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- Einleitung
und Vorbereitung
Erzählung
des Schulmeisters Unterbrechung,
Trin' Jans Haukes
kommt zum Deichgrafen Haukes
Gespräch mit Elke Eisboseln und Ole Peters Eisboseln, Versöhnung mit Trine Tod
Tede Haiens, Haukes Erbteil Begräbnis und Nachfolge Hauke
als Deichgraf Das
Pferd von Jever Haukes
Schimmel Der
neue Deich Deichbau Nachwuchs
- „etwas lebigs -Wienke
Sturm
und Untergang
Materialien
Pappes Vorlage
Rungholt
Liliencrons Gedicht
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- Theodor
Storm
Der Schimmelreiter (Novelle, 1888) - 10. Hauke als Deichgraf
-
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(Reclam, S.
66) Es war um mehrere Jahre
später: In dem kleinen Hause Tede Haiens wohnte
jetzt ein rüstiger Arbeiter mit Frau und Kind, der
junge Deichgraf Hauke Haien saß mit seinem Weibe
Elke Volkerts auf deren väterlicher Hofstelle. Im
Sommer rauschte die gewaltige Esche nach wie vor am
Hause; aber auf der Bank, die jetzt darunterstand, sah
man abends meist nur die junge Frau, einsam mit einer
häuslichen Arbeit in den Händen; noch immer
fehlte ein Kind in dieser Ehe; der Mann aber hatte
anderes zu tun, als Feierabend vor der Tür zu
halten, denn trotz seiner früheren Mithülfe
lagen aus des Alten Amtsführung eine Menge
unerledigter Dinge, an die auch er derzeit zu rühren
nicht für gut gefunden hatte; jetzt aber mußte
allmählich alles aus dem Wege; er fegte mit einem
scharfen Besen. Dazu kam die Bewirtschaftung der durch
seinen eigenen Landbesitz vergrößerten Stelle,
bei der er gleichwohl den Kleinknecht noch zu sparen
suchte; so sahen sich die beiden Eheleute, außer am
Sonntag, wo Kirchgang gehalten wurde, meist nur bei dem
von Hauke eilig besorgten Mittagessen und beim Auf- und
Niedergang des Tages; es war ein Leben fortgesetzter
Arbeit, doch gleichwohl ein zufriedenes.
-
- Dann kam ein störendes Wort in
Umlauf. - Als von den jüngeren Besitzern der Marsch-
und Geestgemeinde eines Sonntags nach der Kirche ein
etwas unruhiger Trupp im Kruge droben am Trunke
festgeblieben war, redeten sie beim vierten oder
fünften Glase zwar nicht über König und
Regierung - so hoch wurde damals noch nicht gegriffen -,
wohl aber über Kommunal- und Oberbeamte, vor allem
über Gemeindeabgaben und -lasten, und je länger
sie redeten, desto weniger fand davon Gnade vor ihren
Augen, insonders nicht die neuen Deichlasten; alle Siele
und (Reclam, S.
67) Schleusen, die sonst immer
gehalten hätten, seien jetzt
reparaturbedürftig; am Deiche fänden sich immer
neue Stellen, die Hunderte von Karren Erde nötig
hätten; der Teufel möchte die Geschichte
holen!
-
- „Das kommt von eurem klugen
Deichgrafen", rief einer von den Geestleuten, „der
immer grübeln geht und seine Finger dann in alles
steckt!"
- „Ja, Marten", sagte Ole
Peters, der dem Sprecher gegenübersaß; „recht
hast du, er ist hinterspinnig und sucht beim
Oberdeichgraf sich 'nen weißen Fuß zu machen;
aber wir haben ihn nun einmal!"
- „Warum habt ihr ihn euch
aufhucken lassen?" sagte der andre; „nun
müßt ihr's bar bezahlen."
- Ole Peters lachte. „Ja, Marten
Fedders, das ist nun so bei uns, und davon ist nichts
abzukratzen; der alte wurde Deichgraf von seines Vaters,
der neue von seines Weibes wegen." Das Gelächter,
das jetzt um den Tisch lief, zeigte, welchen Beifall das
geprägte Wort gefunden hatte.
-
- Aber es war an öffentlicher
Wirtstafel gesprochen worden, es blieb nicht da, es lief
bald um im Geest- und unten in dem Marschdorf, so kam es
auch an Hauke. Und wieder ging vor seinem inneren Auge
die Reihe übelwollender Gesichter vorüber, und
noch höhnischer, als es gewesen war, hörte er
das Gelächter an dem Wirtshaustische. „Hunde!"
schrie er, und seine Augen sahen grimmig zur Seite, als
wolle er sie peitschen lassen.
-
- Da legte Elke ihre Hand auf seinen
Arm. „Laß sie; die wären alle gern, was
du bist!"
- -„Das ist es eben!" entgegnete
er grollend.
- „Und", fuhr sie fort, „hat
denn Ole Peters sich nicht selber
eingefreit?"
- „Das hat er, Elke; aber was er
mit Vollina freite, das reichte nicht zum
Deichgrafen!"
