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Inhaltsangabe
Vorrede
und Übergang
Aufzeichnung
des Malers,
Rückkehr
nach fünf Jahren
1661
Aufbahrung
und Begräbnis
Katharina
wird gemalt
Reise
nach Hamburg
Heimliches
Treffen
Ablehnung
des Heiratsantrages
Rückkehr
auf das Gut,
Neuanfang
an der Nordsee
Bekanntschaft
mit dem Prediger
Arbeit
am Bild
Wiederfinden
Katharinas
Erkennen
der Zusammenhänge
Malen
des ertrunkenen Kindes,
Der
Maler Jürgen Owens
Historische
Details
Anmerkungen
|
- Theodor
Storm
Aquis submersus (Novelle, 1876) - Heimliches Treffen
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-
- (Reclam, S.
41) Und um mich her war
plötzlich wieder die stille Nacht und Mond- und
Sternenschimmer. In den Stall zu meinem Gaul wagt ich
nicht erst zu gehen, sondern sprang flugs über einen
Wall und lief über das Feld dem Walde zu. Da ich ihn
bald erreichet, suchte ich die Richtung nach dem
Herrenhofe einzuhalten; denn es zieht sich die Holzung
bis hart zur Gartenmauer. Zwar war die Helle der
Himmelslichter hier durch das Laub der Bäume
ausgeschlossen, aber meine Augen wurden der Dunkelheit
gar bald gewohnt, und da ich das Täschlein sicher
unter meinem Wamse fühlte, so tappte ich rüstig
vorwärts; denn ich gedachte den Rest der Nacht noch
einmal in meiner Kammer auszuruhen, dann aber mit dem
alten Dieterich zu berathen, was allfort geschehen solle;
maßen ich wohl sahe, daß meines Bleibens hier
nicht fürder sei.
-
- (Reclam, S.
42) Bisweilen stund ich auch und
horchte; aber ich mochte bei meinem Abgang wohl die
Thür ins Schloß geworfen und so einen guten
Vorsprung mir gewonnen haben: von den Hunden war kein
Laut vernehmbar. Wohl aber, da ich eben aus dem Schatten
auf eine vom Mond erhellete Lichtung trat, hörete
ich nicht gar fern die Nachtigallen schlagen; und von wo
ich ihren Schall hörte, dahin richtete ich meine
Schritte, denn mir war wohl bewußt, sie hatten hier
herum nur in den Hecken des Herrengartens ihre Nester;
erkannte nun auch, wo ich mich befand, und daß ich
bis zum Hofe nicht gar weit mehr hatte.
-
- Ging also dem lieblichen Schallen
nach, das immer heller vor mir aus dem Dunkel drang. Da
plötzlich schlug was anderes an mein Ohr, das
jählings näher kam und mir das Blut erstarren
machte. Nicht zweifeln konnt ich mehr, die Hunde brachen
durch das Unterholz; sie hielten fest auf meiner Spur,
und schon hörete ich deutlich hinter mir ihr
Schnaufen und ihre gewaltigen Sätze in dem
dürren Laub des Waldbodens. Aber Gott gab mir seinen
gnädigen Schutz; aus dem Schatten der Bäume
stürzte ich gegen die Gartenmauer, und an eines
Fliederbaums Geästeschwang ich mich hinüber. Da
sangen hier im Garten immer noch die Nachtigallen; die
Buchenhecken warfen tiefe Schatten. In solcher Mondnacht
war ich einst vor meiner Ausfahrt in die Welt mit Herrn
Gerhardus hier gewandelt. „Sieh dir's noch einmal
an, Johannes!" hatte dermalen er gesprochen; „es
könnt geschehen, daß du bei deiner Heimkehr
mich nicht daheim mehr fändest, und daß
alsdann ein Willkomm nicht für dich am Thor
geschrieben stünde; - ich aber möcht nicht,
daß du diese Stätte hier
vergäßest."
-
- Das flog mir itzund durch den Sinn,
und ich mußte bitter lachen; denn nun war ich hier
als ein gehetzet Wild; und schon hörete ich die
Hunde des Junker Wulf gar grimmig draußen an der
Gartenmauer rennen. Selbige aber war, wie ich noch tags
zuvor gesehen, nicht überall
so (Reclam, S.
