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- Einleitung
und Vorbereitung
Erzählung
des Schulmeisters Unterbrechung,
Trin' Jans Haukes
kommt zum Deichgrafen Haukes
Gespräch mit Elke Eisboseln und Ole Peters Eisboseln, Versöhnung mit Trine Tod
Tede Haiens, Haukes Erbteil Begräbnis und Nachfolge Hauke
als Deichgraf Das
Pferd von Jever Haukes
Schimmel Der
neue Deich Deichbau Nachwuchs
- „etwas lebigs -Wienke
Sturm
und Untergang
Materialien
Pappes Vorlage
Rungholt
Liliencrons Gedicht
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- Theodor
Storm
Der Schimmelreiter (Novelle, 1888) - 9. Begräbnis und Nachfolge
-
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(Reclam, S. 59, Zeile
10) Elkes Vorahnung war in
Erfüllung gegangen; eines Morgens nach Ostern hatte
man den Deichgrafen Tede Volkerts tot in seinem Bett
gefunden; man sah's an seinem Antlitz, ein ruhiges Ende
war darauf geschrieben. Er hatte auch mehrfach in den
letzten Monden Lebensüberdruß
geäußert; sein Leibgericht, der Ofenbraten,
selbst seine Enten hatten ihm nicht mehr schmecken
wollen.
-
- Und nun gab es eine große
Leiche
(Beerdigung)
im Dorf. Droben auf der Geest auf dem Begräbnisplatz
um die Kirche war zu Westen eine mit Schmiedegitter
umhegte Grabstätte; ein breiter blauer Grabstein
stand jetzt aufgehoben gegen eine Traueresche, auf
welchem das Bild des Todes mit stark gezahnten Kiefern
ausgehauen war; darunter in großen
Buchstaben:
-
- Dat is de Dod, de allens
fritt,
Nimmt Kunst un Wetenschop di mit;
De kloke Mann is nu vergahn -
Gott gäw' ein selig Uperstahn!
- Es war die Begräbnisstätte
des früheren Deichgrafen Volkert Tedsen; nun war
eine frische Grube gegraben, wohinein dessen Sohn, der
jetzt verstorbene Deichgraf Tede Volkerts, begraben
werden sollte. Und (Reclam, S.
60) schon kam unten aus der Marsch
der Leichenzug heran, eine Menge Wagen aus allen
Kirchspielsdörfern; auf dem vordersten stand der
schwere Sarg, die beiden blanken Rappen des
deichgräflichen Stalles zogen ihn schon den sandigen
Anberg zur Geest hinauf; Schweife und Mähnen der
Pferde wehten in dem scharfen Frühjahrswind. Der
Gottesacker (Friedhof)
um die Kirche war bis an die
Wälle mit Menschen angefüllt, selbst auf dem
gemauerten Tore huckten Buben mit kleinen Kindern in den
Armen; sie wollten alle das Begraben ansehn.
-
- Im Hause drunten in der Marsch hatte
Elke in Pesel und Wohngelaß das Leichenmahl
gerüstet; alter Wein wurde bei den Gedecken
hingestellt; an den Platz des Oberdeichgrafen - denn auch
er war heut nicht ausgeblieben - und an den des Pastors
je eine Flasche Langkork. Als alles besorgt war, ging sie
durch den Stall vor die Hoftür; sie traf niemanden
auf ihrem Wege; die Knechte waren mit zwei Gespannen in
der Leichenfuhr. Hier blieb sie stehen und sah,
während ihre Trauerkleider im Frühlingswinde
flatterten, wie drüben an dem Dorfe jetzt die
letzten Wagen zur Kirche hinauffuhren. Nach einer Weile
entstand dort ein Gewühl, dem eine Totenstille zu
folgen schien. Elke faltete die Hände; sie senkten
wohl den Sarg jetzt in die Grube. „Und zur Erde
wieder sollst du werden!" Unwillkürlich, leise, als
hätte sie von dort es hören können, sprach
sie die Worte nach; dann füllten ihre Augen sich mit
Tränen, ihre über der Brust gefalteten
Hände sanken in den Schoß. „Vater
unser, der du bist im Himmel!" betete sie voll Inbrunst.
Und als das Gebet des Herrn zu Ende war, stand sie noch
lange unbeweglich, sie, die jetzige Herrin dieses
großen Marschhofes; und Gedanken des Todes und des
Lebens begannen sich in ihr zu streiten.
- (Reclam, S.
61) Ein fernes Rollen weckte sie.