- (Reclam, S.
68) - „Sag es lieber: er
reichte nicht dazu!" Und Elke drehte ihren Mann, so
daß er sich im Spiegel sehen mußte, denn sie
standen zwischen den Fenstern in ihrem Zimmer. „Da
steht der Deichgraf!" sagte sie; „nun sieh ihn an;
nur wer ein Amt regieren kann, der hat es!"
- „Du hast nicht unrecht",
entgegnete er sinnend, „und doch... Nun, Elke; ich
muß zur Osterschleuse, die Türen
schließen wieder nicht!"
- Sie drückte ihm die Hand: „Komm,
sieh mich erst einmal an! Was hast du, deine Augen sehen
so ins Weite?"
- „Nichts, Elke, du hast ja
recht."
-
- Er ging; aber nicht lange war er
gegangen, so war die Schleusenreparatur vergessen. Ein
anderer Gedanke, den er halb nur ausgedacht und seit
Jahren mit sich umhergetragen hatte, der aber vor den
drängenden Amtsgeschäften ganz
zurückgetreten war, bemächtigte sich seiner
jetzt aufs neue und mächtiger als je zuvor, als
seien plötzlich die Flügel ihm
gewachsen.
-
- Kaum daß er es selber
wußte, befand er sich oben auf dem Haffdeich, schon
eine weite Strecke südwärts nach der Stadt zu;
das Dorf, das nach dieser Seite hinauslag, war ihm zur
Linken längst verschwunden; noch immer schritt er
weiter, seine Augen unablässig nach der Seeseite auf
das breite Vorland gerichtet; wäre jemand neben ihm
gegangen, er hätte es sehen müssen, welche
eindringliche Geistesarbeit hinter diesen Augen vorging.
Endlich blieb er stehen: das Vorland schwand hier zu
einem schmalen Streifen an dem Deich zusammen. „Es
muß gehen!" sprach er bei sich selbst. „Sieben
Jahr im Amt; sie sollen nicht mehr sagen, daß ich
nur Deichgraf bin von meines Weibes wegen!"
-
- (Reclam, S.
69) Noch immer stand er, und seine
Blicke schweiften scharf und bedächtig nach allen
Seiten über das grüne Vorland; dann ging er
zurück, bis wo auch hier ein schmaler Streifen
grünen Weidelands die vor ihm liegende breite
Landfläche ablöste. Hart an dem Deiche aber
schoß ein starker Meeresstrom durch diese, der fast
das ganze Vorland von dem Festlande trennte und zu einer
Hallig machte; eine rohe Holzbrücke führte nach
dort hinüber, damit man mit Vieh und Heu- und
Getreidewagen hinüber und wieder zurück
gelangen könne. Jetzt war es Ebbzeit, und die
goldene Septembersonne glitzerte auf dem etwa hundert
Schritte breiten Schlickstreifen und auf dem tiefen Priel
in seiner Mitte, durch den auch jetzt das Meer noch seine
Wasser trieb. „Das läßt sich
dämmen!" sprach Hauke bei sich selber, nachdem er
diesem Spiele eine Zeitlang zugesehen; dann blickte er
auf, und von dem Deiche, auf dem er stand, über den
Priel hinweg, zog er in Gedanken eine Linie längs
dem Rande des abgetrennten Landes, nach Süden herum
und ostwärts wiederum zurück über die
dortige Fortsetzung des Prieles und an den Deich heran.
Die Linie aber, welche er unsichtbar gezogen hatte, war
ein neuer Deich, neu auch in der Konstruktion seines
Profiles, welches bis jetzt nur noch in seinem Kopf
vorhanden war.
- „Das gäbe einen Koog von
zirka tausend Demat", sprach er lächelnd zu sich
selber; „nicht groß just;
aber..."
-
- Eine andere Kalkulation überkam
ihn: das Vorland gehörte hier der Gemeinde, ihren
einzelnen Mitgliedern eine Zahl von Anteilen, je nach der
Größe ihres Besitzes im Gemeindebezirk oder
nach sonst zu Recht bestehender Erwerbung; er begann
zusammenzuzählen, wieviel Anteile er von seinem, wie
(Reclam, S.
70) viele er von EIkes Vater
überkommen und was an solchen er während seiner
Ehe schon selbst gekauft hatte, teils in dem dunklen
Gefühle eines künftigen Vorteils, teils bei
Vermehrung seiner Schafzucht. Es war schon eine
ansehnliche Menge; denn auch von Ole Peters hatte er
dessen sämtliche Teile angekauft, da es diesem zum
Verdruß geschlagen war, als bei einer teilweisen
Überströmung ihm sein bester Schafbock
ertrunken war. Aber das war ein seltsamer Unfall gewesen,
denn so weit Haukes Gedächtnis reichte, waren selbst
bei hohen Fluten dort nur die Ränder
überströmt worden. Welch treffliches Weide- und
Kornland mußte es geben und von welchem Werte, wenn
das alles von seinem neuen Deich umgeben war! Wie ein
Rausch stieg es ihm ins Gehirn; aber er preßte die
Nägel in seine Handflächen und zwang seine
Augen, klar und nüchtern zu sehen, was dort vor ihm
lag: eine große deichlose Fläche, wer
wußt es, welchen Stürmen und Fluten schon in
den nächsten Jahren preisgegeben, an deren
äußerstem Rande jetzt ein Trupp von
schmutzigen Schafen langsam grasend entlangwanderte, dazu
für ihn ein Haufen Arbeit, Kampf und Ärger!
