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- Einleitung
und Vorbereitung
Erzählung
des Schulmeisters Unterbrechung,
Trin' Jans Haukes
kommt zum Deichgrafen Haukes
Gespräch mit Elke Eisboseln und Ole Peters Eisboseln, Versöhnung mit Trine Tod
Tede Haiens, Haukes Erbteil Begräbnis und Nachfolge Hauke
als Deichgraf Das
Pferd von Jever Haukes
Schimmel Der
neue Deich Deichbau Nachwuchs
- „etwas lebigs -Wienke
Sturm
und Untergang
Materialien
Pappes Vorlage
Rungholt
Liliencrons Gedicht
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- Theodor
Storm
Der Schimmelreiter (Novelle, 1888) - 11. Das Pferd von Jever
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(Reclam, S. 72; Zeile
32) Und es war Arbeit genug
für beide, die schwerste Last aber fiel jetzt auf
des Mannes Schulter. An Sonntagnachmittagen, oft auch
nach Feierabend, saß Hauke mit einem tüchtigen
Feldmesser zusammen, (Reclam, S.
73) vertieft inRechenaufgaben,
Zeichnungen und Rissen; war er allein, dann ging es
ebenso und endete oft weit nach Mitternacht. Dann schlich
er in die gemeinsame Schlafkammer - denn die dumpfen
Wandbetten im Wohngemach wurden in Haukes Wirtschaft
nicht mehr gebraucht -, und sein Weib, damit er endlich
nur zur Ruhe komme, lag wie schlafend mit geschlossenen
Augen, obgleich sie mit klopfendem Herzen nur auf ihn
gewartet hatte; dann küßte er mitunter ihre
Stirn und sprach ein leises Liebeswort dabei, und legte
sich selbst zum Schlafe, der ihm oft nur beim ersten
Hahnenkraht zu Willen war. Im Wintersturm lief er auf den
Deich hinaus, mit Bleistift und Papier in der Hand, und
stand und zeichnete und notierte, während ein
Windstoß ihm die Mütze vom Kopf riß und
das lange, fahle Haar ihm um sein heißes Antlitz
flog; bald fuhr er, solange nur das Eis ihm nicht den Weg
versperrte, mit einem Knecht zu Boot ins Wattenmeer
hinaus und maß dort mit Lot und Stange die Tiefen
der Ströme, über die er noch nicht sicher war.
Elke zitterte oft genug für ihn; aber war er wieder
da, so hätte er das nur aus ihrem festen
Händedruck oder dem leuchtenden Blitz aus ihren
sonst so stillen Augen merken können. „Geduld,
Elke", sagte er, da ihm einmal war, als ob sein Weib ihn
nicht lassen könne; „ich muß erst
selbst im reinen sein, bevor ich meinen Antrag stelle!"
Da nickte sie und ließ ihn gehen. Der Ritte in die
Stadt zum Oberdeichgrafen wurden auch nicht wenige, und
allem diesen und den Mühen in Haus- und
Landwirtschaft folgten immer wieder die Arbeiten in die
Nacht hinein. Sein Verkehr mit anderen Menschen
außer in Arbeit und Geschäft verschwand fast
ganz; selbst der mit seinem Weibe wurde immer weniger. „Es
sind schlimme Zeiten, und sie werden
(Reclam, S. 74)
noch lange dauern", sprach Elke
bei sich selber und ging an ihre Arbeit.
-
- Endlich, Sonne und
Frühlingswinde hatten schon überall das Eis
gebrochen, war auch die letzte Vorarbeit getan; die
Eingabe an den Oberdeichgrafen zu Befürwortung an
höherem Orte, enthaltend den Vorschlag einer
Bedeichung des erwähnten Vorlandes, zur
Förderung des öffentlichen Besten, insonders
des Kooges wie nicht weniger der Herrschaftlichen Kasse,
da höchstderselben in kurzen Jahren die Abgabe von
zirka tausend Demat daraus erwachsen würden - war
sauber abgeschrieben und nebst anliegenden Rissen und
Zeichnungen aller Lokalitäten, jetzt und
künftig, der Schleusen und Siele und was noch sonst
dazu gehörte, in ein festes Konvolut
(Umschlag)
gepackt und mit dem deichgräflichen Amtssiegel
versehen worden.
