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- Einleitung
und Vorbereitung
Erzählung
des Schulmeisters Unterbrechung,
Trin' Jans Haukes
kommt zum Deichgrafen Haukes
Gespräch mit Elke Eisboseln und Ole Peters Eisboseln, Versöhnung mit Trine Tod
Tede Haiens, Haukes Erbteil Begräbnis und Nachfolge Hauke
als Deichgraf Das
Pferd von Jever Haukes
Schimmel Der
neue Deich Deichbau Nachwuchs
- „etwas lebigs -Wienke
Sturm
und Untergang
Materialien
Pappes Vorlage
Rungholt
Liliencrons Gedicht
Text als pdf-Datei
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- Theodor
Storm
Der Schimmelreiter (Novelle, 1888) - 4. Hauke kommt zum Deichgrafen
-
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- (Reclam, S. 22, Zeile
19) Eine Weile später, als
der alte Haien in dem engen Stüblein auf und ab
schritt, trat Hauke herein und warf seinen bunten Vogel
auf den Tisch; als er aber auf der weißgescheuerten
Platte den noch kennbaren Blutfleck sah, frug er, wie
beiläufig: „Was ist denn das?"
- Der Vater blieb stehen: „Das
ist Blut, was du hast fließen machen!"
- Dem Jungen schoß es doch
heiß ins Gesicht: „Ist denn Trin' Jans mit
ihrem Kater hier gewesen?"
- Der Alte nickte: „Weshalb hast
du ihr den totgeschlagen?"
- Hauke entblößte seinen
blutigen Ann. „Deshalb", sagte er; „er
hatte mir den Vogel fortgerissen!"
- Der Alte sagte nichts hierauf, er
begann eine Zeitlang wieder auf und ab zu gehen; dann
blieb er vor dem Jungen stehn und sah eine Weile wie
abwesend (Reclam, S.
23) auf ihn hin. „Das mit
dem Kater hab ich rein gemacht", sagte er dann; „aber,
siehst du, Hauke, die Kate ist hier zu klein; zwei Herren
können darauf nicht sitzen - es ist nun Zeit, du
mußt dir einen Dienst besorgen!"
- „Ja, Vater", entgegnete Hauke;
„hab dergleichen auch gedacht."
- „Warum?" frug der
Alte.
- - „Ja, man wird grimmig in
sich, wenn man's nicht an einem ordentlichen Stück
Arbeit auslassen kann."
- „So?" sagte der Alte, „und
darum hast du den Angorer totgeschlagen? Das könnte
leicht noch schlimmer werden!"
- - „Er mag wohl recht haben,
Vater; aber der Deichgraf hat seinen Kleinknecht
fortgejagt; das könnt ich schon
verrichten!"
-
- Der Alte begann wieder auf und ab zu
gehen und spritzte dabei die schwarze Tabaksjauche von
sich. „Der Deichgraf ist ein Dummkopf, dumm wie
'ne Saatgans! Er ist nur Deichgraf, weil sein Vater und
Großvater es gewesen sind, und wegen seiner
neunundzwanzig Fennen. Wenn Martini
(St. Martin, 11.
November) herankommt und hernach
die Deich- und Sielrechnungen abgetan werden müssen,
dann füttert er den Schulmeister mit Gansbraten und
Met und Weizenkringeln und sitzt dabei und nickt, wenn
der mit seiner Feder die Zahlenreihen hinunterläuft,
und sagt: „Ja, ja, Schulmeister, Gott
vergönn's Ihm! Was kann Er rechnen?" Wenn aber
einmal der Schulmeister nicht kann oder auch nicht will,
dann muß er selber dran und sitzt und schreibt und
streicht wieder aus, und der große dumme Kopf wird
ihm rot und heiß, und die Augen quellen wie
Glaskugeln, als wollte das bißchen Verstand da
hinaus."
-
- Der Junge stand gerade auf vor dem
Vater und (Reclam, S.
24) wunderte sich, was der reden
könne; so hatte er's noch nicht von ihm gehört.
„Ja, Gott tröst!" sagte er, „dumm ist er wohl;
aber seine Tochter Elke, die kann rechnen!"
-
- Der Alte sah ihn scharf an. „Ahoi,
Hauke", rief er; „was weißt du von Elke
Volkerts?"
- - „Nichts, Vater; der
Schulmeister hat's mir nur erzählt."
- Der Alte antwortete nicht darauf, er
schob nur bedächtig seinen Tabaksknoten aus einer
Backe hinter die andere.
- „Und du denkst", sagte er
dann, „du wirst dort auch mitrechnen
können."
- „O ja, Vater, das möcht
schon gehen", erwiderte der Sohn, und ein ernstes Zucken
lief um seinen Mund.
- Der Alte schüttelte den Kopf. „Nun,
aber meinethalb; versuch einmal dein
Glück!"
