie zuvor und nie
nachher ein solches aus meiner Hand gegangen ist. - - Und
endlich (Reclam, S. 33) war's doch an der Zeit und
festgesetzet, am andern Morgen sollte ich meine Reise
antreten.
-
- Als Katharina mir den Brief an ihre
Base eingehändigt, saß sie noch einmal mir
gegenüber. Es wurde heute mit Worten nicht
gespielet; wir sprachen ernst und sorgenvoll mitsammen;
indessen setzete ich noch hie und da den Pinsel an,
mitunter meine Blicke auf die schweigende Gesellschaft an
den Wänden werfend, deren ich in Katharinens
Gegenwart sonst kaum gedacht hatte.
-
- Da, unter dem Malen, fiel mein Auge
auch auf jenes alte Frauenbildniß, das mir zur
Seite hing und aus den weißen Schleiertüchern
die stechend grauen Augen auf mich gerichtet hielt. Mich
fröstelte, ich hätte nahezu den Stuhl
verrücket.
-
- Aber Katharinens süße
Stimme drang mir in das Ohr: „Ihr seid ja fast
erbleichet; was flog Euch übers Herz,
Johannes?"
-
- Ich zeigte mit dem Pinsel auf das
Bild. „Kennet Ihr die, Katharina? Diese Augen
haben hier all die Tage auf uns hingesehen."
-
- Anna von Pommern-Stettin (1554–1626) , um 1621 - so etwa darf man sich die Urahnin vorstellen.
- „Die da? - Vor der hab ich
schon als Kind eine Furcht gehabt, und gar bei Tage bin
ich oft wie blind hier durchgelaufen. Es ist die Gemahlin
eines früheren Gerhardus; vor weit über hundert
Jahren hat sie hier gehauset."
- „Sie gleicht nicht Euerer
schönen Mutter", entgegnete ich; „dies
Antlitz hat wohl vermocht, einer jeden Bitte nein zu
sagen."
- Katharina sah gar ernst zu mir
herüber. „So heißt's auch", sagte sie, „sie
soll ihr einzig Kind verfluchet haben; am andern Morgen
aber hat man das blasse Fräulein aus einem
Gartenteich gezogen, der nachmals zugedämmet ist.
Hinter den Hecken, dem Walde zu, soll es gewesen
sein."
-
- „Ich weiß, Katharina; es
wachsen heut noch Schachtelhalm und Binsen aus dem
Boden."
„Wisset Ihr denn auch, Johannes, daß eine unseres
Geschlechtes sich noch immer zeigen soll, sobald dem
Hause (Reclam, S.
34) Unheil droht? Man sieht sie
erst hier an den Fenstern gleiten, dann draußen in
dem Gartensumpf verschwinden."
- Ohnwillens wandten meine Augen sich
wieder auf die unbeweglichen des Bildes. „Und
weshalb", fragte ich, „verfluchete sie ihr
Kind?"
- „Weshalb?" - Katharina
zögerte ein Weilchen und blickte mich fast verwirret
an mit allem ihrem Liebreiz. „Ich glaub, sie
wollte den Vetter ihrer Mutter nicht zum
Ehgemahl."
- - „War es denn ein gar so
übler Mann?"
Ein Blick fast wie ein Flehen flog zu mir herüber,
und tiefes Rosenroth bedeckte ihr Antlitz. „Ich
weiß nicht", sagte sie beklommen; und leiser,
daß ich's kaum vernehmen mochte, setzte sie hinzu: „Es
heißt, sie hab einen andern lieb gehabt; der war
nicht ihres Standes."
- Ich hatte den Pinsel sinken lassen;
denn sie saß vor mir mit gesenkten Blicken; wenn
nicht die kleine Hand sich leis aus ihrem Schoße
auf ihr Herz geleget, so wäre sie selber wie ein
leblos Bild gewesen.
So hold es war, ich sprach doch endlich: „So kann
ich ja nicht malen; wollet Ihr mich nicht ansehen,
Katharina?"
- Und als sie nun die Wimpern von den
braunen Augensternen hob, da war kein Hehlens mehr;
heiß und offen ging der Strahl zu meinem Herzen. „Katharina!"
Ich war aufgesprungen. „Hätte jene Frau auch
dich verflucht?"
Sie athmete tief auf „Auch mich, Johannes!" - Da
lag ihr Haupt an meiner Brust, und fest umschlossen
standen wir vor dem Bild der Ahnfrau, die kalt und
feindlich auf uns niederschauete.
-
- Aber Katharina zog mich leise fort. „Laß
uns nicht trotzen, mein Johannes!" sagte sie. - Mit
Selbigem hörte ich im Treppenhause ein
Geräusch, und war es, als wenn etwas mit dreien
Beinen sich mühselig die Stiegen heraufarbeitete.
Als Katharina und ich uns deshalb wieder an unsern Platz
gesetzet und ich Pinsel und Palette zur Hand genommen
hatte, öffnete sich die Thür, und Bas' Ursel,
(Reclam, S.
35) die wir wohl zuletzt erwartet
hätten, kam an ihrem Stock hereingehustet. „Ich
höre", sagte sie, „Er will nach Hamburg, um
den Rahmen zu besorgen; da muß ich mir nachgerade
doch Sein Werk besehen!"
- Es ist wohl männiglich bekannt,
daß alte Jungfrauen in Liebessachen die
allerfeinsten Sinne haben und so der jungen Welt gar oft
Bedrang und Trübsal bringen. Als Bas' Ursel auf
Katharinens Bild, das sie bislang noch nicht gesehen,
kaum einen Blick geworfen hatte, zuckte sie gar stolz
empor mit ihrem runzeligen Angesicht und frug mich
allsogleich: „Hat denn das Fräulein Ihn so
angesehen, als wie sie da im Bilde sitzet?"
Ich entgegnete, es sei ja eben die Kunst der edlen
Malerei, nicht bloß die Abschrift des Gesichts zu
geben. Aber schon mußte an unsern Augen oder Wangen
ihr Sonderliches aufgefallen sein, denn ihre Blicke
gingen spähend hin und wider. „Die Arbeit ist
wohl bald am Ende?" sagte sie dann mit ihrer
höchsten Stimme. „Deine Augen haben kranken
Glanz, Katharina; das lange Sitzen hat dir nicht wohl
gedienet."
-
- Ich entgegnete, das Bild sei bald
vollendet, nur an dem Gewande sei noch hie und da zu
schaffen.
„Nun, da braucht Er wohl des Fräuleins Gegenwart nicht
mehr dazu! - Komm, Katharina, dein Arm ist besser als der
dumme Stecken hier!"
-
- Und so mußt ich von der
dürren Alten meines Herzens holdselig Kleinod mir
entführen sehen, da ich es eben mir gewonnen
glaubte; kaum daß die braunen Augen mir noch einen
stummen Abschied senden konnten.
-
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