- „Da ist es, Elke", sagte der
junge Deichgraf, „nun gib ihm deinen
Segen!"
- Elke legte ihre Hand in seine. „Wir
wollen fest zusammenhalten", sagte sie.
- - „Das wollen
wir."
-
- (Reclam, S. 74, Zeile
23) Dann wurde die Eingabe durch
einen reitenden Boten in die Stadt gesandt.
- Sie wollen bemerken, lieber Herr",
unterbrach der Schulmeister seine Erzählung, mich
freundlich mit seinen feinen Augen fixierend, „daß
ich das bisher Berichtete während meiner fast
vierzigjährigen Wirksamkeit in diesem Kooge aus den
Überlieferungen verständiger Leute oder aus
Erzählungen der Enkel und Urenkel solcher
zusammengefunden habe; was ich, damit Sie dieses mit dem
endlichen Verlauf in Einklang zu bringen vermögen,
Ihnen jetzt (Reclam, S.
75) vorzutragen habe, das war
derzeit und ist auch jetzt noch das Geschwätz des
ganzen Marschdorfes, sobald nur um Allerheiligen die
Spinnräder an zu schnurren fangen.
-
- Von der Hofstelle des Deichgrafen,
etwa fünf- bis sechshundert Schritte weiter
nordwärts, sah man derzeit, wenn man auf dem Deiche
stand, ein paar tausend Schritt ins Wattenmeer hinaus und
etwas weiter von dem gegenüberliegenden Marschufer
entfernt eine kleine Hallig, die sie „Jeverssand",
auch „Jevershallig" nannten. Von den derzeitigen
Großvätern war sie noch zur Schafweide benutzt
worden, denn Gras war damals noch darauf gewachsen; aber
auch das hatte aufgehört, weil die niedrige Hallig
ein paarmal, und just im Hochsommer, unter Seewasser
gekommen und der Graswuchs dadurch verkümmert und
auch zur Schafweide unnutzbar geworden war. So kam es
denn, daß außer von Möwen und den andern
Vögeln, die am Strande fliegen, und etwa einmal von
einem Fischadler, dort kein Besuch mehr stattfand; und an
mondhellen Abenden sah man vom Deiche aus nur die
Nebeldünste leichter oder schwerer darüber
hinziehen. Ein paar weißgebleichte
Knochengerüste ertrunkener Schafe und das Gerippe
eines Pferdes, von dem freilich niemand begriff, wie es
dort hingekommen sei, wollte man, wenn der Mond von Osten
auf die Hallig schien, dort auch erkennen
können.
-
- Es war zu Ende März, als an
dieser Stelle nach Feierabend der Tagelöhner aus dem
Tede Haienschen Hause und Iven Johns, der Knecht des
jungen Deichgrafen, nebeneinanderstanden und unbeweglich
nach der im trüben Mondduft kaum erkennbaren Hallig
hinüberstarrten; etwas Auffälliges schien sie
dort so festzuhalten. Der Tagelöhner steckte die
Hände in die Tasche und schüttelte sich. „Komm,
Iven", sagte er, „das ist nichts Gutes; laß
uns nach Haus gehen!"
-
- (Reclam, S.
76) Der andere lachte, wenn auch
ein Grauen bei ihm hindurchklang: „Ei was, es ist
eine lebige Kreatur, eine große! Wer, zum Teufel,
hat sie nach dem Schlickstück hinaufgejagt! Sieh
nur, nun reckt's den Hals zu uns hinüber! Nein, es
senkt den Kopf, es frißt! Ich dächt, es
wär dort nichts zu fressen! Was es nur sein
mag?"
- „Was geht das uns an!"
entgegnete der andere. „Gute Nacht, Iven, wenn du
nicht mitwillst; ich gehe nach Haus!"
- - „Ja, ja; du hast ein Weib,
du kommst ins warme Bett! Bei mir ist auch in meiner
Kammer lauter Märzenluft!"