Als sie die Augen öffnete, sah sie schon wieder
einen Wagen um den anderen in rascher Fahrt von der
Marsch herab und gegen ihren Hof herankommen. Sie
richtete sich auf, blickte noch einmal scharf hinaus und
ging dann, wie sie gekommen war, durch den Stall in die
feierlich hergestellten Wohnräume zurück. Auch
hier war niemand; nur durch die Mauer hörte sie das
Rumoren der Mägde in der Küche. Die Festtafel
stand so still und einsam; der Spiegel zwischen den
Fenstern war mit weißen Tüchern zugesteckt und
ebenso die Messingknöpfe an dem Beilegerofen; es
blinkte nichts mehr in der Stube. Elke sah die Türen
vor dem Wandbett, in dem ihr Vater seinen letzten Schlaf
getan hatte, offenstehen und ging hinzu und schob sie
fest zusammen; wie gedankenlos las sie den Sinnspruch,
der zwischen Rosen und Nelken mit goldenen Buchstaben
darauf geschrieben stand:
-
- Hest du din Dagwark richtig
dan,
Da kummt de Slap von sülvst heran. -
- Das war noch von dem Großvater!
- Einen Blick warf sie auf den Wandschrank; er war fast
leer, aber durch die Glastüren sah sie noch den
geschliffenen Pokal darin, der ihrem Vater, wie er gern
erzählt hatte, einst bei einem Ringreiten in seiner
Jugend als Preis zuteil geworden war. Sie nahm ihn heraus
und setzte ihn bei dem Gedeck des Oberdeichgrafen. Dann
ging sie ans Fenster, denn schon hörte sie die Wagen
an der Werfte heraufrollen; einer um den andern hielt vor
dem Hause, und munterer, als sie gekommen waren, sprangen
jetzt die Gäste von ihren Sitzen auf den Boden.
Händereibend und plaudernd drängte sich alles
in die Stube; nicht lange, so setzte man sich an die
festliche Tafel, auf der die
(Reclam, S.
62) wohlbereiteten Speisen
dampften, im Pesel der Oberdeichgraf mit dem Pastor; und
Lärm und lautes Schwatzen lief den Tisch entlang,
als ob hier nimmer der Tod seine furchtbare Stille
ausgebreitet hätte. Stumm, das Auge auf ihre
Gäste, ging Elke mit den Mägden an den Tischen
herum, daß an dem Leichenmahle nichts versehen
werde. Auch Hauke Haien saß im Wohnzimmer neben Ole
Peters und anderen kleineren Besitzern.
-
- Nachdem das Mahl beendet war, wurden
die weißen Tonpfeifen aus der Ecke geholt und
angebrannt, und Elke war wiederum geschäftig, die
gefüllten Kaffeetassen den Gästen anzubieten;
denn auch der wurde heute nicht gespart. Im Wohnzimmer an
dem Pulte des eben Begrabenen stand der Oberdeichgraf im
Gespräche mit dem Pastor und dem weißhaarigen
Deichgevollmächtigten Jewe Manners. „Alles
gut, ihr Herren", sagte der erste, „den alten
Deichgrafen haben wir mit Ehren beigesetzt; aber woher
nehmen wir den neuen? Ich denke, Manners, Ihr werdet Euch
dieser Würde unterziehen müssen!"
-
- Der alte Manners hob lächelnd
das schwarze Sammetkäppchen von seinen weißen
Haaren. „Herr Oberdeichgraf", sagte er, „das
Spiel würde zu kurz werden; als der verstorbene Tede
Volkerts Deichgraf, da wurde ich Gevollmächtigter
und bin es nun schon vierzig Jahre!"
-
- „Das ist kein Mangel, Manners;
so kennt Ihr die Geschäfte um so besser und werdet
nicht Not mit ihnen haben!"
- Aber der Alte schüttelte den
Kopf „Nein, nein, Euer Gnaden, lasset mich, wo ich
bin, so laufe ich wohl noch ein paar Jahre
mit!"
-
- Der Pastor stand ihm bei. „Weshalb",
sagte er, „nicht den ins Amt nehmen, der es
tatsächlich in den letzten Jahren doch geführt
hat?"
-
- (Reclam, S.
63) Der Oberdeichgraf sah ihn an: „Ich
verstehe nicht, Herr Pastor!"
- Aber der Pastor wies mit dem Finger
in den Pesel, wo Hauke in langsam ernster Weise zwei
älteren Leuten etwas zu erklären schien. „Dort
steht er", sagte er, „die lange Friesengestalt mit
den klugen grauen Augen neben der hageren Nase und den
zwei Schädelwölbungen darüber! Er war des
Alten Knecht und sitzt jetzt auf seiner eigenen kleinen
Stelle; er ist zwar etwas jung!"
-
- „Es scheint ein
Dreißiger", sagte der Oberdeichgraf, den ihm so
Vorgestellten musternd.
- „Er ist kaum vierundzwanzig",
bemerkte der Gevollmächtigte Manners; „aber
der Pastor hat recht: was in den letzten Jahren Gutes
für Deiche und Siele und dergleichen vom
Deichgrafenamt in Vorschlag kam, das war von ihm; mit dem
Alten war's doch zuletzt nichts mehr."
-
- „So, so?" machte der
Oberdeichgraf; „und Ihr meinet, er wäre nun
auch der Mann, um in das Amt seines alten Herrn
einzurücken?"