43) hoch, daß nicht das
wüthige Gethier hinüber konnte; und rings im
Garten war kein Baum, nichts als die dichten Hecken und
drüben gegen das Haus die Blumenbeete des seligen
Herrn. Da, als eben das Bellen der Hunde wie ein
Triumphgeheule innerhalb der Gartenmauer scholl, ersahe
ich in meiner Noth den alten Epheubaum, der sich mit
starkem Stamme an dem Thurm hinaufreckt; und da dann die
Hunde aus den Hecken auf den mondhellen Platz hinaus
raseten, war ich schonhoch genug, daß sie mit ihrem
Anspringen mich nicht mehr erreichen konnten; nur meinen
Mantel, so von der Schulter geglitten, hatten sie mit
ihren Zähnen mir herabgerissen.
-
- Ich aber, also angeklammert und
fürchtend, es werde das nach oben schwächere
Geäste mich auf die Dauer nicht ertragen, blickte
suchend um mich, ob ich nicht irgend besseren Halt
gewinnen möchte; aber es war nichts zu sehen als die
dunklen Epheublätter um mich her. - Da, in solcher
Noth, hörete ich ober mir ein Fenster öffnen,
und eine Stimme scholl zu mir herab - möchte ich sie
wieder hören, wenn du, mein Gott, mich bald nun
rufen läßt aus diesem Erdenthal! - „Johannes!"
rief sie; leis, doch deutlich hörete ich meinen
Namen, und ich kletterte höher an dem immer
schwächeren Gezweige, indeß die schlafenden
Vögel um mich auffuhren und die Hunde von unten ein
Geheul heraufstießen. - „Katharina! Bist du
es wirklich, Katharina?"
-
Efeuäste an einer Steinmauer, Foto: Marton Schlu © 2012
- Aber schon kam ein zitternd
Händlein zu mir herab und zog mich gegen das offene
Fenster; und ich sah in ihre Augen, die voll Entsetzen in
die Tiefe starrten.
- „Komm!" sagte sie. „Sie
werden dich zerreißen." Da schwang ich mich in ihre
Kammer. - Doch als ich drinnen war, ließ mich das
Händlein los, und Katharina sank auf einen Sessel,
so am Fenster stund, und hatte ihre Augen dicht
geschlossen. Die dicken Flechten ihres Haares lagen
über dem weißen Nachtgewand bis in den
Schoß hinab; der Mond, der draußen die
Gartenhecken überstiegen
(Reclam, S. 44) hatte, schien voll
herein und zeigete mir alles. Ich stund wie fest
gezaubert vor ihr; so lieblich fremde und doch so ganz
mein eigen schien sie mir; nur meine Augen tranken sich
satt an all der Schönheit. Erst als ein Seufzen ihre
Brust erhob, sprach ich zu ihr: „Katharina, liebe
Katharina, träumet Ihr denn?
- "
- Da flog ein schmerzlich Lächeln
über ihr Gesicht: „Ich glaub wohl fast,
Johannes! - Das Leben ist so hart; der Traum ist
süß!"
-
- Als aber von unten aus dem Garten das
Geheul aufs Neu heraufkam, fuhr sie erschreckt empor. „Die
Hunde, Johannes!" rief sie. „Was ist das mit den
Hunden?"
-
- „Katharina", sagte ich, „wenn
ich Euch dienen soll, so glaub ich, es muß bald
geschehen; denn es fehlt viel, daß ich noch einmal
durch die Thür in dieses Haus gelangen sollte."
Dabei hatte ich den Brief aus meinem Täschlein
hervorgezogen und erzählete auch, wie ich im Kruge
drunten mit den Junkern sei in Streit
gerathen.
-
- Sie hielt das Schreiben in den hellen
Mondenschein und las; dann schaute sie mich voll und
herzlich an, und wir beredeten, wie wir uns morgen in dem
Tannenwalde treffen wollten; denn Katharina sollte noch
zuvor erkunden, auf welchen Tag des Junker Wulfen Abreise
zum Kieler Johannismarkte festgesetzet sei.