- „Gut Nacht denn!"rief der
Tagelöhner zurück, während er auf dem
Deich nach Hause trabte. Der Knecht sah sich ein paarmal
nach dem Fortlaufenden um; aber die Begier, Unheimliches
zu schauen, hielt ihn noch fest. Da kam eine untersetzte,
dunkle Gestalt auf dem Deich vom Dorf her gegen ihn
heran; es war der Dienstjunge des Deichgrafen. „Was
willst du, Carsten?" rief ihm der Knecht
entgegen.
- „Ich? - nichts", sagte der
Junge; „aber unser Wirt will dich sprechen, Iven
Johns!"
- Der Knecht hatte die Augen schon
wieder nach der Hallig. „Gleich; ich komme
gleich!" sagte er.
- „Wonach guckst du denn so?"
frug der Junge.
- Der Knecht hob den Arm und wies stumm
nach der Hallig. „Oha!" flüsterte der Junge; „da
geht ein Pferd - ein Schimmel - das muß der Teufel
reiten - wie kommt ein Pferd nach
Jevershallig?"
- - „Weiß nicht, Carsten,
wenn's nur ein richtiges Pferd ist!"
- „Ja, ja, Iven; sieh nur, es
frißt ganz wie ein Pferd! Aber wer hat's dahin
gebracht; wir haben im Dorf so
(Reclam, S.
77) große Böte
(Boote) gar
nicht! Vielleicht auch ist es nur ein Schaf; Peter Ohm
sagt, im Mondschein wird aus zehn Torfringeln ein ganzes
Dorf. Nein, sieh! Nun springt es - es muß doch ein
Pferd sein!"
- Beide standen eine Weile schweigend,
die Augen nur nach dem gerichtet, was sie drüben
undeutlich vor sich gehen sahen. Der Mond stand hoch am
Himmel und beschien das weite Wattenmeer, das eben in der
steigenden Flut seine Wasser über die glitzernden
Schlickflächen zu spülen begann. Nur das leise
Geräusch des Wassers, keine Tierstimme war in der
ungeheueren Weite hier zu hören; auch in der Marsch,
hinter dem Deiche, war es leer; Kühe und Rinder
waren alle noch in den Ställen. Nichts regte sich;
nur was sie für ein Pferd, einen Schimmel, hielten,
schien dort auf Jevershallig noch beweglich. „Es
wird heller", unterbrach der Knecht die Stille, „ich
sehe deutlich die weißen Schafgerippe
schimmern!"
-
- „Ich auch", sagte der Junge
und reckte den Hals, dann aber, als komme es ihm
plötzlich, zupfte er den Knecht am Ärmel. „Iven",
raunte er, „das Pferdsgerippe, das sonst dabeilag,
wo ist es? Ich kann's nicht sehen!"
- „Ich seh es auch nicht!
Seltsam!" sagte der Knecht.
- - „Nicht so seltsam, Iven!
Mitunter, ich weiß nicht, in welchen Nächten,
sollen die Knochen sich erheben und tun, als ob sie lebig
(lebendig)
wären!"
- „So?" machte der Knecht; „das
ist ja Altweiberglaube!"
- „Kann sein, Iven", meinte der
Junge.
- „Aber, ich mein, du sollst
mich holen; komm, wir müssen nach Haus! Es bleibt
hier immer doch dasselbe."
- Der Junge war nicht fortzubringen,
bis der Knecht ihn mit Gewalt herumgedreht und auf den
Weg (Reclam, S.
78) gebracht hatte. „Hör,
Carsten", sagte dieser, als die gespensterhafte Hallig
ihnen schon ein gut Stück im Rücken lag, „du
giltst ja für einen Allerweltsbengel; ich glaub, du
möchtest das am liebsten selber
untersuchen!"
- „Ja", entgegnete Carsten,
nachträglich noch ein wenig schaudernd, „ja,
das möcht ich, Iven!"
- „Ist das dein Ernst? - dann",
sagte der Knecht, nachdem der Junge ihm
nachdrücklich darauf die Hand geboten hatte, „lösen
wir morgen abend unser Boot; du fährst nach
Jeverssand; ich bleib so lange auf dem Deiche
stehen."
- „Ja", erwiderte der Junge, „das
geht! Ich nehme meine Peitsche mit!"
- „Tu das!"
-
- Schweigend kamen sie an das Haus
ihrer Herrschaft, zu dem sie langsam die hohe Werft
hinanstiegen.
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