- „Dank auch, Vater!" sagte
Hauke und stieg zu seiner Schlafstatt auf dem Boden; hier
setzte er sich auf die Bettkante und sann, weshalb ihn
denn sein Vater um Elke Volkerts angerufen habe. Er
kannte sie freilich, das ranke achtzehnjährige
Mädchen mit dem bräunlichen schmalen Antlitz
und den dunklen Brauen, die über den trotzigen Augen
und der schmalen Nase ineinanderliefen; doch hatte er
noch kaum ein Wort mit ihr gesprochen; nun, wenn er zu
dem alten Tede Volkerts ging, wollte er sie doch besser
darauf ansehen, was es mit dem Mädchen auf sich
habe. Und gleich jetzt wollte er gehen, damit kein
anderer ihm die Stelle abjage; es war ja kaum noch Abend.
Und so zog er seine Sonntagsjacke und seine besten
Stiefel an und machte sich guten Mutes auf den
Weg.
-
- (Reclam, S. 24)
- Das langgestreckte Haus des
Deichgrafen war durch seine hohe Werfte, besonders durch
den höchsten Baum des Dorfes, eine gewaltige Esche,
schon (Reclam, S.
25) von weitem sichtbar; der
Großvater des jetzigen, der erste Deichgraf des
Geschlechtes, hatte in seiner Jugend eine solche osten
der Haustür hier gesetzt; aber die beiden ersten
Anpflanzungen waren vergangen, und so hatte er an seinem
Hochzeitsmorgen diesen dritten Baum gepflanzt, der noch
jetzt mit seiner immer mächtiger werdenden
Blätterkrone in dem hier unablässigen Winde wie
von alten Zeiten rauschte.
- Als nach einer Weile der lang
aufgeschossene Hauke die hohe Werfte hinaufstieg, welche
an den Seiten mit Rüben und Kohl bepflanzt war, sah
er droben die Tochter des Hauswirts neben der niedrigen
Haustür stehen. Ihr einer etwas hagerer Arm hing
schlaff herab, die andere Hand schien im Rücken nach
dem Eisenring zu greifen, von denen je einer zu beiden
Seiten der Tür in der Mauer war, damit, wer vor das
Haus ritt, sein Pferd daran befestigen könne. Die
Dirne (das Mädchen) schien von dort ihre Augen
über den Deich hinaus nach dem Meer zu haben, wo an
dem stillen Abend die Sonne eben in das Wasser hinabsank
und zugleich das bräunliche Mädchen mit ihrem
letzten Schein vergoldete.
- Hauke stieg etwas langsamer an der
Werfte hinan und dachte bei sich: „So ist sie
nicht so dösig!" Dann war er oben. „Guten
Abend auch!" sagte er, zu ihr tretend; „wonach
guckst du denn mit deinen großen Augen, Jungfer
Elke?"
- „Nach dem", erwiderte sie, „was
hier alle Abend vor sich geht, aber hier nicht alle Abend
just zu sehen ist." Sie ließ den Ring aus der Hand
fallen, daß er klingend gegen die Mauer schlug. „Was
willst du, Hauke Haien?" frug sie.
- „Was dir hoffentlich nicht
zuwider ist", sagte er. „Dein Vater hat seinen
Kleinknecht fortgejagt, da dachte ich bei euch in
Dienst."
- (Reclam, S.
26) Sie ließ ihre Blicke an
ihm herunterlaufen. „Du bist noch so was
schlanterig, Hauke!" sagte sie; „aber uns dienen
zwei feste Augen besser als zwei feste Arme!" Sie sah ihn
dabei fast düster an, aber Hauke hielt ihr tapfer
stand. „So komm", fuhr sie fort; „der Wirt
ist in der Stube, laß uns hineingehen!"
- ____________
- Am andern Tage trat Tede Haien mit
seinem Sohne in das geräumige Zimmer des
Deichgrafen; die Wände waren mit glasurten Kacheln
bekleidet, auf denen hier ein Schiff mit vollen Segeln
oder ein Angler an einem Uferplatz, dort ein Rind, das
kauend vor einem Bauernhause lag, den Beschauer
vergnügen konnte; unterbrochen war diese dauerhafte
Tapete durch ein mächtiges Wandbett mit jetzt
zugeschobenen Türen und einen Wandschrank, der durch
seine beiden Glastüren allerlei Porzellan- und
Silbergeschirr erblicken ließ; neben der Tür
zum anstoßenden Pesel war hinter einer Glasscheibe
eine holländische Schlaguhr in die Wand
gelassen.
- Der starke, etwas schlagflüssige
Hauswirt saß am Ende des blankgescheuerten Tisches
im Lehnstuhl auf seinem bunten Wollenpolster. Er hatte
seine Hände über dem Bauch gefaltet und starrte
aus seinen runden Augen befriedigt auf das Gerippe einer
fetten Ente; Gabel und Messer ruhten vor ihm auf dem
Teller.
- „Guten Tag, Deichgraf!" sagte
Haien, und der Angeredete drehte langsam Kopf und Augen
zu ihm hin.