- „Und nun, Katharina", sprach
ich, „habt Ihr nicht etwas, das einer Waffe gleich
sieht, ein eisern Ellenmaß oder so dergleichen,
damit ich der beiden Thiere drunten mich erwehren
könne?"
-
- Sie aber schrak jäh wie aus
einem Traum empor. „Was sprichst du, Johannes!"
rief sie; und ihre Hände, so bislang in ihrem
Schoß geruhet, griffen nach den meinen. „Nein,
nicht fort, nicht fort! Da drunten ist der Tod; und gehst
du, so ist auch hier der Tod!"
-
- Da war ich vor ihr hingeknieet und
lag an ihrer jungen Brust, und wir umfingen uns in
großer Herzensnoth. „Ach, Käthe",
sprach ich, „was vermag die arme Liebe
(Reclam, S.
45) denn! Wenn auch dein Bruder
Wulf nicht wäre; ich bin kein Edelmann und darf
nicht um dich werben."
-
- Sehr süß und sorglich
schauete sie mich an; dann aber kam es wie Schelmerei aus
ihrem Munde: „Kein Edelmann, Johannes? - Ich
dächte, du seiest auch das! Aber - ach nein! Dein
Vater war nur der Freund des meinen - das gilt der Welt
wohl nicht!"
-
- „Nein, Käthe; nicht das,
und sicherlich nicht hier", entgegnete ich und
umfaßte fester ihren jungfräulichen Leib; „aber
drüben in Holland, dort gilt ein tüchtiger
Maler wohl einen deutschen Edelmann; die Schwelle von
Mynherr van Dycks Palaste zu Amsterdam ist wohl dem
Höchsten ehrenvoll zu überschreiten. Man hat
mich drüben halten wollen, mein Meister van der
Helst und andre! Wenn ich dorthin zurückginge, ein
Jahr noch oder zwei; dann - wir kommen dann schon von
hier fort; bleib mir nur feste gegen euere wüsten
Junker!"
-
- Katharinens weiße Hände
strichen über meine Locken; sie herzete mich und
sagte leise: „Da ich in meine Kammer dich
gelassen, so werd ich doch dein Weib auch werden
müssen."
-
- - - Ihr ahnete wohl nicht, welch
einen Feuerstrom dies Wort in meine Adern goß,
darin ohnedies das Blut in heißen Pulsen ging. -
Von dreien furchtbaren Dämonen, von Zorn und
Todesangst und Liebe ein verfolgter Mann, lag nun mein
Haupt in des viel geliebten Weibes
Schoß.
-
- Da schrillte ein geller Pfiff, die
Hunde drunten wurden jählings stille, und da es noch
einmal gellte, hörete ich sie wie toll und wild
davon rennen.
-
- Vom Hofe her wurden Schritte laut;
wir horchten auf, daß uns der Athem stille stund.
Bald aber wurde dorten eine Thür erst auf-, dann
zugeschlagen und dann ein Riegel vorgeschoben. „Das
ist Wulf", sagte Katharina leise; „er hat die
beiden Hunde in den Stall gesperrt." - Bald hörten
wir auch unter uns die Thür des Hausflurs gehen, den
Schlüssel drehen und danach Schritte in dem untern
(Reclam, S.
46) Corridor, die sich verloren,
wo der Junker seine Kammer hatte. Dann wurde alles
still.
-
- Es war nun endlich sicher, ganz
sicher; aber mit unserem Plaudern war es mit einem Male
schier zu Ende. Katharina hatte den Kopf
zurückgelehnt; nur unser beider Herzen hörete
ich klopfen. - „Soll ich nun gehen, Katharina?"
sprach ich endlich.
-
- Aber die jungen Arme zogen mich stumm
zu ihrem Mund empor; und ich ging nicht.
-
- Kein Laut war mehr, als aus des
Gartens Tiefe das Schlagen der Nachtigallen und von fern
das Rauschen des Wässerleins, das hinten um die
Hecken fließt. - -
-
- Wenn, wie es in den Liedern
heißt, mitunter noch in Nächten die
schöne heidnische Frau Venus aufersteht und umgeht,
um die armen Menschenherzen zu verwirren, so war es
dazumalen eine solche Nacht. Der Mondschein war am Himmel
ausgethan, ein schwüler Ruch von Blumen hauchte
durch das Fenster, und dorten überm Walde spielete
die Nacht in stummen Blitzen. - O Hüter, Hüter,
war dein Ruf so fern?