-
- „Der Mann wäre es schon",
entgegnete Jewe Manners; „aber ihm fehlt das, was
man hier „Klei unter den Füßen" nennt;
sein Vater hatte so um fünfzehn, er mag gut zwanzig
Demat haben, aber damit ist bis jetzt hier niemand
Deichgraf geworden."
-
- Der Pastor tat schon den Mund auf,
als wolle er etwas einwenden, da trat Elke Volkerts, die
eine Weile schon im Zimmer gewesen, plötzlich zu
ihnen. „Wollen Euer Gnaden mir ein Wort erlauben?"
sprach sie zu dem Oberbeamten; „es ist nur, damit
aus einem Irrtum nicht ein Unrecht werde!"
-
- „So sprecht, Jungfer Elke!"
entgegnete dieser; „Weisheit von hübschen
Mädchenlippen hört sich allzeit
gut!"
- (Reclam, S.
64) - „Es ist nicht
Weisheit, Euer Gnaden; ich will nur die Wahrheit
sagen."
- „Auch die muß man ja
hören können, Jungfer Elke!"
-
- Das Mädchen ließ ihre
dunklen Augen noch einmal zur Seite gehen, als ob sie
wegen überflüssiger Ohren sich versichern
wolle. „Euer Gnaden", begann sie dann, und ihre
Brust hob sich in stärkerer Bewegung, „mein
Pate, Jewe Manners, sagte Ihnen, daß Hauke Haien
nur etwa zwanzig Demat im Besitz habe; das ist im
Augenblick auch richtig, aber sobald es sein muß,
wird Hauke noch um soviel mehr sein eigen nennen, als
dieser, meines Vaters, jetzt mein Hof an Dematzahl
beträgt; für einen Deichgrafen wird das
zusammen denn wohl reichen."
-
- Der alte Manners reckte den
weißen Kopf gegen sie, als müsse er erst
sehen, wer denn eigentlich da rede. „Was ist das?"
sagte er; „Kind, was sprichst du da?"
-
- Aber Elke zog an einem schwarzen
Bändchen einen blinkenden Goldring aus ihrem Mieder.
„Ich bin verlobt, Pate Manners", sagte sie; „hier ist
der Ring, und Hauke Haien ist mein
Bräutigam."
-
- - „Und wann - ich darf's wohl
fragen, da ich dich aus der Taufe hob, Elke Volkerts,
wann ist denn das passiert?"
- - „Das war schon vor geraumer
Zeit; doch war ich mündig, Pate Manners", sagte sie;
„mein Vater war schon hinfällig worden, und da ich ihn
kannte, so wollt ich ihn nicht mehr damit beunruhigen;
itzt, da er bei Gott ist, wird er einsehen, daß
sein Kind bei diesem Manne wohl geborgen ist. Ich
hätte es auch das Trauerjahr hindurch schon
ausgeschwiegen; jetzt aber, um Haukes und um des Kooges
willen, hab ich reden müssen." Und zum
Oberdeichgrafen gewandt, setzte sie hinzu: „Euer
Gnaden wollen mir das verzeihen!"
-
- (Reclam, S.
65) Die drei Männer sahen
sich an; der Pastor lachte, der alte Gevollmächtigte
ließ es bei einem „Hm, hm!" bewenden,
während der Oberdeichgraf wie vor einer wichtigen
Entscheidung sich die Stirn rieb. „Ja, liebe
Jungfer", sagte er endlich, „aber wie steht es
denn hier im Kooge mit den ehelichen Güterrechten?
Ich muß gestehen, ich bin augenblicklich nicht
recht kapitelfest
(rechtssicher)
in diesem Wirrsal!"
- „Das brauchen Euer Gnaden auch
nicht", entgegnete des Deichgrafen Tochter, „ich
werde vor der Hochzeit meinem Bräutigam die
Güter übertragen. Ich habe auch meinen kleinen
Stolz", setzte sie lächelnd hinzu; „ich will
den reichsten Mann im Dorfe heiraten!"
-
- „Nun, Manners", meinte der
Pastor, „ich denke, Sie werden auch als Pate
nichts dagegen haben, wenn ich den jungen Deichgrafen mit
des alten Tochter zusammengebe!"
-
- Der Alte schüttelte leis den
Kopf „Unser Herrgott gebe seinen Segen!" sagte er
andächtig.
- Der Oberdeichgraf aber reichte dem
Mädchen seine Hand: „Wahr und weise habt Ihr
gesprochen, Elke Volkerts; ich danke Euch für so
kräftige Erläuterungen und hoffe auch in
Zukunft, und bei freundlicheren Gelegenheiten als heute,
der Gast Eueres Hauses zu sein; aber daß ein
Deichgraf von solch junger Jungfer gemacht wurde, das ist
das Wunderbare an der Sache!"
-
- „Euer Gnaden", erwiderte Elke
und sah den gütigen Oberbeamten noch einmal mit
ihren ernsten Augen an, „einem rechten Manne wird
auch die Frau wohl helfen dürfen!" Dann ging sie in
den anstoßenden Pesel und legte schweigend ihre
Hand in Hauke Haiens.
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