- „Ihr seid es, Tede?"
entgegnete er, und der Stimme war die verzehrte fette
Ente anzuhören, „setzt Euch; es ist ein gut
Stück von Euch zu mir herüber!"
- „Ich komme, Deichgraf", sagte
Tede Haien, indem (Reclam, S.
27) er sich auf die an der Wand
entlanglaufende Bank dem andern im Winkel
gegenübersetzte. „Ihr habt Verdruß mit
Euerem Kleinknecht gehabt und seid mit meinem Jungen
einig geworden, ihn an dessen Stelle zu
setzen!"
- Der Deichgraf nickte: „Ja, ja,
Tede; aber - was meint Ihr mit Verdruß? Wir
Marschleute haben, Gott tröst uns, was dagegen
einzunehmen!" Und er nahm das vor ihm liegende Messer und
klopfte wie liebkosend auf das Gerippe der armen Ente. „Das
war mein Leibvogel", setzte er behaglich lachend hinzu; „sie
fraß mir aus der Hand!"
-
- „Ich dachte", sagte der alte
Haien, das letzte überhörend, „der
Bengel hätte Euch Unheil im Stall
gemacht."
- „Unheil? Ja, Tede; freilich
Unheil genug! Der dicke Mopsbraten hatte die Kälber
nicht gebörmt
(getränkt);
aber er lag vollgetrunken auf dem Heuboden, und das
Viehzeug schrie die ganze Nacht vor Durst, daß ich
bis Mittag nachschlafen mußte; dabei kann die
Wirtschaft nicht bestehen!"
- „Nein, Deichgraf; aber
dafür ist keine Gefahr bei meinem
Jungen."
- Hauke stand, die Hände in den
Seitentaschen, am Türpfosten, hatte den Kopf im
Nacken und studierte an den Fensterrähmen ihm
gegenüber.
-
- Der Deichgraf hatte die Augen zu ihm
gehoben und nickte hinüber: „Nein, nein,
Tede"; und er nickte nun auch dem Alten zu, „Euer
Hauke wird mir die Nachtruh nicht verstören; der
Schulmeister hat's mir schon vordem
(eben)
gesagt, der sitzt lieber vor der Rechentafel als vor
einem Glas mit Branntwein."
- Hauke hörte nicht auf diesen
Zuspruch, denn Elke war in die Stube getreten und nahm
mit ihrer leichten Hand die Reste der Speisen von dem
Tisch, ihn mit (Reclam, S,
28) ihren dunkeln Augen
flüchtig streifend. Da fielen seine Blicke auch auf
sie. „Bei Gott und Jesus", sprach er bei sich
selber, „sie sieht auch so nicht dösig
(
verschlafen) aus!"
- Das Mädchen war hinausgegangen. „Ihr
wisset, Tede", begann der Deichgraf wieder, „unser
Herrgott hat mir einen Sohn versagt!"
-
- „Ja, Deichgraf, aber
laßt Euch das nicht kränken", entgegnete der
andere, „denn im dritten Gliede soll der
Familienverstand ja verschleißen; Euer
Großvater, das wissen wir alle, war einer, der das
Land geschützt hat!"
- Der Deichgraf, nach einigem Besinnen,
sah schier verdutzt aus. „Wie meint Ihr das, Tede
Haien?" sagte er und setzte sich in seinem Lehnstuhl auf,
„ich bin ja doch im dritten Gliede!"
- „Ja, so! Nicht für ungut,
Deichgraf; es geht nur so die Rede!" Und der hagere Tede
Haien sah den alten Würdenträger mit etwas
boshaften Augen an.
- Der aber sprach unbekümmert: „Ihr
müßt Euch von alten Weibern dergleichen
Torheit nicht aufschwatzen lassen, Tede Haien; Ihr kennt
nur meine Tochter nicht, die rechnet mich selber dreimal
um und um! Ich wollt nur sagen, Euer Hauke wird
außer im Felde auch hier in meiner Stube mit Feder
oder Rechenstift so manches profitieren ( lernen)
können, was ihm nicht schaden wird!"
- „Ja, ja, Deichgraf, das wird
er; da habt Ihr völlig recht!" sagte der alte Haien
und begann dann noch einige Vergünstigungen bei dem
Mietkontrakt
(Lehrvertrag)
sich auszubedingen, die abends vorher von seinem Sohne
nicht bedacht waren. So sollte dieser außer seinen
leinenen Hemden im Herbst auch noch acht Paar wollene
Strümpfe als Zugabe seines Lohnes genießen; so
wollte er selbst ihn im Frühling acht Tage bei der
eigenen Arbeit haben, und was dergleichen mehr
war.
-
- (Reclam, S.
29) Aber der Deichgraf war zu
allem willig; Hauke Haien schien ihm eben der rechte
Kleinknecht.
- - - „Nun, Gott tröst
dich, Junge", sagte der Alte, da sie eben das Haus
verlassen hatten, „wenn der dir die Welt
klarmachen soll!"
-
- Aber Hauke erwiderte ruhig: „Laß
Er nur, Vater; es wird schon alles werden."
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