-
- - - Wohl weiß ich noch,
daß vom Hofe her plötzlich scharf die
Hähne krähten, und daß ich ein blaß
und weinend Weib in meinen Armen hielt, die mich nicht
lassen wollte, unachtend, daß überm Garten der
Morgen dämmerte und rothen Schein in unsre Kammer
warf. Dann aber, da sie deß inne wurde, trieb sie,
wie von Todesangst geschreckt, mich fort.
-
- Noch einen Kuß, noch hundert;
ein flüchtig Wort noch: wann für das Gesind zu
Mittage geläutet würde, dann wollten wir im
Tannenwald uns treffen; und dann - ich wußte selber
kaum, wie mir's geschehen - stund ich im Garten, unten in
der kühlen Morgenluft.
-
- Noch einmal, indem ich meinen von den
Hunden zerfetzten Mantel aufhob, schaute ich empor und
sah ein blasses Händlein mir zum Abschied winken.
Nahezu erschrocken aber wurd ich, da meine Augen bei
einem (Reclam, S.
47) Rückblick aus dem
Gartensteig von ungefähr die unteren Fenster neben
dem Thurme streiften; denn mir war, als sähe hinter
einem derselbigen ich gleichfalls eine Hand;aber sie
drohete nach mir mit aufgehobenem Finger und schien mir
farblos und knöchern gleich der Hand des Todes. Doch
war's nur wie im Husch, daß solches über meine
Augen ging; dachte zwar erstlich des Märleins von
der wieder gehenden Urahne; redete mir dann aber ein, es
seien nur meine eigenen aufgestörten Sinne, die
solch Spiel mir vorgegaukelt hätten.
-
- So, deß nicht weiter achtend,
schritt ich eilends durch den Garten, merkete aber bald,
daß in der Hast ich auf den Binsensumpf gerathen;
sank auch der eine Fuß bis übers Änkel
ein, gleichsam, als ob ihn was hinunterziehen wollte.
"Ei", dachte ich, "faßt das Hausgespenste doch nach
dir!" Machte mich aber auf und sprang über die Mauer
in den Wald hinab.
-
- Die Finsterniß der dichten
Bäume sagte meinem träumenden Gemüthe zu;
hier um mich her war noch die selige Nacht, von welcher
meine Sinne sich nicht lösen mochten. - Erst da ich
nach geraumer Zeit vom Waldesrande in das offene Feld
hinaustrat, wurd ich völlig wach. Ein Häuflein
Rehe stund nicht fern im silbergrauen Thau, und über
mir vom Himmel scholl das Tageslied der Lerche. Da
schüttelte ich all müßig Träumen von
mir ab; im selbigen Augenblick stieg aber auch wie
heiße Noth die Frage mir ins Hirn: "Was weiter nun,
Johannes? Du hast ein theures Leben an dich rissen; nun
wisse, daß dein Leben nichts gilt als nur das
ihre!"
-
- Doch was ich sinnen mochte, es
deuchte mir allfort das beste, wenn Katharina im Stifte
sichern Unterschlupf gefunden, daß ich dann
zurück nach Holland ginge, mich dort der
Freundeshülf versicherte und allsobald
zurückkäm, um sie nachzuholen. Vielleicht,
daß sie gar der alten Base Herz erweichet'; und
schlimmsten Falles - es mußte auch gehen ohne
das!
-
- (Reclam, S.
48) Schon sahe ich uns auf einem
fröhlichen Barkschiff die Wellen des grünen
Zuidersees befahren, schon hörete ich das
Glockenspiel vom Rathhausthurme Amsterdams und sah am
Hafen meine Freunde aus dem Gewühl hervorbrechen und
mich und meine schöne Frau mit hellem Zuruf
grüßen und im Triumph nach unserem kleinen,
aber trauten Heim geleiten. Mein Herz war voll von Muth
und Hoffnung; und kräftiger und rascher schritt ich
aus, als könnte ich bälder so das Glück
erreichen.
-
- - Es ist doch anders
kommen.
-
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