Trotz alledem, als er vom Deich hinab- und den
Fußsteig über die Fennen auf seine Werfte
zuging, ihm war's, als brächte er einen großen
Schatz mit sich nach Hause.
-
- Auf dem Flur trat Elke ihm entgegen. „Wie
war es mit der Schleuse?" frug sie.
- Er sah mit geheimnisvollem
Lächeln auf sie nieder. „Wir werden bald eine
andere Schleuse brauchen", sagte er; „und Sielen
und einen neuen Deich!"
- „Ich versteh dich nicht",
entgegnete Elke, während sie in das Zimmer gingen; „was
willst du, Hauke?"
- „Ich will", sagte er langsam
und hielt dann einen Augenblick inne, „ich will,
daß das große Vorland,
(Reclam, S.
71) das unserer Hofstatt
gegenüber beginnt und dann nach Westen ausgeht, zu
einem festen Kooge eingedeicht werde: die hohen Fluten
haben fast ein Menschenalter uns in Ruh gelassen; wenn
aber eine von den schlimmen wiederkommt und den Anwachs
stört, so kann mit einem Mal die ganze Herrlichkeit
zu Ende sein; nur der alte Schlendrian hat das bis heut
so lassen können!"
-
- Sie sah ihn voll Erstaunen an. „So
schiltst du dich ja selber!" sagte sie.
- - „Das tu ich, Elke; aber es
war bisher auch soviel anderes zu
beschaffen!"
- „Ja, Hauke; gewiß, du
hast genug getan!"
- Er hatte sich in den Lehnstuhl des
alten Deichgrafen gesetzt, und seine Hände griffen
fest um beide Lehnen.
- „Hast du denn guten Mut dazu?"
frug ihn sein Weib.
- „Das hab ich, Elke!" sprach er
hastig.
- „Sei nicht zu rasch, Hauke;
das ist ein Werk auf Tod und Leben; und fast alle werden
dir entgegen sein, man wird dir deine Müh und Sorg
nicht danken!"
- Er nickte. „Ich weiß!"
sagte er.
- „Und wenn es nun nicht
gelänge!" rief sie wieder, „von Kindesbeinen
an hab ich gehört, der Priel sei nicht zu stopfen,
und darum dürfe nicht daran gerührt
werden."
- „Das war ein Vorwand für
die Faulen!" sagte Hauke; „weshalb denn sollte man
den Priel nicht stopfen können?"
-
- - „Das hört ich nicht;
vielleicht, weil er gerade durchgeht; die Spülung
ist zu stark." - Eine Erinnerung überkam sie, und
ein fast schelmisches Lächeln brach aus ihren
ernsten Augen. „Als ich Kind war",
(Reclam, S.
72) sprach sie, „hörte
ich einmal die Knechte darüber reden; sie meinten,
wenn ein Damm dort halten solle, müsse was Lebigs da
hineingeworfen und mit verdämmt werden; bei einem
Deichbau auf der andern Seite, vor wohl hundert Jahren,
sei ein Zigeunerkind verdämmet worden, das sie um
schweres Geld der Mutter abgehandelt hätten; jetzt
aber würde wohl keine ihr Kind
verkaufen!"
- Hauke schüttelte den Kopf „Da
ist es gut, daß wir keins haben, sie würden es
sonst noch schier von uns verlangen!"
-
- „Sie sollten's nicht
bekommen!" sagte Elke und schlug wie in Angst die Arme
über ihren Leib.
- Und Hauke lächelte; doch sie
frug noch einmal: „Und die ungeheuren Kosten? Hast
du das bedacht?"
- - „Das hab ich, Elke; was wir
dort herausbringen, wird sie bei weitem überholen,
auch die Erhaltungskosten des alten Deiches gehen
für ein gut Stück in dem neuen unter; wir
arbeiten ja selbst und haben über achtzig Gespanne
in der Gemeinde, und an jungen Fäusten ist hier auch
kein Mangel. Du sollst mich wenigstens nicht umsonst zum
Deichgrafen gemacht haben, Elke; ich will ihnen zeigen,
daß ich einer bin!"
- Sie hatte sich vor ihm niedergehuckt
und ihn sorgvoll angeblickt; nun erhob sie sich mit einem
Seufzer. „Ich muß weiter zu meinem
Tagewerk", sagte sie, und ihre Hand strich langsam
über seine Wange; „tu du das deine,
Hauke!"
- „Amen, Elke!" sprach er mit
ernstem Lächeln; „Arbeit ist für uns
beide da!"
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